Möglicher Gas-Krisenfall Städte rüsten sich – Habeck hofft auf weitere russische Lieferungen
Ob das Gas im Winter knapp wird, kann noch niemand sicher vorhersagen. In den Städten werden die Pläne für den Krisenfall vorbereitet.
Angesichts einer möglicherweise drohenden Energie-Knappheit im Winter arbeiten die Städte an Krisenplänen und prüfen Maßnahmen zum Einsparen von Gas, die jetzt schon umgesetzt werden sollen. "Falls Deutschland der Gashahn abgedreht wird, gehören Privathaushalte zu den besonders geschützten Kunden – bei ihnen würde also erst als Letztes Energie rationiert", sagte die stellvertretende Hauptgeschäftsführerin des Deutschen Städtetages, Verena Göppert, der Nachrichtenagentur dpa. Noch besser wäre es, wenn die Gas-Vorräte reichen und Einschränkungen überhaupt nicht notwendig würden.
Energie einzusparen sei in der aktuellen Situation eine Aufgabe der gesamten Gesellschaft. Die Städte prüften daher aktuell viele kurzfristige Einsparmaßnahmen, sagte Göppert. Sie "lassen etwa Beleuchtungen aus, verzichten auf warmes Wasser in öffentlichen Gebäuden, schalten Brunnen ab, temperieren Klimaanlagen und Badewasser anders".
"Niemand soll im Winter frieren müssen"
Zusätzlich erarbeiteten die Städten mit ihren Krisenstäben und den kommunalen Versorgern Krisenpläne für den Fall, dass der Bund die "Notfallstufe Gas" ausrufen und Gas rationiert werden sollte, hieß es vom Städtetag. Hierzu finde auch eine enge Abstimmung mit Bund, Ländern und der Bundesnetzagentur statt. Göppert betonte: "Klar ist dabei: Niemand soll im Winter frieren müssen."
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Auf die Frage nach möglichen Vorkehrungen für eine Energie-Mangelsituation beim Bundesamt für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe (BBK) teilte eine Sprecherin der dpa mit: "In Bezug auf Gas-Mangel sind die Fachleute im Bereich Kritische Infrastrukturen sehr wachsam und im ständigen Austausch mit der Bundesnetzagentur." Ziel sei es dabei, "die Lage genau bewerten zu können und wenn nötig Ableitungen für den Bevölkerungsschutz zu ziehen".
Das noch im Aufbau befindliche Gemeinsame Kompetenzzentrum von Bund und Ländern beim BBK habe seinen ersten Arbeitsschwerpunkt auf die Erstellung eines einheitlichen Lagebildes gelegt. Auf dessen Grundlage wären dann Bewertungen und Entscheidungen möglich, sollte sich die Lage verschärfen.
Die Ostsee-Pipeline Nord Stream 1 war am Montag wegen Wartungsarbeiten abgeschaltet worden. Die Wartung dauert in der Regel bis zu zehn Tage. Die große Sorge ist, dass Russland den Gashahn aber nicht wieder aufdreht. Dann könnte es in der Heizperiode zu einer Gasmangellage kommen, die Bundesregierung will eine solche unbedingt verhindern – weil sie schwere Schäden für die Wirtschaft haben könnte und große soziale Folgen. Deswegen soll die Abhängigkeit von russischem Gas verhindert werden, zum Beispiel durch den Bau von Terminals für Flüssigerdgas. Der Gasverbrauch beim Strom soll verringert werden.
Habeck hofft auf weitere Gaslieferungen aus Russland
Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck hofft dennoch auf weitere Gaslieferungen aus Russland. "Ich habe keine geheime Information, weder in die eine noch in die andere Richtung", sagte der Grünen-Politiker am Montagabend in einem vorab veröffentlichten Interview der ARD-"Tagesthemen". "Die Möglichkeit besteht. Die Chance, dass es nicht so kommt, ist auch da. Wir werden abwarten müssen."
Habeck betonte, vor der Abschaltung von Industriebereichen könne man viele andere Maßnahmen ergreifen. Als Beispiel nannte der Wirtschaftsminister den Bau schwimmender Flüssiggas-Terminals. Derzeit beobachte man, wie sich die Gasmengen entwickeln. Alles ziele darauf, im Winter volle Speicher zu haben. "Wenn es nicht gelingt, über den Markt weitere Gasmengen zu besorgen, müssen wir eben die Verbräuche weiter runterbringen." Dafür gebe es verschiedene Möglichkeiten.
Der Präsident der Bundesnetzagentur sieht gegenwärtig keine Möglichkeit, den Wunsch der Industrie nach Planbarkeit zu erfüllen. "Ich verstehe diesen Wunsch, der häufig an uns herangetragen wird", sagt Klaus Müller dem Sender Phoenix laut redaktioneller Fassung. Man wisse allerdings schlicht nicht, in welcher Situation und unter welchen Umständen es zu einer Gasnotlage komme. "Die Situation ist so unkalkulierbar, dass jedes Versprechen unter dem Vorbehalt steht, es nicht einlösen zu können. Und Zusagen zu machen, die nicht gedeckt sind, wäre eine noch schlechtere Entscheidung."
Netzagentur: Unsicherheit bleibt bestehen
Die Unsicherheit über Gaslieferungen aus Russland bleibt nach Angaben des Präsidenten der Bundesnetzagentur, Klaus Müller, bestehen. "Wir haben aus Russland ganz unterschiedliche Signale", sagte Müller am Montag im ZDF.
"Seit Montagmorgen fließt über Nord Stream kein Gas mehr. Russland beliefert Deutschland jetzt nur noch über die Transgas-Pipeline durch die Ukraine", sagte Müller, dem Redaktionsnetzwerk Deutschland (RND). Die Regierung in Moskau könne die Liefermengen durch die Ukraine jederzeit erhöhen, um ihre vertraglichen Verpflichtungen zu erfüllen. "Dazu fehlt Wladimir Putin aber offenbar der politische Wille."
Russland werde allerdings innerhalb der nächsten zwei Wochen Farbe bekennen müssen. "Wenn die in Kanada gewartet Gasturbine bis zum Ende der Nord-Stream-Wartung am 21. Juli wieder eingebaut ist, hätte Russland kein Argument mehr, die Liefermengen beim Gas weiterhin zu drosseln."
- Nachrichtenagenturen Reuters und dpa