t-online - Nachrichten für Deutschland
t-online - Nachrichten für Deutschland
Such IconE-Mail IconMenü Icon



HomePolitikDeutschlandInnenpolitik

Brandenburg-Wahl: Die wichtigsten und bitteren Erkenntnisse der Parteien


Erkenntnisse nach der Brandenburg-Wahl
Das muss ihnen eine Heidenangst einjagen


Aktualisiert am 22.09.2024 - 19:18 UhrLesedauer: 6 Min.
Nachrichten
Wir sind t-online

Mehr als 150 Journalistinnen und Journalisten berichten rund um die Uhr für Sie über das Geschehen in Deutschland und der Welt.

Zum journalistischen Leitbild von t-online.
Vor der Landtagswahl in Brandenburg - Wahlkampfabschluss GrüneVergrößern des Bildes
Annalena Baerbock: Die Grünen verlieren bei der achten Wahl in Folge an Zustimmung. (Quelle: Michael Bahlo/dpa/dpa-bilder)

Brandenburg hat gewählt. Die SPD wird wohl weiterhin den Ministerpräsidenten stellen. Doch was bedeutet das Ergebnis für die Parteien?

Die SPD mit Dietmar Woidke an der Spitze wird wohl weiter Brandenburg regieren. In welcher Koalition? Erst im Laufe des Abends wird sich herausstellen, was möglich ist – auch weil ein Direktmandat für eine Partei ausreicht, um in den Landtag einzuziehen und die Mehrheiten durcheinanderzuwirbeln.

Doch die Wahl in Brandenburg hält für alle Parteien schon jetzt Erkenntnisse für den beginnenden Bundestagswahlkampf bereit. Manche sind bitter.

SPD: Woidkes Sieg – Scholz' Verschnaufpause

Dietmar Woidke hat alles auf eine Karte gesetzt – und offensichtlich gewonnen. Die SPD geht den ersten Hochrechnungen zufolge als stärkste Kraft aus der Wahl hervor und wird wohl auch die nächste Regierung anführen. Ein doppelter Triumph, der vor allem mit einem Mann zu tun hat: Dietmar Woidke.

Die Brandenburger SPD hatte ihren Wahlkampf komplett auf ihn zugeschnitten. So sehr, dass manche Wahlplakate die SPD nicht einmal erwähnten. Zugleich grenzte sich Woidke maximal von der unbeliebten Ampel ab. Woidke erklärte Olaf Scholz de facto zur Persona non grata, verbat sich Auftritte des Kanzlers im Wahlkampf. Auch politisch setzte Woidke auf einen Anti-Ampel-Kurs, etwa in der Migrations- und Innenpolitik.

Video | Woidke: "Es war ein hartes Stück Arbeit"
Player wird geladen
Quelle: t-online

Klar ist: Woidke gewann nicht wegen, sondern trotz Scholz. Und doch kann der Kanzler, der gerade im fernen New York weilt, ein wenig aufatmen. Denn die Wahl galt als letzter großer Stimmungstest in der Frage, ob die SPD mit Scholz als Kanzlerkandidat in die Bundestagswahl 2025 zieht. Nicht wenige Genossen zweifeln an den Siegchancen des Kanzlers und hoffen insgeheim auf den Umfragekönig Boris Pistorius.

Der Punktsieg in Potsdam dürfte eine offene Revolte der SPD gegen Scholz vorerst verhindern. Und doch ist es für den Kanzler nur eine Verschnaufpause. Scholz hängt weiter im Umfragetief, die Ampel wirkt von Woche zu Woche instabiler. Sollte sich die Stimmung im Land nicht merklich drehen, muss Scholz in der K-Frage bangen. Denn die Geduld der Genossen ist endlich.

AfD: Radikal erfolgreich

"Wir haben sie getrieben" – So feierte Brandenburgs AfD-Spitzenkandidat Hans-Christoph Berndt am Sonntagabend noch vor Verkündung der ersten Prognosen. Und auch AfD-Chefin Alice Weidel sagte, egal wie das Ergebnis ausfiele: "Wir sind die heutigen Sieger".

