Generaldebatte im Bundestag Entsetzen nach Weidel-Rede über "Kopftuch-Mädchen"
In der Debatte um den Bundeshaushalt hat AfD-Politikerin Alice Weidel einen Eklat ausgelöst. Teile ihrer Rede waren fremdenfeindlich. Auf Twitter reagieren viele Politiker mit Empörung.
Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) hat bei der Generaldebatte zum Bundeshaushalt nicht nur den Finanzetat der Regierung verteidigt. Sie ging in ihrer Rede auch auf ihre und die Arbeit ihrer Minister ein. Die Opposition nutzte die Generalaussprache für heftige Kritik an der Kanzlerin. AfD-Politikerin Alice Weidel eröffnete die Debatte, vergriff sich dabei aber im Ton. Sie sprach bei ihrer Kritik an der Asylpolitik von "Kopftuchmädchen" und "Messermännern". Dafür wurde sie von Bundestagspräsident Wolfgang Schäuble gerügt. Im Plenarsaal machte sich Empörung über die Aussagen breit. Auch auf Twitter zeigten sich viele Politiker fassungslos.
Regierung und Opposition nutzen die Generalaussprache über den Kanzleretat meist für einen heftigen Schlagabtausch. Dabei geht es nicht nur um Finanzthemen, sondern auch um die grundsätzliche Arbeit der Regierung.
AfD-Fraktionsvorsitzende Alice Weidel begann die Sitzung als Oppositionsführerin mit harscher Kritik an der Arbeit der großen Koalition. Sie warf der Regierung "tarnen und täuschen" im Bundeshaushalt vor. Die Regierung würde "den Steuerzahler nach Gutsherrenart ausbeuten", so die AfD-Politikerin. Auch in der Asylpolitik warf Weidel der Regierung erneut Versagen vor. Die 39-Jährige löste Tumulte im Plenum aus, als sie sagte: "Burkas, Kopftuchmädchen und alimentierte Messermänner und sonstige Taugenichtse werden unseren Wohlstand, das Wirtschaftswachstum und vor allem den Sozialstaat nicht sichern."
Bundestagspräsident Wolfgang Schäuble rügte, damit diskriminiere Weidel alle Frauen, die ein Kopftuch trügen. "Dafür rufe ich Sie zur Ordnung." Aus dem Plenum waren Buh- und Pfui-Rufe zu hören. Mit heftiger Kritik antwortete auch Unionsfraktionschef Volker Kauder: Wie Weidel über andere Menschen gesprochen habe, habe "null" mit einem christlichen Menschenbild zu tun. "Was Sie heute gemacht haben, ist das glatte Gegenteil davon, und dafür sollen Sie sich schämen." Er warf der AfD insgesamt vor, sie sei "großmaulig im Austeilen und schwach im Einstecken".
Weidel-Rede sorgt bei Twitter für Entsetzen
Auch Grünen-Politiker Cem Özdemir meldete sich bei Twitter zu Wort: Er sprach von Rassisten, die im Bundestag sitzen würden.
Wir benötigen Ihre Einwilligung, um den von unserer Redaktion eingebundenen X-Inhalt anzuzeigen. Sie können diesen (und damit auch alle weiteren X-Inhalte auf t-online.de) mit einem Klick anzeigen lassen und auch wieder deaktivieren.
SPD-Politiker Karl Lauterbach zeigte sich fassungslos angesichts der Worte von Weidel. Auf Twitter schrieb er von einem Tiefpunkt, an dem das Parlament angekommen sei.
Wir benötigen Ihre Einwilligung, um den von unserer Redaktion eingebundenen X-Inhalt anzuzeigen. Sie können diesen (und damit auch alle weiteren X-Inhalte auf t-online.de) mit einem Klick anzeigen lassen und auch wieder deaktivieren.
Auch SPD-Vorstand Michaela Engelmeier kommentierte im Netz die Weidel-Rede. In ihrem Tweet richtete sie ihre Worte direkt an die AfD-Frau: "Schämen Sie sich, Frau Weidel, für diese unfassbar ekelhafte Rede!"
Wir benötigen Ihre Einwilligung, um den von unserer Redaktion eingebundenen X-Inhalt anzuzeigen. Sie können diesen (und damit auch alle weiteren X-Inhalte auf t-online.de) mit einem Klick anzeigen lassen und auch wieder deaktivieren.
Die Grünen-Abgeordnete Kordula Schulz-Asche reagierte mit harten Worten auf die Aussagen der AfD-Fraktionschefin:
Wir benötigen Ihre Einwilligung, um den von unserer Redaktion eingebundenen X-Inhalt anzuzeigen. Sie können diesen (und damit auch alle weiteren X-Inhalte auf t-online.de) mit einem Klick anzeigen lassen und auch wieder deaktivieren.
Merkel rechtfertigt Politik der Regierung
Nachdem sich die Aufregung im Plenarsaal wieder beruhigt hatte, hielt Kanzlerin Merkel ihre Rede zum aktuellen Bundeshaushalt – dem eigentlichen Thema der Sitzung. Sie betonte auch weiter auf neue Schulden im Bundeshaushalt zu verzichten. "Das ist alles andere als selbstverständlich." Deutschland werde außerdem im nächsten Jahr erstmals seit 2002 wieder die Euro-Schuldenobergrenze von 60 Prozent des Bruttoinlandsprodukts einhalten. Dies stehe für einen Kurs der Gerechtigkeit für kommende Generationen.
