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Zum journalistischen Leitbild von t-online.Grenzkontrollen und Zurückweisungen "Das wird für die Bundespolizei eine riesige Herausforderung"
Der Bundestag hat eine härtere Migrationspolitik beschlossen. Die zwei größten deutschen Polizeigewerkschaften sind sich jedoch uneins, was jetzt auf sie zukommt.
Der Anschlag in Aschaffenburg, bei dem ein ausreisepflichtiger Mann aus Afghanistan zwei Menschen getötet hat, hat den Bundestagswahlkampf verschärft. Als Reaktion hat CDU-Chef Friedrich Merz einen Fünf-Punkte-Plan vorgelegt, der eine härtere Migrationspolitik skizziert. Am Mittwoch hat die Union den Antrag mit Stimmen der AfD und der FDP im Bundestag beschlossen.
Darin fordert die CDU/CSU "dauerhafte Grenzkontrollen" zu den Nachbarstaaten sowie die "Zurückweisung ausnahmslos aller Versuche illegaler Einreise". Dies soll auch für Asylsuchende gelten. Wer vollziehbar ausreisepflichtig ist, soll "unmittelbar in Haft" kommen. Die Bundespolizei soll die Befugnis erhalten, selbst Haftbefehle für Abschiebehaft oder Ausreisegewahrsam zu beantragen.
Der Beschluss würde die Arbeit der Bundespolizei direkt betreffen. Doch wie genau, darüber sind sich die beiden größten deutschen Polizeigewerkschaften uneins. t-online hat nachgefragt.
Grenzkontrollen
Andreas Roßkopf ist Vorsitzender des Bereichs Bundespolizei der Gewerkschaft der Polizei (GdP). Er denkt, dass die von der Union geforderten dauerhaften Grenzkontrollen eine neue und intensivierte Art der Grenzkontrollen darstellen würden. "Das unterscheidet sich sehr stark von den Kontrollen, die wir derzeit durchführen", sagt er.
Um die 3.800 Kilometer deutschen Binnengrenzen flächendeckend zu überwachen, sei ein erhöhter Personalaufwand notwendig. "Wir bräuchten etwa 10.000 Kollegen mehr", sagt Roßkopf. Zudem eine moderne technische Ausstattung mit Drohnen, Kameras, Kontrollstellen sowie Fahndungswerkzeuge. "Das ist, wenn überhaupt, nur minimal vorhanden", sagt der GdP-Mann.
Doch selbst dann ließen sich die unzähligen offenen Wege und Straßen nicht vollständig überwachen. "Hundertprozentigen Schutz würde es nur geben, wenn wir Zäune bauen, aber das wollen wir nicht", sagt Roßkopf. Wenn die dauerhaften Grenzkontrollen eingeführt werden, "dann wird das für die Bundespolizei eine riesige Herausforderung", so der Gewerkschafter.
Heiko Teggatz, stellvertretender Bundesvorsitzender der Deutschen Polizeigewerkschaft (DPolG) widerspricht. Er sieht in den von Merz geforderten dauerhaften Grenzkontrollen keine Ausweitung der bereits angeordneten Maßnahmen. Innenministerin Nancy Faeser (SPD) habe bereits die Anweisung für Grenzkontrollen gegeben und damit die erforderliche Rechtsgrundlage geschaffen. "Wie wir kontrollieren, ist eine polizeitaktische Entscheidung", sagt Teggatz.
Und die Polizei sei jetzt bereits mit der Mischung aus stationären Grenzkontrollen, Polizeistreifen und der zivilen Schleierfahndung im Grenzgebiet "sehr erfolgreich". Von den nun geforderten "dauerhaften Grenzkontrollen" sieht er deshalb auch "keine Auswirkungen auf den Personaleinsatz". "Wir sind bereits jetzt hoch belastet, aber daran würde sich durch die Umsetzung der neuen Forderungen nichts ändern", sagt er.
Die Bundespolizei bräuchte schon seit Jahren mehr Personal, aber die Forderung der GdP für 10.000 zusätzliche Polizisten hält Teggatz für unrealistisch. Es sei schwierig, überhaupt genug Bewerber zu finden. Diese müssten dann auch noch die lange Ausbildung durchlaufen. Bis diese Kräfte tatsächlich eingesetzt werden könnten, "dauert das zehn Jahre", prognostiziert er.
Stattdessen hat Teggatz einen anderen Vorschlag. Derzeit sind an den deutschen Grenzen 53.000 Bundespolizisten eingesetzt. 5.000 weitere Beamte von der Bereitschaftspolizei unterstützen den Einsatz. Anstatt nun weitere Bundespolizisten anzustellen, "sollten wir uns auf Tarifbeschäftigte konzentrieren", fordert der DPolG-Vize. Diese müssten keine dreijährige Ausbildung durchlaufen, sondern könnten schneller angelernt werden und dann die Bundespolizei vor Ort unterstützen, meint er.
