Ergebnisse der Bundestagswahl Frauen verhindern stärkeren Rechtsruck
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Hätten nur Frauen gewählt, wäre der Bundestag deutlich linker. Am stärksten ist die Kluft zwischen den Geschlechtern bei jungen Wählen.
Die Bundestagswahl hat eine starke politische Polarisierung unter jungen Menschen in Deutschland offenbart. Laut Wahlanalysen von Infratest dimap und Forschungsgruppe Wahlen wählten Frauen unter 30 Jahren am häufigsten die Linke, während junge Männer überwiegend AfD wählten.
Noch deutlicher ist die Kluft bei jungen Frauen und Männern zwischen 18 und 24 Jahren. In dieser Gruppe wählten 15 Prozent der Frauen die AfD, aber 27 Prozent der Männer. In der Gesamtbevölkerung erzielte die Rechtsaußenpartei knapp 21 Prozent der Stimmen. Umgekehrt verhält es sich beim Ergebnis der Linken: Diese erhielt von Frauen bis 24 Jahre 35 Prozent der Stimmen, von Männern in diesem Alter 16 Prozent. Insgesamt erhielt die Linke knapp neun Prozent der Stimmen.
Linke punkten auf Tiktok
Mit deutlichen Unterschieden schnitt auch die Union bei den Wählern bis 24 Jahre ab. Während zehn Prozent der jungen Frauen CDU/CSU wählten, waren es 16 Prozent der jungen Männer. Auch die FDP schnitt mit sieben Prozent bei jungen Männern besser als bei gleichaltrigen Frauen, von denen sich nur drei Prozent für die Lindner-Partei entschieden.
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Weniger deutlich waren die Unterschiede bei SPD und Grünen, die in der Altersgruppe insgesamt zwischen zehn und 13 Prozent der Stimmen erhielten. Auch das BSW konnte mit sechs Prozent bei jungen Frauen und sieben Prozent bei jungen Männern ähnlich abschneiden.
Wer Angst hat, wählt eher AfD
"Das hat sehr viel mit Social Media, vor allem mit Tiktok, zu tun", sagt der Psychologe und Generationenforscher Rüdiger Maas zu den Unterschieden bei jungen Frauen und Männern. Über die Hälfte der jungen Wähler nutzten soziale Medien als Hauptinformationsquelle, so Maas. Bei der Europawahl vergangenen Juni sei dort nur die AfD dort präsent gewesen, "jemand wie Maximilian Krah war fast Influencer", beschreibt er den AfD-Politiker. Heidi Reichinnek und Gregor Gysi von der Linken hätten jedoch in den vergangenen Monaten stark aufgeholt und hohe Reichweiten erzielt.
Maas weist darauf hin, dass Ängste eine zentrale Rolle bei der Wahlentscheidung junger Menschen spielten. "Je ängstlicher die jungen Menschen waren, desto höher war die Chance, dass sie AfD oder die Linkspartei gewählt haben." Junge Männer, so der Psychologe vom Institut für Generationenforschung in Augsburg, haben vor allem Angst vor finanziellem Abstieg und Migration – vor allem im Osten, wo fast jeder Dritte die AfD wählte.
Frauen wählen eher links
Bei den jungen Frauen sind es dagegen Populismus, Rechtsextremismus und der Verlust der Vielfalt, die sie fürchten. Besonders groß sei die Kluft zwischen ländlichen und städtischen Gebieten, sagt Maas. Auch über die Altersgrenzen hinweg wählten Frauen insgesamt eher links als die Gesamtbevölkerung.
So erhielt die SPD von Frauen einen Stimmanteil von 18 Prozent, zwei mehr als insgesamt. Die Union dagegen holte mit 27 Prozent bei den Frauen zwei Prozent weniger als in der Gesamtbevölkerung. Die Linke erhielt von den Frauen mit elf Prozent zwei Prozent mehr als von der Gesamtbevölkerung. Und das Bündnis Sahra Wagenknecht (BSW) wäre mit sechs Prozent knapp im Bundestag vertreten, hätten nur Frauen gewählt. Tatsächlich hat das BSW den Einzug ins Parlament um etwa 13.400 Stimmen verpasst.
Hätten dagegen nur Männer gewählt, hätte die AfD 24 Prozent erhalten und nicht knapp 21. Das BSW hätte den Einzug ins Parlament mit vier Prozent der Stimmen noch deutlicher verpasst, hätten nur Männer gewählt. SPD, Grüne und Linke hätten unter diesen Umständen zudem um einen bis zwei Prozentpunkte schlechter abgeschnitten, während die FDP mit fünf Prozent wohl wieder im Bundestag vertreten wäre. Und die Union hätte die 30-Prozent-Marke geknackt, wenn nur die Männer gewählt hätten.
Für die Älteren ist die Union noch Volkspartei
Deutlich anders wäre die Bundestagswahl auch ausgegangen, hätten nur Menschen über 60 Jahre abgestimmt. Mit mehr als 40 Prozent der Wahlberechtigten stellen sie den größten Teil aller Wähler. Und mit 37 Prozent wählten die meisten von ihnen CDU/CSU, gefolgt von der SPD, die in dieser Altersgruppe 23 Prozent holen konnte. Mit 15 Prozent der Stimmen schnitt die AfD bei den Älteren dagegen deutlich schlechter ab als insgesamt. Die unter 60-Jährigen wählten mit 23 Prozent dagegen etwas häufiger die Rechtsaußenpartei als das gesamte Wahlvolk.
Schlechter gelitten als in der Gesamtbevölkerung war bei den über 60-Jährigen auch die Linke, die hier mit fünf Prozent geradeso ins Parlament gekommen wäre. FDP und BSW schnitten mit je vier Prozent bei den über 60-Jährigen ähnlich schlecht ab wie insgesamt. Noch deutlicher zeigen sich die Unterschiede bei den über 70-Jährigen: In dieser Altersgruppe genießt die Union mit 43 Prozent der Stimmen nach wie vor den Status einer Volkspartei. Auch die SPD schneidet in dieser Gruppe mit 25 Prozent noch einmal besser ab als bei den über 60-Jährigen.
- tagesschau.de: Wer wählte die AfD - und warum?
- tagesschau.de: Wen wählten Jüngere und Ältere?
- forschungsgruppe.de: Wahlanalyse Bundestagswahl 2025
- Material der Nachrichtenagentur dpa