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Zum journalistischen Leitbild von t-online.Schutz im Kriegsfall? Faesers düstere Botschaft
In der rot-grünen Restregierung eskaliert der Krach um die Ukraine-Politik. Da kommt Nancy Faeser mit einer vermeintlich düsteren Botschaft.
In der SPD wird gerade viel gewarnt. Nicht nur vor der CDU und deren Chef Friedrich Merz. Auch vor einem möglichen Krieg mit Russland. Beides hängt miteinander zusammen, wie die politische Konkurrenz der Sozialdemokraten meint. Am deutlichsten artikulierte dies nun der Grünen-Außenexperte Anton Hofreiter, ausgerechnet ein Mitglied der rot-grünen Restregierung.
"Der Kanzler spielt mit Ängsten in der Bevölkerung, um die Wahl zu gewinnen", sagte Anton Hofreiter, der Vorsitzende des Europaausschusses im Bundestag, dem "Tagesspiegel". "Ein solch absolut unverantwortliches Gerede, das am Ende nur Kremlchef Wladimir Putin hilft, können wir Grüne als Koalitionspartner nicht akzeptieren".
Scholz hatte auf der sogenannten "Wahlsieg"-Konferenz der SPD am Samstag davor gewarnt, dass mit der "Nuklearmacht" Russland kein "russisch Roulette" gespielt werden dürfe. Hofreiter warf dem Bundeskanzler nun vor, er verkehre "mit Hinweisen auf die Atommacht Russland seine vermeintliche Besonnenheit ins Gegenteil und schadet damit auch der Sicherheit Deutschlands".
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Auch andere Grünen-Spitzenpolitiker machten der Scholz-SPD Vorwürfe im Hinblick auf den Ukraine-Kurs. "Es wäre wirklich besser, sich zu besinnen, die Ukraine ausreichend zu unterstützen und damit auch unsere Sicherheit zu schützen und einen nachhaltigen Frieden auf den Weg bringen zu können", schrieb Grünen-Bundestagsvizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt bei X. Und die neue Grünenfraktionsvize Franziska Brantner warf Scholz vor, jüngst nicht an einem Treffen der nordischen und baltischen Staatschefs teilgenommen zu haben: "Wir haben hier eine Verantwortung in Europa."
Warn-Apps: Erfolg überschaubar
In diese aufgeheizten Stimmung innerhalb der Koalition platzte am Sonntag SPD-Innenministerin Nancy Faeser mit der Aussage, Deutschland habe zu wenig Schutzbunker. Im Ernstfall sei das Land nicht ausreichend gewappnet, um den Bürgern genügend Schutzunterkünfte zur Verfügung zu stellen. Man arbeite daher an einem Schutzkonzept, dieses sei aber noch nicht fertig, sagte sie dem "Handelsblatt".
Es gehe in dem Konzept darum, "gut erreichbare Zufluchtsorte wie Tiefgaragen, U-Bahn-Stationen oder Keller von öffentlichen Gebäuden" zu erreichen. Dies solle auch mithilfe von Navigations- und Warn-Apps geschehen.
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Bereits während der Coronakrise hatte es eine Warn-App gegeben, deren Nutzung der Bevölkerung von der Bundesregierung empfohlen worden war. Über deren Erfolg gibt es bis heute keine validen Erkenntnisse. Politiker kritisierten jedoch schon unmittelbar nach der Außerdienststellung der App im Jahr 2023, dass der Erfolg des Hilfsmittels angesichts seiner hohen Kosten – letztlich schlugen Entwicklung und Einführung der App mit 220 Millionen Euro zu Buche – überschaubar gewesen sei.
Doch die App soll nur ein Baustein der Schutzraum-Strategie sein. Wie Faeser betonte, gehören dazu auch der Ausbau privater Schutzeinrichtungen. "Außerdem geben wir Hinweise, wie man mit einfachen Mitteln auch eigene Keller schützen kann", sagte die Innenministerin. Genau dies hatte Faeser schon im Frühjahr 2022 gesagt, unmittelbar nach dem völkerrechtswidrigen Einmarsch der Russen in die Ukraine und der Ankündigung einer "Zeitenwende" durch Olaf Scholz.
Faeser: "Wir arbeiten daran"
"Die Zeitenwende, die wir durch den Krieg erleben, erfordert, dass wir den Schutz auch vor militärischen Bedrohungen erheblich stärken müssen", sagte sie damals der "Welt am Sonntag". Ähnlich sah das im Jahr 2022 der Städte- und Gemeindebund, die Interessenvertretung der Kommunen in Deutschland. Deren Hauptgeschäftsführer André Berghegger sagte damals den Zeitungen der "Funke"-Mediengruppe: "Jetzt kommt es nicht nur darauf an, die Bundeswehr verteidigungsfähig zu machen. Es geht ganz allgemein um den Schutz der Bevölkerung vor kriegsbedingten Gefahren."
