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Bundestagswahl: Wagenknecht will um jeden Prozentpunkt kämpfen


BSW-Spitzenkandidatin Wagenknecht
"Oh Gott, ein Spitzenkandidat?"


Aktualisiert am 11.02.2025 - 10:17 UhrLesedauer: 24 Min.
Sahra Wagenknecht im "Tagesanbruch"-PodcastVergrößern des Bildes
Sahra Wagenknecht im "Tagesanbruch"-Podcast (Quelle: Sebastian Rau)
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Das BSW kämpft in Umfragen mit der Fünf-Prozent-Hürde, doch die Vorsitzende Sahra Wagenknecht gibt sich optimistisch. Ihrer Meinung nach brauche es die Stimme des BSW im Bundestag.

Die Frage nach Krieg und Frieden in der Ukraine spielt in diesem Wahlkampf überraschenderweise eine untergeordnete Rolle. Vielleicht gerade deshalb ist das noch junge BSW in seiner größten Krise. Die Umfragen sind schlecht, die Vorsitzende beklagt sich über zu geringe mediale Aufmerksamkeit und es stellt sich die Frage, ob die politische Karriere von Sahra Wagenknecht nach der Wahl am 23. Februar beendet ist.

Doch noch möchte Sahra Wagenknecht nicht aufgeben und setzt im Wahlkampf auf das Thema Migration. Auch wenn der Partei hier keine großen Lösung-Kompetenzen zugeschrieben werden, geht sie aufs Ganze. Sie fordert im Interview mit t-online Zurückweisungen an den Grenzen. Außerdem verrät sie, mit welchem Spitzenkandidaten der anderen Parteien sie bei Spaghetti Bolognese über Politik reden würde.

t-online: Hallo Frau Wagenknecht, Ihre Partei ist, wenn die Wahl am 23. Februar stattfindet, nur knapp über ein Jahr alt. Die Umfragen sind derzeit nicht optimal. Sie pendeln so abhängig vom Umfrageinstitut zwischen 4 und 6 %. Tendenz gerade eher ein wenig negativ. Sie haben Ihr politisches Schicksal an den Ausgang der Wahlen geknüpft. Dem Spiegel sagten sie: Wer nicht im Bundestag ist, ist in der deutschen Politik kein relevanter Faktor mehr. Ein wenig provokant gefragt: Ist das nicht etwas weinerlich, schon vor der ersten Bundestagswahl eine solche Aussage zu treffen?

Sahra Wagenknecht: Nein, das ist überhaupt nicht weinerlich. Das ist einfach eine Feststellung. Ich bin sehr zuversichtlich, dass wir in den Bundestag einziehen. Ich bekomme unheimlich viel tolle Resonanz. Wir haben super Veranstaltungen und es wünschen sich doch so viele Menschen in Deutschland, dass sich etwas verändert. Ich meine, die alten Parteien haben uns ja in diese Misere hineingeführt, in eine schwere Wirtschaftskrise, hohe Inflation, ein Kontrollverlust bei der Migration, eine Außenpolitik, die, wo man das Gefühl hat, wir sollen hier auf Krieg getrimmt werden. Die überbieten sich mit Aufrüstung, Vorschlägen und Aufrüstungsforderungen. Natürlich braucht es im nächsten Bundestag eine starke Opposition und ich möchte mir nicht ausmalen, wie Deutschland in vier Jahren aussieht, wenn die einzige relevante Oppositionskraft im Bundestag die AfD ist.

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Würden Sie aufhören, wenn das BSW an der 5 %-Hürde scheitert?

Wenn man nicht im Bundestag ist, hat man in Deutschland keine relevante politische Stimme. Und deswegen ist es natürlich auch eine Entscheidung darüber, ob ich in der deutschen Politik weiterhin etwas ausrichten kann, etwas bewegen kann oder nicht. Wir kämpfen darum, dass wir einziehen und ich bin zuversichtlich, dass wir einziehen.

Frau Wagenknecht, Sie wollen sich ja von den alten Parteien unterscheiden. Und man muss sagen, gerade machen Sie das, was auch viele Politiker, etablierte Politiker machen. Sie antworten nicht auf unsere Frage. Also würden sie aufhören, wenn das BSW nicht über die 5 %-Hürde kommt?

Sie reden über einen Fall, der hoffentlich nicht eintreten wird. Wir kämpfen darum, dass wir einziehen, und ich werde Ihnen jetzt hier nicht die Schlagzeile liefern, was wir machen, wenn wir nicht einziehen, weil ich überzeugt bin, dass es uns im nächsten Bundestag braucht.

Es braucht wenigstens eine Partei, die auch in der Außenpolitik wirklich konsequente Friedenspositionen vertritt. Das tut keiner außer uns. Aber ich finde es schon auch ein Problem, dass wir in diesem Wahlkampf überhaupt nicht mehr über Renten reden. Wir haben die höchste Altersarmut, die Deutschland je hatte. Immer mehr alte Menschen müssen sich einschränken, obwohl sie ihr Leben lang geschuftet haben. Wir haben ein Problem, das seit Jahren die Preise schneller steigen als die Löhne. Das sind doch alles ganz, ganz relevante Themen.

Und natürlich ist es auch nach wie vor eine große Gefahr, dass unser Land in einen Krieg hineingezogen wird. Also es gibt so viele sehr wichtige Fragen und wir reden in Deutschland jetzt seit einer Woche hauptsächlich darüber, wer mit wem im Bundestag abgestimmt hat. Das ist wirklich neben der Spur.

