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Fastenmonat: Keine Sorge, Ramadan an Schulen ist kein Problem


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Fastenmonat der Muslime
Keine Sorge, Ramadan an Schulen ist kein Problem


Aktualisiert am 09.06.2018Lesedauer: 4 Min.
Islam-Unterricht an einer Schule in Mainz: Lehrerverbände beklagen, dass mit dem Fastenmonat Ramadan viele Probleme in den Schulen aufkommen.Vergrößern des Bildes
Islam-Unterricht an einer Schule in Mainz: Lehrerverbände beklagen, dass mit dem Fastenmonat Ramadan viele Probleme in den Schulen aufkommen. (Quelle: imago-images-bilder)

Ramadan soll an deutschen Schulen für Probleme sorgen. Angeblich setzen Eltern Lehrer unter Druck, wegen des Fastenmonats wichtige Prüfungen zu verschieben. Doch keine Sorge: Der Schaden hält sich in Grenzen.

Fasten gehört zu einem der fünf Säulen des Islam. Fasten ist also etwas, was alle Muslime machen müssen. Die Betonung liegt dabei auf: Muslime. Auswirkungen auf den Schulbetrieb in Deutschland darf der Fastenmonat nicht haben.

Laut Heinz-Peter Meidinger haben manche Schulen trotzdem Probleme damit. Meidinger ist Präsident des Deutschen Lehrerverbandes (DL). Er sagt: "Seit ein paar Jahren kommt es deutlich häufiger zu Vorfällen, in denen muslimische Eltern Lehrer wegen des Ramadan unter Druck setzen: Sie sollen Prüfungen und Exkursionen während der Fastenzeit verschieben."

Durch die Nachrichtenagentur "dpa" verbreitete sich Meidingers Aussage in deutsche Medien, auch wir auch wir berichteten darüber. Vielen Nutzern im Kommentarbereich bereitete diese Meldung Sorge. Sie fühlten sich in ihrer Meinung bestätigt, dass es zu einer "Islamisierung des Abendlandes" kommt.

Nur die Ruhe: Das Abendland ist nicht in Gefahr

Wie kommt Meidinger zu seiner Aussage? Eine Erhebung dafür gibt es nicht. Eine kurze Recherche ergibt: Auch Bildungsministerien von Bundesländern mit einem hohen Anteil von Muslimen in der Bevölkerung – wie Berlin, Hamburg, Bremen oder Nordrhein-Westfalen – war kein Fall bekannt. Ebenso verhält es sich mit den Landesverbänden der Gewerkschaft für Erziehung und Wissenschaft (GEW). Die GEW ist die größte Bildungsgewerkschaft in Deutschland.

Dorothea Schäfer, Landesvorsitzende der GEW Nordrhein-Westfalen, bezeichnete das Ganze sogar als "Überdramatisierung". Sie vergleicht die Geschichte mit der von kopftuchtragen Mädchen im Grundschulalter: Sie existieren, aber in den Schulen gibt es deswegen keine Probleme. Und eine Statistik dazu findet sich auch nicht.

Udo Beckmann, Bundesvorsitzender des Verbands Bildung und Erziehung (VBE) bestätigt zwar Meidingers Aussage. Aber er fügt hinzu: "Es ist kein flächendeckendes Phänomen. Aber es ist in den letzten Jahren vermehrt aufgetreten." Wir rufen Meidinger an. Er relativiert seine Aussage: "Eine übergroße Mehrheit der muslimischen Schüler ist davon nicht betroffen."

Schwarze Schafe gibt es immer

Alles also nur übertrieben? Ein großer Medienhype? Vielleicht. Dennoch erscheinen in den Medien immer wieder Meldungen, in denen muslimische Schüler negativ auffallen. So berichtet Hildegard Greif-Groß in der "Berliner Zeitung" über einen Fall: Strengmuslimische Kinder sollen türkische Mitschüler wegen Schweinefleisch auf dem Brot kritisiert haben. Greif-Groß ist Schulleiterin der Peter-Petersen-Grundschule in Neukölln. Auf Anfrage sagte Greif-Groß, dass zum "diesjährigen Ramadan noch nichts Schlimmes vorgefallen sei". Ein anderes Beispiel: In einem Artikel des "Tagesspiegel" beklagt sich ein Mädchen mit türkischen Wurzeln, dass sie von muslimischen Mitschülern bedrängt wurde, weil sie nicht faste.

Diese Einzelfälle sind eben genau das: Einzelfälle. Schwarze Schafe gibt es leider immer. Beispiel: Die deutsche Familie Romeike floh 2008 in die USA und beantragte da Asyl. Der Grund: Sie wollten ihre Kinder aus religiösen Gründen nicht an eine deutsche Schule schicken. Die Romeikes sind evangelikale Christen. Sie waren der Meinung, dass das deutsche Bildungssystem nicht mit der Bibel vereinbar ist.

Über die Romeikes wurde damals in den Medien groß berichtet. Dennoch käme niemand auf die Idee, alle Christen als bibeltreue Antibildungs-Fanatiker gleichzusetzen. Denn ein Großteil der Gläubigen teilt die Meinung der Romeikes natürlich nicht.

Fasten ist Privatsache

Selbst wenn tatsächlich einzelne Eltern auf Lehrer Druck ausüben sollten, Prüfungen und Exkursionen während des Ramadan zu verschieben, ist die Sorge von einer Islamaisierung übertrieben. Denn Lehrer zu bedrängen, ist sicher nicht das, was der Islam will. So sagt der Zentralrat der Muslime: "Ramadan ist nicht als Monat des Stillstandes zu verstehen und wird auch so nicht ausgelebt. Das tägliche Geschäft läuft weiter."

Beate Stoffers, Pressesprecherin der Senatorin für Bildung in Berlin verweist auf eine Handreichung des Stadtbezirks Neukölln, nach der viele Schulen arbeiten. Dort steht zusammengefasst unter anderem: Fasten ist Privatsache. Und: Lernen gilt als schwere Arbeit, Schüler müssen darum während der Prüfungen nicht fasten. Sie können das Ganze auch später nachholen.

Woher kommen die schwarzen Schafe?

Meine ehemalige Schule besuchten einige muslimische Kinder, die fasteten. Im Alltag machte sich das aber weder bemerkbar und war auch kein Thema. Woher kommen also diese Einzelfälle, die weit über das hinausgehen, was selbst islamische Vereine in Deutschland verlangen? VBE-Vorsitzender Udo Beckmann, ehemaliger Leiter einer Schule in der Dortmunder Nordstadt, hat da eine Vermutung: "In solchen Einzelfällen war es meist vom Imam abhängig. War er sehr konservativ, dann wirkte sich das auf Eltern und Schüler aus."

Das erinnert sehr an den Fall der Romeikes: Die überstrenge Auslegung des Glaubens ist schuld. Eine Statistik der Forschungsgruppe Weltanschauungen Deutschland von 2016 zeigt, dass knapp vier Millionen konfessionsgebundene Muslime in Deutschland leben. Ein paar schwarze Schafe stehen nicht repräsentativ für die vielen Menschen, die einfach nur ihr Leben leben wollen und niemanden belästigen.

Es ist richtig, Störenfrieden entgegenzuwirken und auch hart gegen sie vorzugehen – wie beispielsweise gegen Eltern, die Lehrer unter Druck setzen. Aber alle Muslime dafür verantwortlich zu machen oder ständig eine drohende Islamisierung des Abendlandes zu predigen, ist übertrieben und falsch.

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