Zurückweisungen an der Grenze
Bislang können Menschen ohne gültige Dokumente an der Grenze nur abgewiesen werden, wenn sie kein Asyl beantragen oder eine Wiedereinreisesperre gegen sie vorliegt. Mit dem Fünf-Punkte-Plan hat der Bundestag nun ein Einreiseverbot für alle Menschen ohne gültige Einreisedokumente beschlossen, auch wenn sie ein Schutzgesuch äußern.
Dazu müsste Deutschland statt EU-Recht nationales Recht anwenden. Um das zu tun, muss eine erhebliche Gefahr für die innere Sicherheit bestehen. Die Union sieht das als gegeben an, Juristen streiten jedoch darüber. "Das sind politische Entscheidungen, die Bundespolizei kann das nicht bewerten", sagt GdP-Vertreter Roßkopf.
Doch derzeit würde Deutschland relativ viele Menschen hereinlassen, ohne direkt zu prüfen, ob sie bereits in einem anderen Land einen Asylantrag gestellt haben. Deshalb "ist klar, dass wir etwas tun müssen", sagt Roßkopf. Egal, wie die Politik entscheide, "das Wichtigste ist, dass die Kollegen klare, rechtlich einwandfreie Verhältnisse bekommen und für mehr Ausstattung und Personal gesorgt ist", so der Gewerkschafter.
Heiko Teggatz von der Deutschen Polizeigewerkschaft bezeichnet die Diskussion um Zurückweisungen als "hochspannend". "Ich bin ein absoluter Befürworter, Menschen abzuweisen, die keine Erlaubnis haben, einzureisen", sagt er. Die Menschen würden aus anderen, sicheren EU-Staaten kommen und auch dorthin zurückgeschickt werden. "Die Bundesrepublik weist ja in keine Schurkenstaaten zurück", sagt Teggatz.
Der ganze Fünf-Punkte-Plan der Union stößt beim DPolG-Vertreter auf große Zustimmung. Seine Gewerkschaft habe schon vor Monaten ähnliche Forderungen aufgestellt, "in einem Katalog mit zehn drastischen Maßnahmen für eine Kehrtwende in der Migrationspolitik", erklärt Teggatz. Dass die Union diese nun aufgegriffen habe, "freut uns ungemein", sagt er.
Bundesausreisezentren
Eine Forderung der Union, bei der sich beide Gewerkschaftler in ihrer Bewertung noch zurückhalten, sind die Bundesausreisezentren. Die sollen nach dem Wunsch von Friedrich Merz geschaffen werden, um ausreisepflichtige Straftäter und Gefährder in einem unbefristeten Ausreisearrest zu behalten, bis sie freiwillig in ihr Heimatland zurückkehren oder die Abschiebung vollzogen werden kann.
Wie viele solcher Zentren nötig wären und wo sie entstehen müssten, ist jedoch unklar. GdP-Vertreter Roßkopf wiegelt Fragen dazu ab, das sei alles noch "hochspekulativ".
Derzeit befinden sich 220.000 ausreisepflichtige Menschen in Deutschland, 42.000 davon haben keine Duldung und könnten unmittelbar abgeschoben werden. Das Problem dabei: "Wir treffen die Menschen nicht an", erklärt Roßkopf. In Deutschland gibt es nur 750 Abschiebehaftplätze, die allermeisten ausreisepflichtigen Menschen können sich frei bewegen.
Das hält auch Heiko Teggatz für ein großes Problem. "Erst wenn ein Asylantrag abgelehnt wurde, fangen die Behörden an, eine Abschiebung zu organisieren." Die Betroffenen seien in dieser Zeit auf freiem Fuß. Es sei jedoch unmöglich, Abschiebehaftplätze für alle 42.000 Betroffenen zu schaffen, räumt Teggatz ein.
Seiner Meinung nach sollten sich die geforderten Bundesausreisezentren an den Ankerzentren orientieren, die bereits in Bayern, Sachsen und dem Saarland existieren. "Das ist im Prinzip nichts anderes", sagt der Gewerkschafter. Sie sollten als "Ankerzentren Plus" aufgebaut sein und wie ein offener Vollzug funktionieren. Dort sollten Menschen untergebracht werden, während über ihren Antrag auf Asyl entschieden wird. Würde dieser abgelehnt, müssten die Betroffenen in den Zentren bleiben und könnten dann nicht "in ihrer Verzweiflung schwere Straftaten begehen", erklärt Teggatz.
- Gespräch mit Heiko Teggatz
- Gespräch mit Andreas Roßkopf
- Mit Material der Nachrichtenagentur dpa