Sie weichen unserer Frage noch aus. Mit Ihrer Aussage "Es entscheidet über Ihre politische Zukunft" scheinen Sie sich an Dietmar Woidke zu orientieren, der vor der Wahl erklärte, zurückzutreten, falls die SPD nicht stärkste Kraft wird. Geht es Ihnen bei dieser Wahl vor allem um inhaltliche Überzeugungen, oder verfolgen Sie das Ziel, das BSW vor allem durch Ihre Person relevant zu halten und politisch nicht in die Bedeutungslosigkeit abzurutschen?

Der Unterschied meiner Aussage zu der von Herrn Woidke ist, dass er theoretisch ja auch Ministerpräsident hätte werden können, wenn er nicht die stärkste Kraft repräsentiert. Während ich festgestellt habe, wenn wir nicht im Bundestag sind, dann wird es natürlich sehr schwer, das BSW weiter aufzubauen. Und für mich persönlich heißt das dann natürlich, dass ich in der Politik auch nicht mehr das bewegen kann. Das war eine schlichte Feststellung und ehrlich gesagt würde ich jetzt schon gerne darüber reden, warum es uns braucht im Bundestag.

Sie haben ja die Frage jetzt mehrfach immer wieder darauf fokussiert, was mit mir wird. Ich denke, wichtiger ist doch, was mit dem Land wird. Und wir haben vier Parteien, die in den vergangenen Jahren in wechselnden Koalitionen regiert haben. Und sie alle haben dazu beigetragen, dass sich die Lebensverhältnisse, der Lebensstandard einer Mehrheit verschlechtert hat. Also, die mittleren Einkommen in den letzten Jahren sind ja gesunken. Wir haben in Deutschland einen akuten Mangel an Lehrern, an Ärzten. Wir haben eine verrottete Infrastruktur, Straßen, Brücken und dafür sind die alten Parteien gemeinsam verantwortlich.

Und dass die Menschen verärgert sind, dass sie wütend sind. Das zahlt zurzeit hauptsächlich bei der AfD ein, weil sie eben durch diese miese Politik auch so gestärkt wurde. Und deswegen finde ich es auch so unehrlich, wenn sich jetzt SPD und Grüne als große Antifaschisten inszenieren, weil sie nicht mit der AfD abstimmen wollen, aber gleichzeitig mit ihrer Politik dazu beigetragen haben, dass sich die Zustimmungswerte dieser Partei verdoppelt haben.

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Wenn das jetzt alles auf das Konto der AfD einzahlt, dann stellt sich auch die Frage: Warum zählt es nicht auf Ihr Konto, die Sie ja die Ampel jahrelang sehr scharf kritisiert haben? Stattdessen haben wir jetzt sinkende Umfragewerte. Und Sie haben sogar auch in einem Interview von einer spürbaren Blockade in den Mainstreammedien gegen das BSW gesprochen. Klären Sie uns auf, Frau Wagenknecht, Sie sind doch eigentlich permanent im Fernsehen zu sehen. Sie werden in Talkshows eingeladen. Sie sind im Interview hier mit uns und auch mit anderen. Wo ist denn diese angebliche Medienblockade?

Also zunächst mal zahlt es selbstverständlich auch bei uns ein. Wir hatten doch jetzt vier Wahlen, die wir mit bravourösen Ergebnissen bestanden haben. Wir haben ja sehr viel Rückhalt und wir sind eine junge Partei. Es gibt uns kaum länger als ein Jahr. Natürlich kann man als eine so junge Partei, also das war schon außergewöhnlich, was wir in diesem ersten Jahr erreicht hatten. Sechs Prozent bei der Europawahl, zweistellige Ergebnisse bei den Landtagswahlen, das ist absolut ungewöhnlich.

Normalerweise sind Parteien, die ein Jahr alt sind, die stehen dann bei ein oder zwei Prozent. Die AfD stand bei drei Prozent, als sie erst neu gegründet war. Und hätte Frau Merkel damals nicht die Grenze geöffnet, wäre sie wahrscheinlich auch nie in den Bundestag gekommen. Also es ist nicht so einfach, wenn man noch keine Strukturen hat, wenn man noch kein Geld hat, wenn man noch keine Ressourcen hat, die große Social Media Arbeit machen können. Es ist nicht so einfach, aus dem Stand jetzt plötzlich zehn Prozent zu erreichen. Also fünf Prozent für eine so junge Partei ist wirklich ein sehr, sehr respektables Ergebnis.

Und insoweit muss man eben einfach schauen, wie kann man jetzt aus dieser Blockade, wie kann man trotzdem mit unseren Inhalten präsent sein. Es wird immer behauptet, ich sei ständig in den Talkshows. Das stimmt nicht. Es gab im Herbst ab einem bestimmten Zeitpunkt überhaupt keine Möglichkeiten mehr, da reinzukommen. Ich bin jetzt in den Wahlsendungen, die sind aber auch eben natürlich Standard. Und auch da muss man sagen, man benötigt Wahlsendungen.

Einmal gibt es dann immer diese sogenannten Kanzlerduelle, da ist dann Olaf Scholz und Herr Merz alleine. Dann gibt es die Viererrunde, da sind wir auch draußen und man wollte uns selbst bei den dritten Programmen draußen halten. Da haben wir uns ja eingeklagt. Also wir haben schon Schwierigkeiten. Ganz normale Dinge, die täglich passieren, wenn ich mich zu denen äußern möchte, haben wir große Probleme, das zu platzieren. Aber wenn irgendetwas Negatives läuft, irgendwo ein Mitglied austritt, dann kommt das in die Bundespresse.