Loading...
Symbolbild für eingebettete Inhalte

Embed

Tatsächlich kann die AfD als größten Erfolg für sich verbuchen, dass vor allem ein Thema den Wahlkampf beherrschte: Migration. Dieses Thema wurde auch von den anderen Parteien mit immer härteren Forderungen bespielt. Für die AfD ist das die perfekte Ausgangslage, auch für die Bundestagswahl 2025.

Als neue Volkspartei im Osten hat sie sich mit erheblichen Zugewinnen in Thüringen, Sachsen und jetzt Brandenburg etabliert. Nun setzt sie ihren Fokus auf den Westen. Der darf sich gefasst machen auf äußerst radikale Forderungen und hoch motivierte Wahlkampfhelfer – auf den Marktplätzen und noch mehr in den sozialen Netzwerken. Härter, jünger, noch angriffslustiger: Nach dem Experimentierfeld Ostdeutschland will die AfD testen, wie weit sich die gesamte Bundesrepublik nach rechts verschieben lässt.

CDU: Reines Ampel-Bashing reicht nicht

Die CDU hat einmal mehr deutlich zu spüren bekommen, dass reine Ampel-Kritik im Wahlkampf nicht ausreicht, um von sich selbst zu überzeugen. Auf die Frage, warum ihn die Menschen in Brandenburg wählen sollten, hatte CDU-Spitzenkandidat Jan Redmann jenseits dessen nicht so richtig viel anzubieten.

Die Wahlplakate zierte vor allem der Spruch "Ampel aus, Vernunft ein". Das ist schon allein aus dem Grund schwierig, weil es sich hier um eine Wahl auf Landes- und nicht auf Bundesebene handelte. Und welches Angebot die CDU machen will, weiß danach auch keiner. Hinzu kommt der fehlende Amtsbonus, der sich, wie so oft, auf den letzten Metern bemerkbar gemacht hat.

Für CDU-Chef Friedrich Merz dürfte das schwache Wahlergebnis seiner Partei in Brandenburg bereits im Vorfeld absehbar gewesen sein – auch wenn er kaum damit gerechnet haben dürfte, dass es dermaßen schlecht ausgeht. Dennoch dürfte dem CDU-Chef spätestens mit der Entscheidung, die eigene Kanzlerkandidatur vor der Brandenburg-Wahl zu klären, bewusst gewesen sein, dass Redmann kein historischer Wahlsieg gelingen wird. Zumal es durchaus geschickt war, die Kandidatenfrage vorher zu klären. Es jetzt im Anschluss zu machen, wäre für Merz deutlich schwerer geworden.

BSW: Ohne Promis, ohne Basis und trotzdem eine Bank

Robert wer? Den Spitzenkandidaten des BSW in Brandenburg – Robert Crumbach – kannten laut Umfragen lediglich 62 Prozent der Brandenburger. Damit liegt er sogar hinter dem Spitzenkandidaten der FDP, was angesichts des desaströsen Ergebnisses der Liberalen tatsächlich eine bemerkenswerte Leistung ist. Und doch schafft es das BSW in Brandenburg zum dritten Mal in Folge, aus dem Stand auf ein zweistelliges Ergebnis zu kommen – ein großer Erfolg für eine Partei, die sich erst vor knapp zehn Monaten offiziell gegründet hat.

Trumpf dieser Partei ist und bleibt dabei Sahra Wagenknecht. Sie kennen alle, viele wählen nur ihretwegen das nach ihr benannte Bündnis – obwohl das fast nirgends eine Mitgliederbasis und damit Personal hat: Gerade einmal 900 BSW-Mitglieder gibt es nach t-online-Informationen bundesweit. Doch Wagenknecht scheint es in der kurzen Zeit geschafft zu haben, für eine Politik zu stehen, die Änderung verspricht. Weg von der Ampel in Berlin, weg vom Krieg in der Ukraine und weg vom "Weiter so".

