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Pressefreiheit in Gefahr? Peter Altmaiers fragwürdiges 220-Millionen-Euro-Geschenk


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Presseförderung
Altmaiers fragwürdiges 220-Millionen-Euro-Geschenk

MeinungEin Gastbeitrag von Wolfgang Büchner

Aktualisiert am 05.03.2021Lesedauer: 4 Min.
Peter Altmaier: Seine geplante Presseförderung könnte für einige Teile der Medienlandschaft sogar schädlich sein.Vergrößern des Bildes
Peter Altmaier: Seine geplante Presseförderung könnte für einige Teile der Medienlandschaft sogar schädlich sein. (Quelle: Future Image/imago-images-bilder)
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Ab Mai will die Bundesregierung deutsche Medien mit 220 Millionen Euro fördern. Wird Wirtschaftsminister Peter Altmaier damit zum Totengräber der Pressefreiheit?

Mathias Döpfner, Vorstandsvorsitzender der Axel Springer SE, ist ein Mann klarer Worte: Würde der Staat Tageszeitungen direkt subventionieren, bedeute dies "das Ende von unabhängigem Journalismus und damit letztlich den Tod der Pressefreiheit", schrieb Döpfner, der zugleich Präsident des Bundesverbandes Deutscher Zeitungsverleger (BDZV) ist, Ende 2019 in einem Rundschreiben an seine Mitgliedsverlage.

So manchem Verlagsmanager, der seit Jahren auf staatliche Unterstützung für sein notleidendes Tageszeitungsgeschäft hofft, dürfte beim Lesen von Döpfners Brief die Kaffeetasse aus der Hand gefallen sein. Doch die Freunde staatlicher Hilfen können aufatmen: Ab Mai will die Bundesregierung nun 220 Millionen Euro für die Presseförderung zur Verfügung stellen. Wird Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU) damit zum Retter der Verlagsbranche? Oder zum Totengräber der Pressefreiheit?

Ganz so einfach ist es nicht. Aus ordnungspolitischer Sicht verfehlen Subventionen meist ihre Wirkung. Sie lähmen oft die Innovationsbereitschaft der Zahlungsempfänger. Im schlimmsten Fall schwächen sie nachhaltig die Konkurrenzfähigkeit der Unternehmen, die es sich auf dem Subventionskissen gemütlich machen. Sie können nicht verhindern, dass ein überkommenes Geschäftsmodell irgendwann nicht mehr funktioniert. Und sie behindern die Chancen neuer Marktteilnehmer, die sich im Wettbewerb mit subventionierten Traditionsunternehmen schwer tun.

Demokratie stirbt in der Dunkelheit

Nur in ganz wenigen Fällen sind Subventionen sinnvoll und gerechtfertigt.
Ist die Presseförderung ein solcher Ausnahmefall?

Kaum jemand wird bestreiten, dass unabhängige Medien für eine Demokratie systemrelevant sind. "Democracy dies in darkness" ("die Demokratie stirbt in der Dunkelheit") lautet der kraftvolle Claim der "Washington Post". Und tatsächlich zeigen Untersuchungen in den USA: Es gibt einen Zusammenhang zwischen dem Zeitungssterben im Land und der Zunahme von Korruption in Regionen, in denen keine regionalen Medien mehr vorhanden sind, die Politikern und Firmenchefs auf die Finger schauen.

Es besteht also durchaus ein gesamtgesellschaftliches Interesse, dass es weiterhin eine vielfältige Medienlandschaft gibt, dass auch weiterhin Journalisten recherchieren und Missstände aufdecken können, auch im Regionalen. Es wäre zu wünschen, dass möglichst vielen Verlagen die digitale Transformation ihres Geschäftsmodells gelingt. Nur: Was kann eine Regierung dazu beitragen?

Vor allem könnte sie alles unterlassen, was (digitalen) Medienhäusern das Geschäft unnötig erschwert. Sie könnte auch Neugründungen aktiver unterstützen. Doch die Bundesregierung plant etwas anderes: Nach einem Bericht des Branchenmagazins "Horizont", sollen Projekte zur "digitalen Markterschließung, Technologien zur Verbreitung der Inhalte sowie der Verkauf digitaler Anzeigen" gefördert werden. Bis zu 45 Prozent der Kosten für solche Projekte will der Staat den Medien erstatten. Allen Medien? Nein. Ausgerechnet rein digitale Medien, wie beispielsweise t-online, sind von der Förderung ausgeschlossen. Anzeigenblätter können indes mit einer Förderung von rund 57 Millionen Euro rechnen. Auf sie sollen nach dem Förderkonzept des Bundeswirtschaftsministeriums 30 Prozent der Gesamtfördersumme entfallen.