Das ist bei keiner anderen Partei so, also wir merken schon, dass die alten Parteien alles daran setzen, uns aus dem Bundestag rauszuhalten, weil wir stören, weil wir keine pflegeleichte Opposition sind, sondern eine mit Rückgrat. Und die Medien, die diesen Parteien nahestehen, unterstützen sie dabei. Also, das ist ja relativ eindeutig.

Welche Medien meinen Sie da?

Na, schauen Sie sich doch an, wie über uns und wie über andere Parteien geschrieben wird. Da können Sie im Spiegel lesen, da können Sie in der Bild lesen oder da können Sie das öffentlich-rechtliche Fernsehen anschauen. Also ich war gerade bei einer ZDF-Sendung Wahlarena. Die Sendung selbst war völlig in Ordnung und ordentlich moderiert, also auch was die Chancengleichheit der verschiedenen Parteien angeht.

Aber man hatte ein Publikum eingeladen und das offenbar ganz gezielt, wo also eigentlich nur die Grünen und die Linken Rückhalt hatten. So, das ist natürlich auch etwas, was einen Eindruck schaffen soll. Also wenn man in einer Sendung ist und hat viel Beifall, dann wirkt das beim Publikum so, als hätte man etwas besonders Brillantes gesagt. Wenn man keinen hat, wirkt es anders. Also es gibt schon hier ganz klare Interessen, die auch darauf hinauslaufen, das BSW draußen zu halten. Ich bin überzeugt, dass es trotzdem nicht gelingen wird.

Sie haben selbst erwähnt, dass über Parteiaustritte und die Mitgliederpolitik bei Ihnen viel berichtet wird. Ihre strikte Aufnahmepraxis soll verhindern, dass Rechtsextreme oder Reichsbürger in die Partei kommen – das hat Ihnen jedoch auch den Vorwurf eingebracht, eine Kaderpartei zu sein, die nur aus loyalen Anhängern besteht. Wie reagieren Sie auf diese Kritik? Ist das BSW eine Kaderpartei?

Wissen Sie, wir haben immerhin mit dieser Aufnahmepraxis verhindert, dass uns das passiert, was den meisten jungen Parteien in Deutschland passiert, dass sie sich im ersten Jahr zerlegen. Und was heißt Kaderpartei? Ich meine, selbst bei 1200 Mitgliedern kann man nicht jeden so gut kennen, dass man ihn wirklich einschätzen kann. Sie ziehen viele engagierte, ehrliche, idealistische Menschen an, aber sie ziehen eben leider auch viele schwierige Charaktere an. Sie ziehen Neurotiker an, sie ziehen Menschen an, die es auch nur auf Mandate abgesehen haben, und man muss versuchen, das zu steuern.

Wir werden nach der Wahl wesentlich mehr Ressourcen haben, die wir in den Parteiaufbau stecken können. Wir haben jetzt ein erstes Jahr mit vier Wahlen gehabt. Das heißt natürlich, dass wir in diesem ersten Jahr alles, was wir an Kapazitäten hatten, auch unser gesamtes Personal, auf Wahlkämpfe richten mussten. Und wir hatten eigentlich ursprünglich gedacht, nach den Landtagswahlen gibt es eine gewisse Atempause, dass wir dann mehr Menschen aufnehmen können, den Parteiaufbau in den Fokus nehmen können.

Dann zerlegte sich diese desolate Ampel, dann kam die Neuwahl, der schnelle Wahlkampf und dann ging das wieder nicht. Aber ich bitte noch mal wirklich zu bedenken, eine Partei in Deutschland zu gründen ist viel schwerer als in anderen Ländern. Und deshalb gibt es ja wenig neue Parteien. Obwohl die alten Parteien kaum noch jemanden überzeugen, haben die meisten neuen Parteien keine Chance, weil sie sich auch durch den Föderalismus, durch viele Regeln im Parteienrecht schwertun. Wir sind nicht daran gescheitert. Wir haben das erste Jahr gut bestanden, und sicher ist da nicht alles toll gelaufen.

Es gibt Menschen, die haben wir draußen, die sind bisher nicht Mitglied geworden, obwohl sie großartig sind und unsere Partei bereichern würden. Und manche sind da auch etwas traurig darüber und ich verstehe das auch. Wieso nehmt ihr mich nicht auf? Wieso andere? Es ist eben ein langsamer Prozess und da ist nicht alles perfekt. Aber zumindest sind wir nicht im Chaos geendet, sondern wir haben 16 Landeslisten eingereicht, die alle akzeptiert wurden. Das ist bei neuen Parteien nicht ganz unüblich. Wir haben tolle Kandidaten.

Fast 17 Landeslisten.

Ja, das sagen Sie es zum Beispiel. Ich meine, in Hamburg sind uns zwei Leute durchgerutscht, die genau in die Kategorie gehören, die wir nicht haben wollen. Aber zwei von 1200? Okay, kann man sich irren. Aber wir hätten, wenn wir anders gewachsen wären, wahrscheinlich nicht nur in Hamburg solche Schwierigkeiten gehabt, sondern womöglich in zehn Landesverbänden. Also, dass Leute eigenständig Landesverbände gründen. Das ist dort der Fall gewesen. Eigenständig Listen aufstellen, auch wieder unter großer Presse-Begleitung. Der Wahlausschuss hat entschieden und natürlich ist unsere Liste anerkannt worden und unser Landesverband und nicht der andere. Darüber hat die Presse nicht berichtet.

