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Zum journalistischen Leitbild von t-online.Diskussion um Schwarz-Grün Ihm bleibt nichts anderes übrig
Eigentlich will Friedrich Merz im Wahlkampf nicht über Koalitionspartner sprechen. Die CSU aber schon. Dort schließt man eine Zusammenarbeit mit den Grünen weiterhin aus. Der CDU-Chef bleibt dennoch gelassen. Zu Recht?
Fast hatte man gedacht, Markus Söder könnte doch noch einlenken. Nachdem der bayerische Ministerpräsident und CSU-Chef eine Koalition mit den Grünen über Monate klipp und klar ausgeschlossen hatte, ließen seine Aussagen zuletzt aufhorchen. Plötzlich sagte Söder in der ARD-Talksendung "Maischberger" über ein Bündnis mit den Grünen: "Wenn zum Beispiel Robert Habeck seinen sofortigen Rücktritt erklären würde, gar nicht mehr mitmachen würde – wer weiß, wie die Lage sich ergibt." Oder im Interview mit dem "Stern": "Der Satz von Friedrich Merz ist eindeutig: Mit diesen Grünen geht es nicht." Auch von einem Veto der CSU gegen schwarz-grün war zuletzt nicht mehr die Rede.
Bereitet hier einer seine politischen Kehrtwende vor? Es wäre bei Söder nicht das erste Mal. Zumal ihn der CDU-Vorsitzende Friedrich Merz mehrfach und auch öffentlich darum gebeten hatte, in Sachen Koalitionspartner nichts auszuschließen. Man wolle nach der Bundestagswahl mit allen demokratischen Parteien der Mitte reden und dann sehen, wo es die meisten Schnittmengen gebe, hat es immer wieder vonseiten der CDU geheißen. War es Merz also wirklich gelungen, die CSU, gar Markus Söder, zu zähmen?
Wie Merz versucht, die CSU zu ignorieren
Natürlich nicht. Es dauerte nur wenige Tage, bis Söders Leute den Eindruck korrigierten, der Chef könne doch noch über eine Zusammenarbeit mit den Grünen nachdenken. "Es gibt nur diese einen Grünen", sagte etwa der CSU-Generalsekretär Martin Huber im Gespräch mit t-online, als es um diese Frage ging. Deshalb bleibe man dabei: "reden ja, koalieren nein". Auch andere aus den Reihen der CSU schütteln den Kopf, wenn man danach fragt, ob es sich hier um ein "Nein" mit Hintertür handelt. Es sei inhaltlich einfach undenkbar, wie CDU/CSU und Grüne auf einen Nenner kommen sollen, betont sie in den Reihen der Christsozialen immer wieder. Auch, wenn man nach der Bundestagswahl mit allen reden werde, sei schon jetzt klar: Mit Robert Habeck und seiner Mannschaft funktioniere es nicht.
Das macht die Lage für Merz gar nicht so einfach. Denn wenn die CSU die Tür zu den Grünen schon jetzt zumacht, kann er sich eigentlich mit einem Blankoscheck vor die Parteizentrale der SPD stellen. Das macht seinen Verhandlungsspielraum für den Fall, dass die Union die Wahl gewinnt, deutlich kleiner. Mal abgesehen davon, dass Stand jetzt noch gar nichts entschieden ist. Die Umfragewerte mögen eine klare Tendenz aufzeigen, doch erfahrene Wahlkämpfer in der Partei wissen, wie schnell sich die Lage drehen kann. Die Bundestagswahl 2021 und der gescheiterte Spitzenkandidat Armin Laschet haben das in aller Deutlichkeit gezeigt. Damals hat die SPD die Union auf den letzten Metern überholt.
Bislang versucht der CDU-Vorsitzende, die Querschüsse aus Bayern mit einem freundlichen Lächeln zu ignorieren. Nach dem Motto: Die werden sich schon noch einreihen. Doch wer Söder kennt, weiß, dass der Gedanke nicht nur optimistisch ist, sondern auch ziemlich gefährlich sein kann.