Ihre Rede nutzte Merkel auch dafür, die Politik der großen Koalition zu rechtfertigen: Dabei stellte sie sich entschieden hinter das Atomabkommen mit dem Iran und kritisierte den Ausstieg der USA als falsch. Der Iran erfülle seine Verpflichtungen aus der Vereinbarung nach den Erkenntnissen der Internationalen Atomenergiebehörde IAEA. Es sei nicht richtig, das Abkommen in dieser Situation zu kündigen. Dies gelte, obwohl die Vereinbarung nicht ideal sei und das iranische Raketenprogramm eine Bedrohung Israels darstelle. Die Bundesregierung glaube aber, dass man besser mit dem Iran über diese Themen sprechen könne, wenn man im Abkommen bleibe.
Merkel: Ein Land alleine kann keine Sicherheit garantieren
"Trotz aller Schwierigkeiten, die wir in diesen Tagen haben, sind und bleiben die transatlantischen Beziehungen von herausragender Bedeutung", betonte Merkel. Das bilaterale Verhältnis müsse derartige Differenzen aushalten können. Europa müsse sein Schicksal künftig aber mehr als bisher in die eigene Hand nehmen. Deshalb sei die engere militärische Zusammenarbeit in der EU richtig. "Ein Land alleine kann mit Sicherheit Sicherheit nicht garantieren", sagte sie. Wenn die Kanzlerin im Bundestag über den Haushalt des Kanzleramts spricht, beginnt traditionell der Höhepunkt der Haushaltsberatungen.
Auch auf den Wehretat ging Merkel ein. Über diesen Posten im Bundeshaushalt gab es in den vergangenen Wochen viel Streit – auch innerhalb der Koalition. Merkel verteidigte nun die deutliche Aufstockung des Wehretats in den kommenden Jahren. "Es geht nicht um Aufrüstung, sondern ganz einfach um Ausrüstung."
Die Bundeswehr müsse den heutigen Anforderungen Rechnung tragen. Die Soldaten müssten so ausgestattet werden, dass sie Auslandseinsätze gut absolvieren, aber gleichzeitig die wachsenden Aufgaben rund um die Landes- und Bündnisverteidigung bewerkstelligen könnten.
Lindner: Merkel kauft sich Wähler-Zustimmung
Auch vom FDP-Chef Christian Lindner musste sich Merkel Kritik anhören: Er warf der Kanzlerin "Führungsschwäche" vor. Angesichts von Koalitionsstreitigkeiten über Brückenteilzeit, Hartz IV und den Wehretat müsse die Regierungschefin von ihrer Richtlinienkompetenz Gebrauch machen. "Führen Sie dieses Land", appellierte der FDP-Chef an die Kanzlerin. Defizite beklagte er auch bei Merkels Europapolitik und forderte einen EU-Sondergipfel zu den transatlantischen Beziehungen.
An der Finanzplanung der Bundesregierung ließ Lindner ebenfalls kein gutes Haar. Bei einer disziplinierten Haushaltspolitik wären nach seinen Worten statt der schwarzen Null sogar Überschüsse möglich. Stattdessen seien im Koalitionsvertrag Mehrausgaben von 100 Milliarden Euro vereinbart worden, um die Zustimmung der Wähler zu kaufen. Mit einer solchen "Kamelle-Politik" könne man zwar im rheinischen Karneval beliebt werden, aber nicht die größte Volkswirtschaft Europas führen, klagte der FDP-Chef. Notwendig seien stattdessen Steuerentlastungen und die Senkung der Sozialabgaben.
Lob gibt es von der Linkspartei
Lob bekam Merkel hingegen aus der Linkspartei. Die Kritik an an der Iran-Politik von US-Präsident Trump begrüßte Fraktionschefin Sahra Wagenknecht. "Wir haben schon lange eine eigenständige und selbstbewusste europäische Außenpolitik gefordert. Und wir sind froh, dass wir mit dieser Politik heute nicht mehr alleine stehen." Nun müsse die Bundesregierung auch die notwendigen Schritte gehen und die US-Politik des "Regime Changes", darunter auch die Militärschläge in Syrien, "unmissverständlich verurteilen" und "klarstellen, dass Deutschland gegen den Iran weder direkt noch indirekt unterstützen würde". Wagenknecht forderte, Waffenexporte in den Nahen Osten komplett einzustellen und aus dem "von Trump vorangetriebenen Wettrüsten" auszusteigen.
Auch Scholz muss heftige Kritik einstecken
Schon am Dienstag hatte Finanzminister Olaf Scholz (SPD) den Bundeshaushalt gegen massive Kritik von AfD, FDP, Grünen und Linken verteidigt. Diese reichte von zu hohen Ausgaben nach dem Gießkannenprinzip über zu wenig Investitionen und einer fehlenden großen Steuerentlastung bis hin zu fehlenden Ausgaben für den Klimaschutz. Bis Anfang Juli soll der Bundestag das Zahlenwerk beschließen. Wegen der langen Regierungsbildung kommt es erst jetzt zu den Beratungen über den Haushalt 2018.
Bei den Ausgaben von 341 Milliarden Euro fällt der Etat der Kanzlerin mit 2,9 Milliarden Euro verhältnismäßig niedrig aus. Der mit Abstand größte Posten ist der Etat für Arbeit und Soziales mit 139,8 Milliarden, gefolgt von den Verteidigungsausgaben mit 38,5 Milliarden und Verkehr/ digitale Infrastruktur mit 27,6 Milliarden Euro.
- dpa
- afp
- Eigene Beobachtungen