Innerhalb Ihrer Partei gab es immer wieder Diskussionen über fehlende innerparteiliche Demokratie. In Thüringen sorgte die überraschende Aufnahme von 25 Mitgliedern für Unmut, in Bayern sind prominente Mitglieder ausgetreten, und nun hat auch Herr Pürner, ein Abgeordneter im Europäischen Parlament, die Partei verlassen. Haben Sie das Gefühl, dass Ihnen die Situation gerade entgleitet?

Also wissen Sie, uns fliegt nicht die Partei um die Ohren, weil sechs Leute oder sieben Leute austreten. Bei jungen Parteien ist das noch mehr als bei anderen Parteien auch üblich, dass Menschen eintreten und Menschen austreten. Und ich sage mal, wenn sich Herr Pürner nicht wohlgefühlt hat, sei's drum. Ein wenig grenzwertig finde ich schon, wenn jemand einer Partei ein Mandat verdankt, das immerhin fünf Jahre ein hohes Einkommen sichert. Er hätte auch vor zwei Monaten austreten können, da hat er ja schon Unmut bekundet oder hätte in einem Monat austreten können. Dass es zwei Wochen vor der Wahl macht, um der Partei maximal zu schaden, die ihn ins Europaparlament gebracht hat, finde ich jetzt, zeugt nicht unbedingt von Charakterstärke. Aber sei's drum.

Haben Sie berichtet, ob sechs Mitglieder bei der CDU, bei der SPD, bei den Grünen ausgetreten sind. Also wahrscheinlich sind da mehr ausgetreten, vielleicht auch mehr wieder eingetreten. Das sind doch normale Prozesse in Parteien. Und ich meine, bei den sechs ging es darum, ging es ja um die Migrationspolitik, ging es um unser Abstimmungsverhalten.

Und offen gesagt, die Kritik kann ich nicht akzeptieren. Denn wir wurden gegründet mit dem Anspruch, in der Migrationspolitik eine realistische Position zu haben. Und das war ja einer der ersten Konflikte, die ich mit der Linken hatte, schon 2015 oder 2016, wo ich gesagt habe, diese hohen Zahlen überfordern unser Land und dann scheitert auch Integration, wenn so viele kommen. Und das BSW ist mit der Position begründet worden: Wir müssen das begrenzen. Gerade auch im Interesse derer, die es schon die in Deutschland leben, die gut integriert sind.

Und da gibt es Millionen Menschen mit Migrationshintergrund, die ein wertvoller Teil unserer Gesellschaft sind. Gerade auch in ihrem Interesse müssen wir diesen Kontrollverlust überwinden, weil sonst das politische Klima in Deutschland immer mehr vergiftet wird und irgendwann natürlich in eine fremden oder schon ansatzweise jetzt in eine fremdenfeindliche Richtung kippt. Und das war immer unser Anspruch. Und so haben wir auch im Bundestag abgestimmt. Und wer das kritisiert. Gut, das steht jedem frei, aber das war eigentlich von Anfang an etwas, was uns ausgemacht hat. Diese Positionierung, die ist auch mit mir verknüpft. Also, ich habe immer für diese Position gestritten.


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"Die AfD ist deshalb stark, weil die Probleme nicht gelöst werden."


Sahra Wagenknecht


Eine häufige Kritik an Ihnen ist, dass man migrationskritische Positionen vertreten kann, ohne gemeinsame Sache mit der AfD zu machen. Ein konkretes Beispiel ist das Migrationsmanöver von Friedrich Merz: Ihr Lager hätte den Entschließungsantrag, diesen Fünf-Punkte-Plan, im Bundestag verhindern können – stattdessen haben Sie sich enthalten, wodurch er mit den Stimmen der AfD beschlossen wurde. Viele sehen das als Tabubruch. Haben Sie nicht bewusst in Kauf genommen, einen Teil Ihrer Wähler und Mitglieder zu verlieren, die migrationskritisch sind, aber eine Zusammenarbeit mit der AfD ablehnen?

Also Wähler nicht. Also wir sind nicht seitdem in den Umfragen heruntergegangen, das kann auch nicht das Kriterium sein. Ich meine, die ganze Debatte ist doch zutiefst verlogen. Wir stärken nicht die AfD dadurch, dass es im Bundestag auch Abstimmungen gemeinsam mit der AfD gibt, sondern die AfD ist deshalb stark, weil die Probleme nicht gelöst werden.

Und gerade der Kontrollverlust bei der Migration ist ein wichtiger Antrieb dafür, dass immer mehr Menschen sagen, sie wollen die AfD wählen. Und die ganze Diskussion darüber, ob man mit der AfD abstimmen darf oder nicht, hat der AfD natürlich auch geholfen. Also Frau Weidel kann eigentlich jetzt in den Urlaub fahren. Der Wahlkampf läuft auch ohne sie, weil alle nur als Referenzpunkt haben: Darf man mit der AfD, darf man nicht mit der AfD?

Statt darüber zu reden, was können wir tun, dass nicht mehr so viele Menschen nach Deutschland kommen, weil das so viele Probleme verursacht in den Schulen, in einem überforderten Gesundheitssystem, in vielen Bereichen. Und es sind vorwiegend die nicht Privilegierten, die weniger auf der Sonnenseite des Lebens stehen, die darunter leiden. Es sind ja nicht die grünen Wähler in ihren hippen Trendvierteln, da kommen die Asylsuchenden gar nicht hin. Und deswegen ist es wichtig, über die Probleme zu reden.