Wohin der Weg von Wagenknecht führt, ist vielen vermutlich weniger wichtig. Erst einmal was anderes. Gerade im Osten hat die Partei damit vollends die einstige Regionalmacht Linkspartei abgelöst. Spannend bleibt, ob dem BSW damit sogleich Regierungsverantwortung winkt – oder ob es in die Opposition muss. Letzteres würde mit Blick auf die niedrigen Mitgliedszahlen wohl erst einmal Druck von der Partei nehmen.

Loading...
Loading...

Grüne: Das muss ihnen eine Heidenangst einjagen

Die Grünen haben einen Lauf – und das ist für sie eine miserable Nachricht. Brandenburg ist die achte Wahl in Folge seit Anfang 2023, bei der sie Stimmen verlieren. Dieses Mal haben sie sich ungefähr halbiert. Es könnte die fünfte Landesregierung werden, aus der sie seitdem rausfliegen. Und das alles, selbst wenn sie am Ende noch über fünf Prozent landen oder ihnen ein Direktmandat in Potsdam das parlamentarische Leben rettet.

Der Zeitraum fällt nicht zufällig mit der wilden Debatte über das Heizungsgesetz zusammen, die Anfang März 2023 begann. Es ist nicht nur die missratene Genese des Gesetzes selbst, die ihnen immer noch schadet. Es ist vor allem das Image der lebensfremden Verbotspartei für Reiche, das wiederbelebt und verstärkt worden ist.

Das Institut Allensbach hat kürzlich ermittelt, dass 35 Prozent der Deutschen "auf keinen Fall" wollen, dass die Grünen der nächsten Bundesregierung angehören. Mehr Ablehnung erfährt nur die AfD. Sie hat sich in Teilen der Bevölkerung geradezu verselbstständigt. Der Chefredakteur einer deutschen Tageszeitung beklagte kürzlich auf der Plattform X "grüne Planwirtschaft" – weil die SPD eine Abwrackprämie für Verbrenner fordert. Der Vorwurf grüner Politik funktioniert inzwischen ohne grüne Politik. Das ist eine Erkenntnis, die den Grünen eine Heidenangst einjagen muss.

FDP: Lindner braucht Erfolge – sonst wird's eng

Es war eine Pleite mit Ansage. Die Liberalen können einfach nicht Ostdeutschland, so wird man es sich in den nächsten Tagen bei der FDP erzählen. Die Botschaft: Nicht verzagen, Mund abwischen, weitermachen. Nur: Wie lange halten solche Durchhalteparolen die Parteimitglieder noch bei der Stange?

Seit Mai 2022 hat die FDP bei sämtlichen Wahlen verloren, elfmal in Folge büßte die Partei unter ihrem Chef Christian Lindner Prozente ein, aus drei Landtagen flog sie heraus. Und die bundesweiten Umfragen geben kaum Grund zur Hoffnung: Selbst nach den Zahlen des Instituts Allensbach – innerhalb der Partei stets als die aussagekräftigsten (weil in der Regel am FDP-freundlichsten) bezeichnet – landeten die Liberalen zuletzt nur noch bei 4 Prozent. So schlecht stand es um die FDP dort zuletzt vor fast zehn Jahren, Anfang 2015.

Der Druck auf Lindner und seinen General Bijan Djir-Sarai, qua Funktion der oberste Wahlkampfmanager, wird in den nächsten Wochen noch größer. Nach den ersten beiden Ostwahlen wirkte die Partei noch, als befände sie sich in Schockstarre, mut- und ratlos, nach außen aber doch geschlossen und weitgehend ruhig.

Jetzt jedoch dürften die Fliehkräfte in der FDP stärker werden, Panik ist nicht ausgeschlossen. Lindner, bis dato unumstritten, wird sein persönliches Gewicht noch mehr nutzen müssen, um den eigenen Laden beisammenzuhalten. Dafür braucht er auch Erfolge in der Ampel, etwa beim Haushalt und beim Wirtschaftspaket. Gelingt ihm das nicht, werden die Ampel-Aus-Rufe in der Partei noch lauter.

Verwendete Quellen
  • Eigene Beobachtungen
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...

ShoppingAnzeigen

Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...



TelekomCo2 Neutrale Website