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CDU-Fraktionsvize: "Hauptsache, es werden keine Grillwürste mehr verspeist"


Interview
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CDU-Politiker über Grüne
"Hauptsache, es werden keine Grillwürste mehr verspeist"

InterviewVon Tim Kummert

Aktualisiert am 08.05.2021Lesedauer: 6 Min.
Carsten Linnemann bei einer Rede: Im Interview gibt sich der stellvertretende CDU-Fraktionschef siegesbewusst.Vergrößern des Bildes
Carsten Linnemann bei einer Rede: Im Interview gibt sich der stellvertretende CDU-Fraktionschef siegesbewusst. (Quelle: imago-images-bilder)
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Die Umfragen für die Union sind düster. Wie kann sie die Bundestagswahl noch gewinnen? Ein Gespräch mit dem einflussreichen CDU-Politiker Carsten Linnemann.

Carsten Linnemann muss das Telefonat etwas verschieben, als er am Donnerstagnachmittag mit t-online sprechen will. Kurzfristige, namentliche Abstimmung im Bundestag, da muss er vorher noch hin.

Der 43-Jährige ist Vorsitzender der "Mittelstandsvereinigung" (MIT) in der Union, einem der mächtigsten Zirkel der CDU/CSU, in dem sich vor allem wirtschaftsnahe Parteifreunde zusammenschließen. Viele von ihnen blicken kritisch auf den noch immer andauernden Lockdown. Linnemann prüft jedes Gesetz im Bundestag genau.

Ein Interview über dümpelnde Umfragewerte, einen polternden CSU-Chef und die Frage, welche Fehler sich die CDU eingestehen muss.

t-online: Herr Linnemann, wie sind Sie im Moment gelaunt?

Carsten Linnemann: Gut!

Warum?

Mein Heimatverein, der SC Paderborn, hat nach dem Bundesligaabstieg eine ordentliche Saison gespielt, da freue ich mich natürlich. Politisch ist das weniger der Fall. Statt dringende Reformen auf den Weg zu bringen, sind viele im Parlament schon im Wahlkampfmodus.

Sie haben Armin Laschet im Kampf gegen Markus Söder unterstützt und könnten deshalb nächster Wirtschaftsminister werden. Sind Sie auch deshalb ein wenig fröhlich?

Nein, überhaupt nicht. Ich halte es mit Roman Herzog, dass das Amt zur Person kommen muss, nicht die Person zum Amt. Außerdem: Bevor wir irgendwelche Personaldebatten führen können, müssen wir erst mal die Bundestagswahl gewinnen.

Da haben Sie einiges zu tun. Die CDU/CSU dümpelt aktuell in den Umfragen bei 25 Prozent.

Das ist bedauerlicherweise so, ja.

Halten Sie die 35 Prozent bei der Bundestagswahl, die Markus Söder gefordert hat, überhaupt für realistisch?

Ich bin Markus Söder dankbar, dass er für uns als Volkspartei diesen Anspruch formuliert. Wenn ich bei manchen Kollegen höre, dass wir nur die stärkste Kraft bei der Bundestagswahl werden müssen, ist mir das zu wenig. "35 Prozent plus x" sollte unsere Marschroute sein. Da unterstütze ich Markus Söder voll und ganz.

Wenn Armin Laschet in einer Woche eine Pressekonferenz gibt, hält Söder in der gleichen Zeit oft vier bis fünf ab. Wie sehr stört dieses Spektakel in München den Wahlkampf?

Überhaupt nicht. Wir brauchen eine starke CSU und Markus Söder. Was jetzt noch folgen muss, ist ein gemeinsames Wahlprogramm.

Bei vergangenen Bundestagswahlen wurde dieses Programm oft flankiert von der CSU mit einem sogenannten "Bayernplan". Den soll es künftig nicht mehr geben?

Nein. Ein gemeinsamer Entwurf für Deutschland ist überzeugender.

Die schlechten Umfragewerte speisen sich wohl auch aus dem Machtkampf um die Kanzlerkandidatur zwischen Söder und Laschet. Wie ist der dabei entstandene Imageschaden wieder zu kitten?