Und zum Fünf-Punkte-Plan, da haben wir nicht zugestimmt, weil ein Teil richtig ist und ein Teil ist eben nicht richtig. Ich halte es für richtig, dass wir Grenzkontrollen an wichtigen Punkten machen und wir da auch zurückweisen. Aber wir haben gesagt, wenn dieser Antrag die Illusion verbreitet, dass wir 4000 Kilometer deutsche Grenze flächendeckend kontrollieren können, dann macht er den Menschen etwas vor. Und dazu kam auch noch, dass es in diesem Antrag eine sehr merkwürdige Beschreibung von Fluchtursachen gibt.

Natürlich ist der Ukrainekrieg eine große Fluchtursache. Klar, das sind über 1 Million Menschen, die jetzt in Deutschland sind. Da hätte man allerdings längst mehr tun können und müssen, um diesen Krieg zu beenden. Aber ansonsten kommen die Flüchtlinge überwiegend aus dem Nahen Osten und sie kommen überwiegend aus Ländern, die durch amerikanische Kriege verwüstet worden. Und das wird dort nicht angesprochen, sondern es wird so getan, als ob alle Fluchtbewegungen dieser Welt das Ergebnis der Politik von Wladimir Putin sind. Und das halten wir auch für unehrlich.

Also es gab Dinge, die wir richtig finden und Dinge, die wir falsch finden. Und dann haben wir uns enthalten aus dieser Abwägung heraus. Und bei dem Zustrombegrenzungsgesetz haben wir zugestimmt, weil wir gesagt haben, dass es sinnvoll ist, was dort beschlossen wird. Und ich finde es wirklich unsäglich, dass kaum noch darüber geredet wurde, was in diesen Anträgen steht. Mit der AfD darf man nicht. Ich meine, ich sage mal, wenn ich das zu Ende denke, dann könnte nach der Wahl diese SPD-Grüne-Minderheitenregierung, die wir jetzt haben, einfach weitermachen. Und die CDU dürfte vier Jahre lang keinen Antrag stellen. Auch keine andere Oppositionspartei durfte einen Antrag stellen, weil es immer so wäre, dass er mit der AfD eine Mehrheit finden könnte.

Dann lähmt sich doch die Politik und sie blockiert sich auch gegenseitig. Und ich finde das falsch, weil letztlich der Hauptprofiteur dieser politischen Blockade die AfD ist. Irgendwann sitzt sie im Kanzleramt, wenn wir so weiter machen.

Die Forderung nach einer Begrenzung der Migration findet in der Bevölkerung breite Unterstützung, wie auch im besagten Antrag deutlich wurde. Gleichzeitig wird die AfD in Teilen als rechtsextrem eingestuft, was die Frage nach dem Umgang mit ihren Anträgen umso relevanter macht. Frau Wagenknecht, wie wird das BSW künftig mit Anträgen der AfD verfahren? Stimmen Sie zu, wenn inhaltliche Überschneidungen bestehen, oder gibt es für Sie eine klare rote Linie?

Also ich halte es für ein Problem und nicht für einen Segen für unser Land, dass eine Partei, in der es tatsächlich Rechtsextremisten und Neonazis gibt, immer stärker wird. Auch eine Partei übrigens, die sich jetzt sehr stark als rechte Hand von Donald Trump in Stellung bringt. Also Elon Musk und Donald Trump unterstützen die AfD ja nicht zum Nulltarif, sondern sie werden in Zukunft in Deutschland das in der Politik vertreten, was der jetzige amerikanische Präsident will. Und das hat man bei der Aufrüstung schon gesehen.

Trump fordert fünf Prozent der Wirtschaftsleistung, also 200 Milliarden, die Hälfte des Bundesetats für Rüstung, für Waffen auszugeben. Und die AfD kommt sofort um die Ecke und sagt, sie unterstützt das. Also ja, ich sehe das als ein großes Problem an, aber gerade deshalb möchte ich, dass wir die Anliegen der Wählerinnen und Wähler der AfD ernst nehmen. Weil diese Wähler keine Nazis sind. Diese Wähler sind auch nicht sozusagen die rechte Hand von Donald Trump, sondern das sind Menschen, die ernsthafte Sorgen haben, sie haben ernsthafte Probleme und sie erwarten von der Politik, dass diese Probleme gelöst werden. Und sie sagen zum Beispiel bei der Migration, die große Mehrheit wünscht sich, dass die Zahlen gesenkt werden. Warum blockieren SPD und Grüne eine solche Lösung?

Das ist eine andere Frage. Ich habe sie ganz konkret gefragt: Würden Sie mit der AfD zusammen künftig Anträge beschließen, wenn Sie das politische Ziel eines solchen Antrags teilen?

Ja, na selbstverständlich. Man hat doch die AfD immer stärker dadurch gemacht, dass man dieses alberne Schauspiel aufgeführt hat. Die AfD beantragt, der Himmel ist blau und alle stimmen dagegen. Und die Bevölkerung schaut aus dem Fenster und sagt, aber der Himmel ist doch blau. Die AfD hat recht, alle anderen sind doof. Wir haben das auch bisher schon so gehandhabt, dass wir in der Sache entscheiden. Wenn ein Antrag richtig ist, dann stimmen wir zu. Und in dem Falle war es ja ein CDU-Antrag. Aber das gilt generell. Wenn ein Antrag richtig ist, stimmen wir zu. Wenn wir ihn nicht richtig finden, stimmen wir dagegen. Wenn es halbe-halbe ist, dann enthalten wir uns. So sollte doch Politik funktionieren.

Wir wollten noch einmal zurückkommen auf das Thema Migration. Sie selbst, also das BSW, hat gefordert, die Migration müsse begrenzt werden, hat von Zahlen unter 100.000 gesprochen. Wie wollen Sie das schaffen?

