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AfD jubelt über Merz-Vorstoß: "Da sagen wir natürlich nicht Nein!"


Jubel über Merz-Vorstoß
Bei der AfD knallen die Sektkorken


24.01.2025 - 19:28 UhrLesedauer: 6 Min.
Alice Weidel: Die AfD-Kanzlerkandidatin kann sich über einen Zuschuss für ihre Wahlkampfkasse freuen.Vergrößern des Bildes
Alice Weidel: Hatte am Freitag Grund zur Freude. (Quelle: Fabian Bimmer)
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Nach einem Vorstoß von CDU-Chef Merz könnte die AfD erstmals für Mehrheiten im Bundestag sorgen. Experten warnen eindringlich davor, AfD-Funktionäre jubeln.

Die AfD jubelt. "Liebe Freunde, das kann eine Revolution werden", freut sich Bernd Baumann, Erster Parlamentarischer Geschäftsführer der AfD, am Freitagmittag in einem Video auf der Plattform X. Nur wenige Minuten später postet AfD-Chefin Alice Weidel: "Die Brandmauer ist gefallen!"

So weit ist es nicht. Tatsächlich aber ist die in weiten Teilen rechtsextreme AfD einem für sie wichtigen Ziel so nah wie noch nie: die Brandmauer im Bundestag zumindest ein Stück weit zu überwinden. Sie hofft seit Freitag darauf, bei einem, vielleicht sogar mehreren wichtigen Anträgen entscheidend mitstimmen zu können – zum ersten Mal im höchsten Parlament überhaupt. Und damit einen für sie so zentralen Schritt auf dem langen Weg zu tun, an dessen Ende eine Regierungsbeteiligung der AfD stehen soll. Dabei tritt die AfD aktuell so radikal auf wie nie – das hat ihre Chefin Alice Weidel in den vergangenen Wochen gleich mehrfach bewiesen.

Weidels Co-Chef Tino Chrupalla bleibt in der Wortwahl noch zurückhaltender, träumt aber schon vom nächsten Schritt auf diesem Weg: Die Brandmauer falle noch nicht, wenn CDU und CSU Anträge "kopieren und um unsere Zustimmung werben", sagt er t-online. "Sie fällt erst, wenn die anderen Fraktionen im Bundestag unseren Anträgen auch zustimmen."

Groß also sind Hoffnung und Vorfreude – und doch nicht ungetrübt. So mancher in der AfD bleibt grundlegend misstrauisch: Was, wenn es in der kommenden Sitzungswoche doch nicht so kommt?

Merz' Kehrtwende überrascht die AfD

Den aktuellen Jubel der AfD ermöglicht Friedrich Merz, Kanzlerkandidat von CDU und CSU. Der will in Migrationsfragen unbedingt handeln, nachdem ein ausreisepflichtiger Afghane in Aschaffenburg ein Kleinkind und einen Mann getötet hat. Am Freitagmorgen gibt er die Zügel frei: Anträge zur Migration will seine Fraktion einbringen, kündigt er an. Und es soll ganz egal sein, wer dafür stimmt. Das heißt: auch, wenn es die AfD ist. Hauptsache es gibt eine Mehrheit. (Zu Merz' Kalkül und den Hintergründen bei der CDU lesen Sie hier mehr.)

Diese Mehrheit zu erreichen ist im Bundestag bei den Vorschlägen, die Merz offenbar vorschweben, nicht einfach: Die FDP zeigt sich zwar offen. Doch das ist nicht genug. Sollten SPD, Grüne und Linke sie ablehnen, bräuchte es schon die gesamte AfD-Fraktion und noch einige weitere Abgeordnete - zum Beispiel aus dem BSW oder der Reihe der Fraktionslosen. Auch die meisten Fraktionslosen gehören der AfD an, nur nicht mehr der Fraktion.

Für die AfD kommt Merz‘ Vorstoß überraschend. Am Donnerstag schließlich hat AfD-Chefin und -Kanzlerkandidatin Weidel noch einen offenen Brief an Merz gerichtet. Und ihn darin genau dazu aufgefordert: Gemeinsam vorzugehen, schon in der nächsten Sitzungswoche für Anträge gemeinsam zu stimmen.

Die Union schlug den Vorstoß als "vergiftetes Angebot der AfD" am Donnerstag zunächst aus. Am Morgen danach aber sendet Merz das neue Signal, das Weidel frohlocken lässt: "CDU und CSU haben mein Angebot angenommen, in der Schicksalsfrage der Migration im Bundestag gemeinsam mit der AfD zu stimmen."

Von Storch: "Wir stimmen zu"

Das stimmt so zwar nicht. Doch genau darauf könnte es hinauslaufen, ändert Merz nicht doch noch seinen Kurs. "Uns ist völlig egal, von wem der Antrag kommt. Wir stimmen zu", sagt AfD-Fraktionschefin Beatrix von Storch t-online mit Blick auf mögliche Verschärfungen in der Migrationspolitik. "Uns geht es um die Sache – anders als den anderen, denen geht es um die Brandmauer."

Stephan Brandner, Zweiter Parlamentarischer Geschäftsführer der AfD, sieht es ähnlich: "Wir werden uns die Vorlagen genau ansehen", sagt er zu t-online. "Aber vermutlich wird es das sein, was wir seit Langem fordern und wofür wir immer angegriffen wurden. Natürlich stimmen wir dann wohl zu."

Tatsächlich wandeln CDU und CSU spätestens seit einer Messerattacke in Solingen im August 2024 mit ihren Gesetzesvorstößen auf Pfaden, wie sie zuvor eher die AfD beschritten hat. Ein Beispiel: die Forderung nach der Zurückweisung aller Asylbewerber an den Grenzen, die über Drittstaaten der EU nach Deutschland einreisen wollen.

