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Zum journalistischen Leitbild von t-online.Baerbock auf Deutschlandtour Damit setzt sie ein klares Zeichen
Auf ihrer Deutschlandtour will sich die Außenministerin Annalena Baerbock ein Bild von der Lage im Inland machen. Dabei sind die Botschaften klar gesetzt.
Annalena Baerbock lässt den Blick über das Gelände der Flensburger Fahrzeugbau-Gesellschaft (FFG) schweifen. Vor ihr steht eine Reihe riesiger Panzer. Sie lassen die ohnehin schon zierliche Außenministerin noch etwas kleiner wirken. Kampfpanzer, Bergepanzer, Räumpanzer: Die Grünen-Politikerin sieht sich jeden von ihnen genau an, kneift die Augen zusammen, fragt nach – und lobt.
Es gehe weiter darum, die Menschen in der Ukraine zu unterstützen. "Nicht nur, dass viele Geflüchtete bei uns ein zu Hause gefunden haben und in Sicherheit bei uns leben können", sagt Baerbock. Sondern auch um weitere Unterstützung in Sachen Verteidigung. "Daher bin ich dankbar, dass es nicht nur die große Solidarität der Menschen in Deutschland mit der Ukraine gibt, sondern auch von vielen Firmen. Firmen, die wie hier vor Ort bei der Unterstützung zur Selbstverteidigung mithelfen."
Es ist nach wie vor ein ungewohntes Bild: Eine Ministerin von den Grünen, die für Panzer wirbt. Dennoch hat Baerbock diesen Termin bewusst gewählt. Er soll die Zeitenwende einmal mehr unterstreichen.
Fischbrötchen und Selfies – die Ministerin gibt sich nahbar
Normalerweise reist die deutsche Außenministerin mehr mit dem Flugzeug durch die Welt als mit dem Bus durch Schleswig-Holstein. Nur einmal im Jahr ist es für eine Woche lang anders. Dann geht Baerbock auf Deutschlandreise. Am Donnerstag hat die Ministerin ihre Tour in Flensburg begonnen. Das Ziel: Baerbock will sich einen Eindruck von der Lage im Land verschaffen, mit den Menschen ins Gespräch kommen und ihre Politik erklären.
Neben der FFG, wo Baerbock auch auf ukrainische Fachkräfte trifft, steht am Donnerstag und Freitag eine Reihe von Terminen in Flensburg und Hamburg auf dem Plan. Etwa ein Treffen mit der Deutsch-Dänischen Arbeitsgruppe sowie mit Schülerbotschafterinnen und -botschaftern, die Baerbock die Zusammenarbeit in der Grenzregion inklusive noch zu bewältigender Herausforderungen beschreiben.
Dass die Sommertour in einer Grenzregion beginne, sei kein Zufall, erklärt Baerbock am Donnerstag. "In den Grenzregionen spüren wir den Herzschlag der europäischen Union am stärksten." Man könne sehen, wie die Zusammenarbeit in den verschiedenen Regionen besser oder schlechter funktioniere, und spüren, was die europäische Union ausmache. Etwa, "dass es ganz normal und selbstverständlich ist, frei jeden Tag über die Grenze, die man oft gar nicht mehr spürt, zur Arbeit zu fahren", so Baerbock.
Am Freitag besucht die Ministerin unter anderem noch den Internationalen Seegerichtshof und den Hamburger Hafen. Nächste Woche geht die Reise weiter nach Bochum, Leverkusen, Köln und Jena.
Baerbocks Mission – ist der Wahlkampf eröffnet?
Bei ihrer Reise sucht Baerbock auch bewusst die Nähe zu Passantinnen und Passanten. Gemeinsam mit der Vizeministerpräsidentin von Schleswig Holstein, Monika Heinold (Grüne), spaziert die Außenministerin ohne große Absperrungen am Hafen entlang in die Innenstadt von Flensburg. Immer wieder bleibt sie stehen, plaudert, macht Selfies. Ein bisschen Wahlkampf ist eben immer.
An einer Fischhütte verspricht Baerbock sogar, sich auf dem Rückweg noch einen Imbiss zu holen. Dass die Schlange dann doppelt so lang ist, macht nichts. Die Ministerin stellt sich hinten an. Wohl wissend, dass alles andere den nächsten Shitstorm auslösen könnte. Mal ganz abgesehen davon, dass so noch ein wenig mehr Zeit in der Menge bleibt.
Für einen Moment ist es fast so, als sei die Ampel gar nicht so unbeliebt und die Werte der Grünen nicht deutlich schlechter als bei und vor allem vor der vergangenen Bundestagswahl. Da kam die Partei in den Umfragen teilweise an die 20 Prozent heran. Doch Fakt ist: Die Realität sieht anders aus. Gerade mit Blick auf die Landtagswahlen in Thüringen, Sachsen und Brandenburg – aber auch auf die nächste Bundestagswahl.
Baerbocks Persönlichkeitswerte sind zwar stabil. Ihre Partei kommt in den Umfragen jedoch nur noch auf 10 bis 13 Prozent. In den Ost-Bundesländern kratzen die Grünen sogar teilweise an der Fünfprozenthürde.
Die Grünen-Politikerin weiß das alles. Womöglich hat sie auch deshalb am Rande des Nato-Gipfels in Washington vor zwei Wochen die Kanzlerkandidatur ausgeschlossen. Und wenn man Baerbock in diesen Tagen so beobachtet, wirkt es auch so, als könnte sie sich das Ministerinnen-Amt noch einmal vier Jahre länger gut vorstellen.
Nur: Dafür müssten die Grünen nach der nächsten Bundestagswahl erst mal wieder in die Regierung.
- Eigene Recherche