Wir sollten einfach das im deutschen Asylrecht umsetzen, was das Grundgesetz vorschreibt. Laut Grundgesetz haben in Deutschland nur diejenigen Anspruch auf ein Asylverfahren, die nicht aus einem sicheren Drittstaat einreisen. Und deswegen wäre meine Meinung, zumindest um kurzfristig eine Atempause zu bekommen, dass wir die Asylgesetzgebung so verändern, dass nur derjenige ein Verfahren beantragen kann, der nachweist, dass er nicht aus einem sicheren Drittstaat kommt.

Und wir müssen dann allerdings, das ist das nächste, mit den anderen europäischen Ländern versuchen, das europäische Asylrecht zu verändern, weil dieses Asylrecht nicht funktioniert. Ich meine, das Asylrecht ist mal erfunden worden und auch etabliert worden, weil verfolgte Menschen Schutz genießen sollen. Und das ist auch richtig, dass Menschen, die in ihrer Heimat von Tod von Folter bedroht sind, geschützt werden. Aber das heutige europäische Asylrecht hat ja einen ganz anderen Effekt. Dadurch, dass faktisch jeder, der es schafft, seinen Fuß auf europäischen Boden zu setzen, auch in Europa bleibt, das ist ja die Realität, setzen wir einen enormen Anreiz gegenüber Menschen aus ärmeren Ländern. Dass sie, wenn sie nicht ganz arm sind, ihre Ersparnisse zusammenlegen, kriminelle Schlepperbanden bezahlen, sich denen anvertrauen und von denen nach Europa gebracht werden, damit sie eben in Europa bleiben.

Aber es ist keine sinnvolle Regel, weil die Ärmsten, die, die eigentlich am meisten unsere Hilfe bräuchten, die kommen so gar nicht, weil die Schlepper nicht bezahlen können. Und unser Land und auch andere europäische Länder werden überfordert von diesen hohen Zahlen des Zuzugs. Weil Integration funktionieren muss und wenn die Zahlen so hoch sind, funktioniert sie nicht. Also sollten wir lieber schauen, wie wir die Kriegspolitik beenden. Wir sollten schauen, wie wir die Wirtschaftssanktionen, die zum Beispiel Syrien furchtbar verarmt haben, beenden. Wie wir helfen, dass dort ein Wiederaufbau stattfindet.

Nun wollen sie aber auch reale Politik machen. Und das bedeutet auch, es stehen Leute vor den deutschen Grenzen. Und da ist dann die Frage, wenn die hier stehen und die erst mal da sind, sollen wir die dann zurückweisen?

Ja, müssen wir, damit nicht mehr so viele dastehen. Wenn wir das umsetzen, was im Grundgesetz steht, dann steht auch keiner mehr an der Grenze. Weil, wenn man gar keinen Anspruch auf ein Asylverfahren und auf soziale Leistungen in Deutschland hat, dann kommen die Menschen ja auch nicht mehr. Das ist die Logik dahinter. Das ist auch viel besser, als flächendeckend jetzt wieder die Schlagbäume hochzuziehen, was natürlich sich niemand wünschen kann.

Ich wohne in einem Grenzgebiet, da geht die Grenze teilweise durch Ortschaften, das kann man nicht kontrollieren und die grüne Grenze ist ohnehin riesengroß. Aber wir benötigen in Deutschland eine Atempause. Wir müssen erst mal überhaupt die Probleme bewältigen mit denen, die jetzt schon nach Deutschland gekommen sind. Da sollten wir auch wirklich strikt zu dem Prinzip übergehen. Wer durch Gewaltdelikte, durch Gewalttaten auffällt, der verliert seinen Anspruch auf Asyl. Da wird auch das Verfahren abgebrochen.


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"Das wird auf Dauer unser Land verändern"


Sahra Wagenknecht


Und diese Menschen müssen unser Land verlassen, weil wir ja sehr viele Menschen in Deutschland haben, die gar keinen Aufenthaltsstatus haben. Aber wenn sie schon sehr lange in Deutschland sind, wenn sie hier Arbeit gefunden haben, wenn sie sich integriert haben, dann sollten wir diese Menschen nicht abschieben. Aber wir sollten die abschieben, die tatsächlich kriminell sind, die durch Gewaltdelikte auffallen.

Eine Atempause, sagen Sie – das klingt nach einem nationalen Alleingang, der EU-Recht aussetzt oder ignoriert. Genau darum dreht sich die Debatte: Kann Deutschland das überhaupt durchsetzen? Und was passiert mit den abgewiesenen Migranten? Sie würden sich in Polen oder Österreich stauen – Länder, die wenig Interesse daran haben, dieses Problem zu lösen. Wie wollen Sie verhindern, dass daraus ein Dominoeffekt entsteht und sich kein EU-Staat mehr an gemeinsame Absprachen hält?

Der nationale Alleingang Deutschlands ist jetzt da und der besteht darin, dass wir in dieser Größenordnung Menschen aufnehmen. Das tun andere Länder nicht. Die meisten Länder tun das nicht. Ich meine, schauen Sie sich an, selbst die Flüchtlinge aus der Ukraine, die man natürlich, also so weit sie aus den Kriegsgebieten kommen. Natürlich benötigen diese Menschen Hilfe und Unterstützung. Aber schauen Sie sich an, wie viele in Deutschland sind und wie wenige in Polen beispielsweise, obwohl sie von der Sprache her, ja in Polen sich viel besser integrieren könnten, viel besser am Arbeitsmarkt teilnehmen könnten.

Es sind auch viele in Polen.