AfD hofft auf CDU-Antrag, der die Grenzen dicht macht

Rechtlich sind solche Zurückweisungen hochumstritten, Klagen und Prozesse wären programmiert. Und es würden enorme Zerwürfnisse mit anderen EU-Mitgliedsstaaten drohen, womöglich sogar ein Domino-Effekt, der das gesamte Asylsystem der EU aus den Angeln heben könnte. SPD, Grüne und in ihrer Ampelzeit auch die FDP lehnten das Vorhaben deswegen bisher ab.

Die AfD aber forderte das schon vor der Union. Am Donnerstag nannte Merz den Schritt dann als ersten Punkt in seinem Fünf-Schritte-Plan - allerdings erst für den Fall, dass er Kanzler wird.

Für AfD-Politikerin von Storch ist es dennoch einer von zwei zentralen Anträgen, auf die sie nun schon in der nächsten Woche von der CDU hofft: Am wichtigsten seien Zurückweisungen an den Grenzen und die "Abschiebung aller Ausreisepflichtigen", sagt sie. "Es muss heißen: Keiner kommt rein und die Illegalen kommen raus."

Würde die CDU Anträge nun nur dank Unterstützung der AfD durchbringen, wäre die AfD zum ersten Mal das "sogenannte Zünglein an der Waage", sagt Stephan Brandner. Für ihn folgt daraus ein "klares Zeichen": Nämlich, dass die CDU mit "ihrem komischen Brandmauer-Gequassel" ein Problem habe und es die AfD brauche für vernünftige Politik. "Da sagen wir natürlich nicht Nein, das wäre prima."

Auch von Storch sieht wie Brandner, Weidel und Baumann damit das Ende der Brandmauer. "In der Sache" werde dann schließlich abgestimmt, "was die AfD die ganze Zeit schon will".

"Brandmauer-Tote": AfD attackiert die CDU scharf

Die CDU freilich sieht die AfD trotzdem als Hauptverursacherin aller Migrationsprobleme. Merz‘ jetziges Einlenken wird daran nichts ändern – ganz im Gegenteil: Es dürfte die Kritik der AfD noch verstärken.

Und die bringt die AfD mit gewohnt harten Worten und Sätzen an: Von "Brandmauer-Toten" sprechen und twittern viele AfD-Funktionäre – auch Brandner und von Storch - mit Blick auf jene, die bei Terroranschlägen oder Messerattacken in den vergangenen Jahren ihr Leben ließen ohnehin schon länger. Seit diesem Freitag hat sich das noch einmal verstärkt.

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Denn die gehen aus Sicht der AfD auf ein Konto: das der CDU, die unter der ehemaligen Kanzlerin Angela Merkel in der Flüchtlingskrise 2015/2016 für Mitgefühl und Aufnahme plädierte. Merkel ist ein zentrales Feindbild der AfD, die Kritik an ihrer Politik hat erst zur Gründung der AfD geführt.

Dass Merz, der Merkel nie nahestand, nicht schon länger eingeschwenkt hat, wird die AfD ihm laut vorwerfen. "Man hätte schon viel früher umsteuern können", kritisiert von Storch.

Experte warnt vor "Bruch in der politischen Kultur"

Extremismusforscher und Sozialwissenschaftler David Begrich hofft auf die Vernunft der CDU. Schon lange bröckele die Brandmauer “von unten“, nicht nur die CDU interagiere in Kommunal- und Landesparlamenten immer wieder mit der AfD. Das sei ein "prozesshafter Vorgang", der aber nicht im Bundestag fortgeführt werden dürfe.

"Die Brandmauer muss befestigt werden – und nicht von oben torpediert", sagt Begrich t-online. "Was Merz erwägt, wäre ein Bruch in der politischen Kultur dieses Landes."

Zugleich hofft er, dass es so schlimm gar nicht kommen wird. Er verweist auf AfD-Funktionäre wie Maximilian Krah, der in mündlichen Äußerungen sowie seinem Buch "Politik von rechts" die CDU als Hauptgegner der AfD ausgemacht hat. Die Konservativen müssen demnach zunächst geschwächt und dann beseitigt werden. "Die politische Rechte kommt nur dann zum Erfolg, wenn die Christdemokraten verschwinden", sagte Krah vor der EU-Wahl 2024 mit Blick auf die Entwicklung in anderen europäischen Ländern.

Hoffnungen auf den "Selbsterhaltungstrieb der CDU"

Extremismusforscher Begrich glaubt, dass es in der CDU einige gibt, die wissen, dass das Ziel der AfD lautet: "die CDU zerstören, um sich selbst zu stabilisieren". Er glaube deswegen noch nicht, dass es in der nächsten Sitzungswoche tatsächlich zu einer gemeinsamen Abstimmung kommt. "Schon der Selbsterhaltungstrieb der CDU sollte das eigentlich verhindern."

Und auch die AfD-Funktionäre bleiben skeptisch – nennen allerdings andere Gründe. Mancher glaubt, dass die CDU es vielleicht doch schafft, nun Mehrheiten ohne die AfD zu erzwingen – und die Stimmen der AfD so gar nicht ins Gewicht fallen.

Andere fürchten, dass die Anträge in Ausschüsse verwiesen werden und dort bis zur Bundestagswahl begraben werden könnten. Diese Möglichkeit sieht auch der Thüringer AfD-Funktionär Brandner. Gut wäre es, wenn es zur Abstimmung käme, sagt er. "Allein mir fehlt der Glaube."

Verwendete Quellen
  • Eigene Recherchen
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