Durch Geschlossenheit in den eigenen Reihen. Querschläge nutzen im Moment überhaupt nichts, sondern ein gemeinsames Auftreten. Und vor allem: Wir brauchen eine klare Erkennungsmelodie der Union.

Wie soll die klingen?

Dass wir beispielsweise den Mut haben, verkrustete Strukturen aufzubrechen. Und dabei selbst den Takt vorgeben und anderen nicht hinterherlaufen. Beispielsweise halte ich eine Amtszeitbegrenzung für Bundeskanzler für absolut richtig.

Das forderte die Grünen-Spitzenkandidatin Annalena Baerbock aber vor wenigen Tagen. Klingt schon nach hinterherlaufen.

Fragt sich nur, wer hinter wem. Wenn Sie genauer recherchieren, werden Sie sehen, dass ich das schon seit Jahren fordere. Es freut mich aber, dass Frau Baerbock es genauso sieht. Die großen Unterschiede zu den Grünen finden sich aber im Programm. Das Programm der Grünen ist wie ein Fliegenpilz: Hübsch anzusehen, aber in Wahrheit ungenießbar.

Diese Formulierung vom Fliegenpilz im Bezug auf die Grünen steht in einem Dokument, das in Ihrer Fraktion verschickt wird. Es ist eine Art gemeinsame Sprachregelung. Wie gut steht es um Ihre Partei, wenn Sie selbst die politischen Attacken sogar in einzelnen Formulierungen vorschreiben müssen?

Fakt ist, dass die Formulierung exakt das beschreibt, was das Wahlprogramm der Grünen ausmacht. Warum sollte ich sie also nicht nutzen? Die Grünen planen riesige Ausgaben, ohne auch nur mit einer Silbe zu erwähnen, wie das langfristig finanziert werden soll.

Die Wähler scheint das nicht zu stören, in etlichen Umfragen liegen die Grünen vor der CDU. Was kann die Union davon lernen?

Einigkeit.

Inwiefern?

Die Grünen strahlen neuerdings eine große Geschlossenheit aus. Doch das kann auch in der Union funktionieren. Das sieht man beispielsweise in Nordrhein-Westfalen, wo wir mit der FDP koalieren. Dort wird oft hinter verschlossenen Türen gerungen, auch innerhalb der CDU. Doch gleichzeitig ist immer klar, dass man keinen Streit in der Öffentlichkeit austrägt. Nun ist es an Armin Laschet, diese integrierende Kraft auf die Bundesebene zu übertragen. Daneben müssen wir bei den großen Themen in die Offensive kommen, so wie es die Grünen beim Thema Klima machen.

Ja, seit einer Woche reden auch Armin Laschet und Markus Söder auffällig häufig davon. Vor allem, nachdem das Bundesverfassungsgericht das Klimaschutzgesetz Ihrer großen Koalition für nicht rechtmäßig erklärte.

Das stimmt, dadurch hat das Thema noch mal mehr Aufmerksamkeit bekommen. Doch gehandelt wird schon viel länger! Denken Sie an das Jahr 2005, an die Einführung des Europäischen Emissionshandels. Seitdem sparen wir in den Bereichen, in denen er gilt, doppelt so viel CO2 ein wie in den anderen Bereichen. Es gibt einen fundamentalen Unterschied bei der Klimapolitik zwischen den Grünen und der Union.

Der wäre?
Die Grünen wollen Lösungen im Kleinen, wollen mehr regulieren, den Menschen Vorschriften machen: Hauptsache, es werden keine Grillwürste mehr verspeist und jeder Deutsche fährt Elektroauto. Die Union dagegen denkt seit Jahrzehnten stärker europäisch, denn nur so haben wir überhaupt eine Chance, etwas zu erreichen. Noch sinken die weltweiten Emissionen nicht, sondern steigen an. In diesem Jahr ist allein die Menge an CO2, die weltweit im Vergleich zum letzten Jahr zusätzlich emittiert wird, mehr als doppelt so groß wie die gesamten jährlichen Emissionen in Deutschland. Es liegt auf der Hand, dass deutsche Miniaturlösungen nicht weiterhelfen, sondern nur internationale Kooperation. Wir müssen zunächst den europäischen Emissionshandel ausweiten. Voraussichtlich wird die Europäische Kommission in wenigen Wochen einen neuen Emissionshandel für die Bereiche Wärme und Verkehr vorschlagen. Das sollten wir schnell umsetzen. Zudem müssen wir uns weltweit mit den großen Ländern wie USA oder China und deren Emissionshandelssystemen abstimmen. Erst dann geht es mit dem Klimaschutz voran.