Nein, nein. Also pro Kopf ist das viel weniger als in Deutschland (Anmerkung der Redaktion: In Polen gibt es pro Kopf mehr Geflüchtete aus der Ukraine) und bei anderen Flüchtlingsgruppen erst recht. Andere Länder haben ihre Zuwanderung deutlich reduziert. Sie machen auch Grenzkontrollen, sie machen Zurückweisungen und wir scheitern daran. Und das deshalb, weil auch gerade die Ampelregierung eben alles blockiert hat. Langfristig benötigen wir natürlich, das habe ich ja gesagt, andere europäische Regeln. Also es geht nicht nur darum, dass wir hier unsere uns abschotten und es dann in den anderen Ländern ist, sondern wir sollten das europäische Asylrecht so reformieren, dass in Zukunft Asylverfahren generell nur noch an den Außengrenzen und in sicheren Drittstaaten stattfinden. Und dann nur noch diejenigen in die EU kommen, die einen gesicherten Schutzanspruch haben. Wenn die Zahlen jetzt heruntergegangen wären, wenn wir.

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Die sind ja aber runtergegangen.

Naja 230.000 im letzten Jahr. Ich bitte Sie.

Im Januar 2025 aber waren es 12.000.

Ja, es ist immer noch viel zu viel. Also, letztes Jahr wurde gesagt, das ist also eine Reduktion von 30 Prozent. Ja, gegenüber den noch höheren Zahlen im Jahr davor. Aber es ist im langfristigen Trend mit an der Spitze und es ist zu viel. Das also ein Land, ein Land, in dem...

Im langfristigen Trend ist es eher weniger, also 230.000, es gab natürlich...

Im Jahr davor waren es über 300.000 und davor war es aber deutlich darunter.

2015 war es 700.000.

Also ja, gut, das hat die AfD in den Bundestag gebracht. Die 700.000 von 2015, das war auch nicht zu bewältigen. So wie wir es jetzt machen, wird das auf Dauer wirklich unser Land verändern und wird auch das Klima immer mehr vergiften? Und irgendwann schlägt das ja vor allem gegen die zurück, die schon lange hier wohnen, die auch gut integriert sind. Wir bekommen eine steigende Fremdenfeindlichkeit, wenn diese Integrationsproblematik nicht gelöst wird und wenn tatsächlich die Menschen in ihrem Alltag spüren, dass sich ihr Leben zum Nachteil verändert. Dass sie eben kaum noch eine Wohnung bekommen, dass die Sozialwohnungen alle mit Flüchtlingen belegt sind, dass sie kaum noch einen Arzttermin bekommen.

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Und was sich an den Schulen abspielt, ist ein Drama. Und zwar an den Schulen der ärmeren Wohngebiete, wo fast keine Klasse mehr startet oder wo auch nur die Mehrheit Deutsch spricht. Die große Mehrheit spricht kein Deutsch. Wie kann man diese Schulen noch, wie soll da ein Lernniveau erreicht werden? Und deswegen sage ich ja, wir sollten dieses Problem lösen. Und sollten dann auch wieder über die wichtigen Themen reden. Natürlich ist es in Deutschland ein Problem, wie die Situation bei den Löhnen ist, dass der Mindestlohn zu niedrig ist, dass die Mieten so extrem steigen, dass so viele alte Menschen arm sind. Das sind eigentlich die Themen, die die Menschen auch hauptsächlich bewegen. Und darüber sollte man auch in diesem Wahlkampf reden. Und wir sollten auch über Krieg und Frieden reden.

Lassen Sie uns zum Abschluss über den Ukraine-Krieg sprechen. Sie kritisieren die Bundesregierung regelmäßig für ihre Waffenlieferungen an Kiew. Nun blockiert Kanzler Scholz persönlich ein neues Waffenpaket in Höhe von drei Milliarden Euro – entgegen den Plänen seiner Minister und Außenministerin Baerbock. Seine Begründung: fehlendes Geld. Müsste das aus Ihrer Sicht nicht eigentlich ein begrüßenswerter Schritt sein? Wäre das nicht ein Moment, um Olaf Scholz zu loben?

Ich meine, Olaf Scholz ist immer umgefallen bei der Frage der Waffenlieferungen, also ob das Panzer waren, Kampfjets waren. Er hat immer erst Nein gesagt, dann Jein und dann Ja. Und seit es uns gibt, hat er plötzlich also etwas mehr Rückgrat. Es hat auch mit dem Druck zu tun, natürlich. Aber dennoch zeigt das natürlich auch, dass wir im nächsten Bundestag sein müssen, weil sonst dieser Druck eben weg ist. Aber Scholz sagt gar nicht, er will die Waffen nicht mehr liefern, sondern er sagt lediglich, er will dafür die Schuldenbremse aufheben und will das also mit Verschuldung finanzieren.


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"Die Ukraine wird die besetzten Gebiete nicht zurückerobern."


Sahra wagenknecht


Das ist jetzt nicht der ganz große Wurf zu sagen. Ich liefere nur Waffen, wenn ich über Schulden finanzieren kann. Seit Mai letzten Jahres liegt ein Friedensplan von Brasilien und China auf dem Tisch, den auch die Schweiz unterstützt. Warum hat Olaf Scholz nicht in seinem Telefonat mit Putin, er hat mal mit ihm geredet, warum hat er ihn nicht gefragt, ob er auf Grundlage dieses Friedensplans bereit wäre, einem Waffenstillstand zuzustimmen. Das hat offenbar nicht stattgefunden. Und ich finde, dass wir jetzt darauf warten, ob Donald Trump den Krieg beendet.