Geld für alle – außer für Online-Medien

Das führt ein ohnehin fragwürdiges Förderprogramm völlig ab absurdum. Denn die Regierung schließt innovative digitale Medien-Start-Ups nicht nur von ihrem Förderprogramm aus, sie stärkt auch die Konkurrenz der jungen Unternehmen: die Zeitungs- und Magazinverlage, von denen manche die Digitalisierung jahrelang verschlafen haben.

Statt Innovationen auf breiter Front zu erleichtern, etwa durch bessere Abschreibungsbedingungen für digitale Investitionen, behindert der Staat mit dieser Politik ausgerechnet die Entwicklungschancen aufstrebender junger digitaler Angebote wie die "Prenzlauer Berg Nachrichten", die sich mit viel Leidenschaft nach Jahren in den roten Zahlen inzwischen an die schwarze Null herangerobbt haben.

Womöglich sind Altmaiers Beamte zu wenig mit den neuen Medien vertraut, sonst wüssten sie, dass in den vergangenen Jahren im Netz spannende und anspruchsvolle Projekte entstanden sind: das ambitionierte leserfinanzierte Onlinemagazin "krautreporter.de" zum Beispiel, Gabor Steingarts "Pioneer Media", das Watchblog "Übermedien", die Wirtschafts-News-Website "Business Insider“, die Frauen-Plattform "Edition F", das mit dem Grimme Online Award ausgezeichnete Magazin "Riffreporter" und viele mehr.

Krautreporter-Gründer Sebastian Esser bringt es in einem zornigen Beitrag auf LinkedIn auf den Punkt: "Der Wirtschaftsminister gibt den Druckverlagen 220 Millionen Euro. Den digitalen Verlagen: nichts. Und so darf die Printindustrie das Geld unter anderem ausgeben: Facebook-Werbung schalten, Relaunch für ihre Zeitung, Kulturwandel-Seminare, Digital-Berater und mein Favorit: VR-Brillen kaufen."

Schweiz fördert Online-Medien mit 30 Millionen Franken

Esser selbst sagt, er wolle gar keine Subventionen. Wenn aber Millionen an Printverlage verteilt würden, dann müssten digitale Anbieter auch etwas bekommen, um für Chancengleichheit zu sorgen.

Dass Medienförderung auch anders geht, zeigt die Schweiz. Dort sollen Online-Medien jährlich mit 30 Millionen Franken gefördert werden. Immer mehr Menschen würden sich online informieren, sagte Bundesrätin Simonetta Sommaruga am Dienstag in einer Debatte im Nationalrat. Deshalb sei es für die Medienkonsumentinnen und Medienkonsumenten schwer nachvollziehbar, warum der Staat gedruckte Zeitungen fördere, Online-Medien aber nicht.

Doch auch in der Schweiz ist die Medienförderung umstritten. So monierte SVP-Nationalrat Gregor Rutz: "Wir wollen einen Wettbewerb, in dem sich Angebote durchsetzen, welche die Kundschaft wünscht – nicht die Bundesverwaltung."

Und genau hier befindet sich Altmaiers Plan auf besonders problematischem Terrain. Denn die Förderung soll laut "Horizont" an Kriterien wie die "Einhaltung des Pressekodex", den "redaktionellen Anteil eines Titels" und an "gute Arbeitsbedingungen in Redaktionen" gekoppelt werden. Was soll das heißen? Dass Medien, die eine Rüge des Presserats erhalten, von der Förderung ausgeschlossen werden? Der Deutsche Presserat ist zweifellos eine wertvolle Einrichtung zur Freiwilligen Selbstkontrolle der Print- und Onlinemedien. Doch er hat auch immer wieder umstrittene Entscheidungen getroffen. Und wie soll der Anteil redaktioneller Inhalte überprüft werden? Von Bundesbeamten mit einem Lineal?

Ganz zu schweigen von "guten Arbeitsbedingungen in Redaktionen". Solche weichen Kriterien machen willkürlichen Entscheidungen möglich – auch zu Ungunsten von Angeboten, die der Regierung nicht gefallen.

Kurzum: Subventionen sind immer problematisch. Die von Altmaier geplante Presseförderung ist nicht nur fragwürdig, sondern könnte für die Entwicklung einer unabhängigen, vielfältigen, innovativen Medienlandschaft sogar schädlich sein.

Der BDZV-Präsident hat sich öffentlich zu den Plänen der Bundesregierung noch nicht geäußert. Dem Mann mit der klaren Haltung in der Chefetage des Axel Springer Verlags dürfte dieses Subventionsmodell nicht gefallen.

Der Autor ist ehemaliger Chefredakteur des Nachrichtenmagazins der SPIEGEL und der Deutschen Presse-Agentur dpa. Er ist heute Freier Journalist und Kommunikationsberater.

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