Mehrwertsteuer und Kinderbonus Große Koalition einigt sich auf Milliarden-Konjunkturpaket
Nach langen Verhandlungen haben sich die Spitzen von Union und SPD auf ein milliardenschweres Konjunkturpaket geeinigt. Es enthält eine Senkung der Mehrwertsteuer und einen Kinderbonus. Ein Überblick.
Mehr Geld für Familien und Kommunen, Entlastungen beim Strompreis und eine Senkung der Mehrwertsteuer: Mit einem riesigen Konjunkturpaket will die schwarz-rote Koalition die Wirtschaft in der Corona-Krise ankurbeln. Union und SPD streben außerdem einen "Modernisierungsschub" an und wollen Zukunftstechnologien für mehr Klimaschutz fördern. Die Spitzen der Koalition hatten lange um das Programm gerungen.
Das Konjunkturpaket soll für 2020 und 2021 einen Umfang von 130 Milliarden Euro haben. 120 Milliarden davon muss der Bund übernehmen, wie Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) am Mittwochabend in Berlin sagte. Damit sollen die Wirtschaft und der Konsum der Bürger angekurbelt werden. Infolge der Corona-Krise wird die bisher schwerste Rezession der deutschen Nachkriegsgeschichte erwartet.
Merkel sprach von einem guten Ergebnis. Es gehe darum, die schwerste wirtschaftliche Krise in den Griff zu bekommen. Diese zeige sich an den mehr als sieben Millionen Kurzarbeitern. Das alles brauche eine mutige Antwort. Vizekanzler Olaf Scholz (SPD) fasste es mit den Worten zusammen: "Wir wollen mit Wumms aus der Krise kommen."
Die Kernpunkte der Einigung:
- Das "Herzstück" des Paketes ist nach den Worten des CSU-Vorsitzenden Markus Söder eine Senkung der Mehrwertsteuer. Vom 1. Juli an bis zum 31. Dezember 2020 soll der Mehrwertsteuersatz von 19 Prozent auf 16 Prozent und für den ermäßigten Satz von 7 Prozent auf 5 Prozent gesenkt werden.
- Dagegen entschieden sich die Spitzen der großen Koalition gegen eine Kaufprämie für abgasarme Benziner und Dieselautos. Sie beschlossen allerdings deutlich höhere Prämien für Elektroautos. Vor allem die SPD hatte sich vehement gegen Prämien für Benziner und Diesel gestemmt. Söder aus dem Autobauerland Bayern sagte nun, mit der Senkung der Mehrwertsteuer für alle Motoren und Klassen und Preiskategorien könnten nicht nur die Hersteller, sondern auch die Gewerkschaften gut leben.
- Bei den Stromkosten sollen die Bürger entlastet werden. Dafür soll die EEG-Umlage zur Förderung von Ökostrom-Anlagen ab 2021 über Zuschüsse aus dem Bundeshaushalt zunächst um 6 Prozent und im Jahr darauf um 6,5 Prozent gesenkt werden.
- Die Spitzen von Union und SPD einigten sich auch auf einen Kinderbonus von einmalig 300 Euro pro Kind, der mit dem Kindergeld ausgezahlt werden soll. Er wird aber bei der Steuererklärung mit dem Kinderfreibetrag verrechnet. Zudem sollen die Kitas weiter ausgebaut werden.
- Die finanziell schwer getroffenen Kommunen bekommen ebenfalls Milliardenhilfen vom Bund. Damit sollen Ausfälle bei den Gewerbesteuereinnahmen für 2020 und 2021 von Bund und Ländern zusammen ausgeglichen werden. SPD-Chef Norbert Walter-Borjans sagte, die enorme Entlastung werde die Kommunen investitionsfähig machen. Zudem will der Bund anteilig mehr an den Hilfen für Hartz-IV-Empfänger übernehmen.
- Die Bahn soll wegen Einnahmeausfällen in der Corona-Krise Unterstützung bekommen: Zur Aufstockung des Eigenkapitals ist ein Zuschuss von fünf Milliarden Euro geplant. Geplant sind außerdem 2,5 Milliarden Euro für den Öffentlichen Personennahverkehr.
- Die Koalitionsspitzen einigten sich auch auf eine zusätzliche Unterstützung in Milliardenhöhe für Branchen, die von der Corona-Krise besonders belastet sind. Geplant sind "Überbrückungshilfen" im Umfang von maximal 25 Milliarden Euro, wie aus einem Beschlusspapier hervorgeht. Damit soll eine Pleitewelle bei kleinen und mittleren Firmen verhindert werden, beispielsweise Hotels, Gaststätten und Reisebüros.
- Außerdem soll es steuerliche Entlastungen geben, damit die Liquidität von Firmen gesichert wird und diese Spielräume für Investitionen haben.
- Die Koalition will außerdem mehr Geld für die Erforschung der künstlichen Intelligenz und den Ausbau des neuen, schnellen Mobilfunkstandards 5G ausgeben. Der digitale Wandel soll auch in der öffentlichen Verwaltung vorangebracht werden. Ziel der Koalitionspartner sei es, Deutschland schnell wieder auf einen nachhaltigen Wachstumspfad zu führen, der Arbeitsplätze und Wohlstand sichere, heißt es in dem Beschlusspapier.
- Die schwarz-rote Koalition will auch Deutschlands Wäldern und der Holzwirtschaft helfen, mit 700 Millionen Euro zusätzlich. Das Geld solle für die Aufforstung, den Erhalt und die nachhaltige Bewirtschaftung von Wäldern bereitgestellt werden. Nach zwei Dürrejahren habe auch 2020 trocken begonnen, die Holzpreise seien – auch wegen der Corona-Pandemie – stark gesunken. Vergangenen Herbst hatten Bundesregierung und Länder bereits 800 Millionen Euro Nothilfen für Wälder angekündigt.
Bund muss neue Schulden machen
Nach den kurzfristigen Hilfen in der Corona-Krise - etwa durch Sonderkredit-Programme über die Staatsbank KfW - reichen die geplanten Konjunkturhilfen zum Teil weit über die derzeitige Legislaturperiode hinaus. 80 Vorschläge lagen zu Beginn auf dem Tisch, 57 sind übrig geblieben. Klar war, dass nicht alle Wünsche finanzierbar sein würden, zumal die Steuereinnahmen wegen der Corona-Krise sinken und die Arbeitslosigkeit wieder zunimmt.
Zur Deckung der Ausgaben muss der Bund neue Schulden aufnehmen. Finanzminister Scholz (SPD) sprach von einem Nachtragshaushalt, ohne den Umfang zu nennen. Dies führt nach den Worten von CSU-Chef Markus Söder keineswegs zu einer Überschuldung des Landes und auch nicht dazu, dass der Staat handlungsunfähig oder die nächste Generation überlastet werde. Das Paket habe auch etwas mit Psychologie zu tun, es gehe darum Optimismus zu verbreiten.
Nachdem sie bereits am Dienstag neun Stunden verhandelt hatten, saßen die Spitzen von CDU, CSU und SPD am Mittwoch erneut rund zwölf Stunden zusammen. Die Koalitionäre zogen sich mehrmals zu separaten Beratungen zurück. Nach den Worten von SPD-Chef Walter-Borjans gab es eine große inhaltliche Übereinstimmung in den großen Linien, aber viel Bedarf, in Details miteinander zu ringen.
- Nachrichtenagentur dpa