Jeder weiß doch, dass dieser Krieg nur auf dem Verhandlungsweg beendet werden kann. Er wird ja nicht anders beendet. Die Ukraine wird die besetzten Gebiete nicht zurückerobern können. Also muss man versuchen, an der jetzigen Frontlinie die Waffen schweigen zu lassen. Vielleicht macht es Donald Trump. Ich halte ihn für ziemlich unberechenbar. Und deswegen hätte ich mir eine Bundesregierung gewünscht, die sich eigenständig darum bemüht.

Donald Trump wurde auch gewählt, weil er einen Waffenstillstand in der Ukraine anstrebt – und offenbar arbeitet er tatsächlich an einem Friedensplan, dessen Details bald bekannt werden sollen. Wenn der amerikanische Präsident, der mächtigste Politiker der Welt, sich glaubhaft für ein Ende des Krieges einsetzt – wozu braucht es dann noch das deutsche BSW?

Also erstens hoffe ich, dass Trump das macht und ich hoffe, dass er das auch durchsetzen wird. Es wäre ein großer Verdienst, wenn er das tut. Es zeigt allerdings, dass diejenigen, die die ganzen Jahre gesagt haben, mit Putin kann man nicht verhandeln, Unrecht hatten. Und es zeigt, dass diejenigen, die dafür geworben haben, dass endlich verhandelt wird und man das Sterben beendet, doch vielleicht nicht so falsch lagen.

Und das Zweite: Ich hoffe sehr, dass damit die Gefahr einer Ausweitung dieses Krieges nicht mehr so akut ist, weil die Waffen schweigen. Und wir brauchen auch nicht immer mehr Ausgaben für Rüstung. Wir bräuchten eigentlich wieder Gespräche über Abrüstung, über Rüstungskontrolle. Und Donald Trump ist nun garantiert nicht ein Präsident, der Abrüstungsverträge verhandelt. Er hat damals wichtige Abrüstungsverträge gekündigt. Er fordert jetzt...

Wladimir Putin auch nicht, oder?

Ja, es muss von beiden Seiten ausgehen.

Aber auch von Russlands Präsident.

Ja, ich weiß nicht, ob Russland jetzt ein solch großes Interesse hat, immer mehr Geld in Rüstung zu verpulvern. Das haben sie ja dann auch nicht mehr für andere angelegt.

Sie tun es aber.

Na ja, weil Sie zurzeit Krieg führen. Deswegen geben sie auch sehr viel Geld für Rüstung aus.

Dann scheint es ja ein Interesse daran zu geben.

Ja, trotzdem geben wir ein Vielfaches dessen aus. Also die Begründung ist ja, wir müssten jetzt noch mehr aufrüsten, damit am Ende Russland uns nicht angreift. Und offen gesagt, wenn ich mir anschaue, dass alleine die Verteidigungsetats der europäischen Natostaaten größer sind als der ganze russische Staatshaushalt. Wenn ich mir ansehe, dass die russische Armee jetzt seit drei Jahren daran scheitert, die ukrainische Armee entscheidend zu schlagen. Wenn man mir dann erzählt, wir müssten jetzt noch mal das Doppelte oder Dreifache für Waffen ausgeben, damit Putin uns nicht überrollt und demnächst vor dem Brandenburger Tor steht, dann muss ich sagen: Das ist eine Beleidigung unserer Intelligenz, wenn man uns das erzählt.

Wir benötigen kein neues Wettrüsten und wir sollten uns bemühen, dass es hier tatsächlich neue Verträge gibt. Das ist aber die einzige Kraft, die dagegen ist. Das ist die Rüstungswirtschaft, die natürlich riesig profitiert. Auch gerade dieser militärisch-industrielle Komplex in den USA hat stark den Wahlkampf von Donald Trump finanziert, hat ein großes Interesse, viele Waffen zu verkaufen. Deswegen fordert auch Donald Trump, dass wir jetzt eben unsere Verteidigungsausgaben auf über 200 Milliarden im Jahr erhöhen und vor allem US-Waffen kaufen. Das war damit verbunden und dem müssen wir widerstehen, dem müssen wir widersprechen.

Und wir benötigen eine Bundesregierung, die das Selbstbewusstsein hat, das zu tun. Und ja, der ehemalige Blackrock-Lobbyist Friedrich Merz ist da sicherlich genauso wenig geeignet wie Olaf Scholz, der schon in den vergangenen Jahren immer nur abgenickt hat, was die Amerikaner wollten.

Frau Wagenknecht, zum Abschluss noch eine persönliche Frage: Es heißt, Ihr Mann Oskar Lafontaine kocht zu Hause meistens – und soll eine hervorragende Bolognese zubereiten. Wenn Sie einen gegnerischen Kanzler- oder Spitzenkandidaten zu einem Abendessen einladen müssten, wen würden Sie wählen – und worüber würden Sie bei Bolognese sprechen?

Oh Gott, ein Spitzenkandidat? Ja, also bei denen, die jetzt zur Auswahl stehen. So richtig prickelnd ist das alles nicht. Wahrscheinlich würde ich schon mit Olaf Scholz sprechen wollen. Darüber, warum die SPD so gekippt ist und warum sie so wenig die Tradition von Willy Brandt und die Entspannungspolitik noch ernst nimmt. Und was man vielleicht auch machen kann, dass sich das mal wieder ändert.

Vielen Dank für das Gespräch.

Verwendete Quellen
  • Interview Sahra Wagenknecht
  • Hinweis: Dieses Interview wurde maschinell transkribiert
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