Merz findet: Es gibt auch Gemeinsamkeiten mit den Grünen
Tatsächlich ist Merz eine Zusammenarbeit mit den Grünen gar nicht so unlieb. Zwar äußert auch er immer wieder Skepsis, wenn es um eine mögliche Koalition geht, dennoch zeigt der Sauerländer sich weiter offen. Ausschließen will Merz zumindest nichts.
Persönlich scheint sich der CDU-Vorsitzende mit dem oder der ein oder anderen durchaus gut zu verstehen. Seien es die ehemaligen Parteichefs Omid Nouripour und Ricarda Lang oder die Außenministerin Annalena Baerbock – Merz pflegt zu einigen Spitzenpolitikern der Grünen regelmäßigen Kontakt. Wie t-online erfuhr, wollte Merz schon vor einigen Monaten gemeinsam mit Nouripour an einem Treffen der sogenannten Pizza Connection teilnehmen, dem Gesprächskreis zwischen den Abgeordneten beider Parteien im Bundestag. Seit dem Ampelbruch soll Merz die Spitze der Grünen regelmäßig kontaktieren. Offenbar auch, damit sich das Bild einer Großen Koalition (also einer Koalition aus CDU/CSU und SPD) nicht zu sehr verfestigt.
Hinzu kommt, dass Merz inhaltlich sehr wohl Schnittmengen mit den Grünen sieht. Der "Bild" sagte der CDU-Chef kürzlich: "In der Außen- und Sicherheitspolitik gibt es sicher mit den Grünen mehr Gemeinsamkeiten als mit der SPD." Der CDU-Chef betonte zwar, dass es mit Blick auf die Wirtschaftspolitik einen grundlegenden Kurswechsel brauche und die Union dort bislang "ganz anderer Meinung" sei als die Grünen. Allerdings klingt das mehr nach einer Bedingung als nach einem Ausschluss. Merz dürfte dabei im Hinterkopf haben, dass es auch zwischen Grünen und SPD so einige Meinungsverschiedenheiten gibt: bei der Ukraine-Politik, aber auch beim Bürgergeld oder der Schuldenbremse. Zudem sind die von Merz geplanten Veränderungen der Zuschnitte bei den Ministerien mit der SPD nur schwer denkbar. Etwa will der CDU-Vorsitzende das Thema Arbeit aus dem Sozial- in das Wirtschaftsministerium schieben.
Ist die Wahl schon gewonnen?
In der CDU sind sie dieser Tage fast etwas genervt, wenn es um die Frage geht, wie man mit der CSU und dem Ausschluss von schwarz-grün umgehen will. Der Erste Parlamentarische Geschäftsführer Thorsten Frei argumentierte etwa am Dienstagmorgen, dass derzeit der falsche Zeitpunkt sei, um sich mit Koalitionen zu beschäftigen. "Ich würde dringend dazu raten, dass wir uns voll auf die Arbeit konzentrieren", so Frei während eines Gesprächs mit Journalisten im Bundestag. Man müsse nach der Wahl sehen, mit welchen Partnern sich eine Politikwende erreichen lasse. "Auf dem Weg dahin würde ich nicht allzu viel ausschließen", sagte der CDU-Politiker.
Andere Christdemokraten sehen das ähnlich. Jetzt schon über Koalitionen zu sprechen, halten viele von ihnen für falsch. Man müsse sich jetzt voll und ganz auf die bevorstehende Wahl konzentrieren, heißt es dort immer wieder.
Wie aber will die CDU, will Merz, die CSU davon abhalten, in dieser Frage weiter Dampf zu machen? Tatsächlich bleibt dem Kanzlerkandidaten Merz kaum etwas übrig, außer das Thema wegzulächeln. Andernfalls droht er selbst in Konflikt mit Söder und der CSU zu geraten. Und wie das ausgehen kann, hat schon die Bundestagswahl 2021 gezeigt.
- Eigene Recherche