Von den einst rund 2000 öffentlichen Schutzräumen und unterirdischen Bunkern, die in Deutschland existieren, sind noch 579 als solche im nationalen Bunker-Plan ausgezeichnet. "Diese Anlagen sind jedoch weder funktions- noch einsatzbereit", erklärt die Bundesanstalt für Immobilienaufgaben (Bima) in einem neuen Bericht.
Der Präsident des Bundesamts für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe (BKK), Ralph Tieser, hatte vor Monaten schon darauf hingewiesen, dass Konzepte zur Verbesserung des Bevölkerungsschutzes auf Länderebene vorliegen und auf ihre Umsetzung warten. "Bereits 2018 hat das BBK eine Ausstattungsoffensive gestartet, um Spezialtechnik für den Zivilschutz in den Bereichen Brandschutz, CBRN-Gefahren, Sanität und Betreuung zu konzipieren und zu beschaffen. Konzeptionell sind wir schon sehr weit", so Tieser zu "Kommunal.de".
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Das Problem sei vielmehr, dass die für den Zivilschutz benötigten Mittel bis heute nicht zur Verfügung stünden, so der BKK-Präsident, dessen Behörde dem Innenministerium von Faeser unterstellt ist. Dabei sollten laut Haushaltsentwurf der Bundesregierung für das Jahr 2023 für das BKK zusätzliche 146 Stellen geschaffen werden, um "unter anderem die Warnstrukturen in den Ländern weiter modernisieren und die Notstromversorgung der kritischen Infrastruktur verbessern" zu können, wie es hieß.
Auch Ende 2024 noch kein tragfähiges Schutzkonzept
Allerdings übte der Bundesrechnungshof bereits Ende 2021, also kurz vor dem russischen Überfall auf die Ukraine, auf "konzeptionelle und inhaltliche Schwächen" der Pläne des BKK hin. "Es erscheint fraglich, ob mit den geplanten Projekten das Ziel erreicht werden kann, den Bevölkerungsschutz zu stärken und das BBK neu auszurichten", so das Urteil der Rechnungsprüfer.
Trotz der zum Teil seit Jahren bekannten Defizite und politischen Warnungen ist Faesers Innenministerium auch Ende 2024 offenbar noch damit beschäftigt, ein bundesweites Schutzkonzept umzusetzen. "Wir arbeiten daran. Aber wir können Versäumnisse von Jahrzehnten nicht innerhalb weniger Jahre aufholen", sagte Faeser dem "Handelsblatt". Unterdessen hat die Bedrohungslage auch für Deutschland stetig zugenommen, wie die SPD-Politikerin einräumt.
Trotz des besonnenen Handelns des Bundeskanzlers verschärfe das Gewaltregime Putins die Angriffe auf den Westen, auch auf Deutschland. Vor der Europawahl hätten die Sicherheitsbehörden zusammen mit europäischen Partnern eine massive russische Einfluss- und Lügenkampagne aufgedeckt, so Faeser. "Aber wir sehen natürlich, dass die hybride Bedrohungslage zunimmt. Deswegen müssen wir uns auch ganz anders aufstellen und schützen", so Faeser weiter.
- tagesspiegel.de: Grüne gehen auf Distanz zum Kanzler: "Scholz spielt mit Ängsten in der Bevölkerung, um zu gewinnen"
- welt.de: "Es darf keine Flüchtlinge erster und zweiter Klasse geben" (kostenpflichtig)
- swr.de: Zivilschutz. So steht es um die Bunker in Deutschland
- tagesschau.de: Warnfunktion abgestellt. Wie erfolgreich war die Corona-App?
- mdr.de: Schutz der Bevölkerung im Kriegsfall. Städtebund und Verteidigungsminister fordern Reaktivierung von Schutzräumen
- bundesrechnungshof.de: Bericht zur Neuausrichtung des Bundesamtes für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe
- newyorker.com: The Cold War Bunker That Became Home to a Dark-Web Empire (kostenpflichtig)
- spiegel.de: Behörden planen neue Bunker für Deutschland
- bundestag.de: Inneres. Kritik an Kürzungen im Etat von Innenministerin Nancy Faeser
- kommunal.de: Kriegsgefahr. Eine völlig veränderte Sicherheitslage in Deutschland
- Mit Material der Nachrichtenagentur dpa