Was muss Armin Laschet jetzt tun, damit die Union auch thematisch breiter wahrgenommen wird?

Neben dem inhaltlichen Profil brauchen wir ein Team mit neuen, frischen Köpfen. Die für ihre Themen brennen und diese glaubhaft transportieren können.

Was sollen denn die neuen Themen der Union sein?

Unter anderem ein verpflichtendes Gesellschaftsjahr. Das tut nicht nur jungen Menschen gut, sondern dient auch dem Zusammenhalt unserer Gesellschaft. Auch wäre ich für eine Vorschulpflicht für Kinder, die zu wenig Deutsch sprechen, um in der Schule dem Unterricht folgen zu können. Ganz dringend braucht es eine Staatsreform, bei der die Zuständigkeiten neu und vor allem auch klar aufgeteilt werden. Es kann nicht sein, dass der Bund den Ländern finanzielle Mittel zur Digitalisierung der Schulen bereitstellt, unter anderem auch zum Kauf von für iPads, aber diese Mittel kaum abgerufen werden.

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Und eine klarere Finanzierung von iPads wird dann die Bürger überzeugen?

Darum geht es nicht. Es geht darum, dass die Mittel auch wirklich ankommen. Richtig ist aber auch, dass wir uns thematisch breit aufstellen müssen. Außerdem sollten wir am Ende dieser Pandemie nicht scheuen, auch einmal klarzustellen, was nicht so gut gelaufen ist.

Und?

Natürlich wurden Fehler gemacht bei der Bestellung der Masken. Natürlich war die Runde der Ministerpräsidentenkonferenz eigentlich seit dem vergangenen Sommer schon nicht mehr die angemessene Form der Entscheidungsfindung. Und natürlich hat die Impfstoffbeschaffung viel zu lange gedauert. Erst, wenn wir zu unseren Fehlern wirklich stehen, können wir daraus für die Zukunft lernen und bei den Bürgern wieder neues Vertrauen gewinnen.

Welche Rolle spielen die möglichen Öffnungen für das Ansehen der Union?

Eine zentrale. Denn in den nächsten Wochen können wir ein Stück weit etwas gutmachen. Um es mal mit einer Fußballmetapher zu sagen: Die erste Halbzeit, der vergangene Frühling und Frühsommer, ist gut für uns gelaufen. Die zweite Halbzeit, der Herbst und Winter, eher schlecht. Jetzt sind wir in der Schlussphase des Spiels. Und ich wünsche mir, dass wir nun pragmatischer in dieser Krise agieren.

Also als Vorbild die Öffnungen in Rostock und Tübingen zu nehmen?

Genau. Nur Risikovermeidung zu betreiben, ist der falsche Weg. Wir brauchen stattdessen Risikomanagement. Sprich: Es lohnt sich, mit Augenmaß mehr auszuprobieren, wie es in Rostock und Tübingen funktioniert hat. Dann wird auch die Union wahrgenommen als die Partei, die endlich wieder mehr Freiheiten ermöglicht.

Auch Restaurantbesuche?

Ja, sofern das Infektionsgeschehen vor Ort unter Kontrolle ist, spricht aus meiner Sicht nichts dagegen, die Restaurants, außen wie innen, wieder zu öffnen – für Geimpfte, Genesene und negativ Getestete.

Wann glauben Sie, werden die Einschränkungen der Pandemie vorüber sein?

Sofern es keine weitere, gefährliche Mutation gibt, sind wir im dritten Quartal aus dem Gröbsten raus.

Pünktlich zur Bundestagswahl.

Ja, ich denke sogar früher. Und ich vermute, wir werden dann einen Boom im Konsum erleben. Das hilft dem Mittelstand, wieder auf die Beine zu kommen.

Herr Linnemann, vielen Dank für das Gespräch.

Verwendete Quellen
  • Telefonisches Interview mit Carsten Linnemann
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