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SPD stürzt ab: Hinter den Kulissen soll es richtig krachen


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Turbulente SPD-Sitzung
Wie in der Kita


Aktualisiert am 14.06.2024Lesedauer: 5 Min.
Olaf Scholz als SPD-Kanzlerkandidat auf Wahlkampftour (Archivbild).Vergrößern des Bildes
Olaf Scholz als SPD-Kanzlerkandidat auf Wahlkampftour (Archivbild). (Quelle: Florian Gaertner/photothek.de via www.imago-images.de)
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Die SPD leckt nach dem historischen Debakel bei der Europawahl ihre Wunden. Kritik am Kanzler wagen die Wenigsten, der Burgfrieden hält – aber wie lange noch?

Bei den Sozialdemokraten herrscht nach dem historisch schlechten Europawahlergebnis offenbar Alarmstimmung. Der Generalsekretär soll stänkern, der Fraktionschef hat alle Hände voll damit zu tun, den Unmut seiner Parteigenossen zu dämpfen, und das oberste Führungsgremium kommt zur Sondersitzung zusammen, um darüber zu beraten, wie es nun weitergeht. Zuversicht sieht irgendwie anders aus. Was derzeit aus der SPD dringt, klingt eher nach Krisenmodus.

Die "Bild"-Zeitung berichtet nun, dass es hinter den Kulissen ordentlich krachen soll. Besonders ein Spitzenfunktionär lasse demnach seinem Frust freien Lauf. So soll Generalsekretär Kevin Kühnert offenbar angesichts der Zerstrittenheit der Regierung kein Blatt mehr vor den Mund nehmen. "So vernichtend wie Kevin gerade über die Ampel redet, hat er nicht mal über die von ihm so verhasste Große Koalition gesprochen", zitiert "Bild" einen anonymen Genossen.

SPD-Fraktionschef Rolf Mützenich gewährt unterdessen ganz öffentlich einen Einblick in das Innenleben der Partei nach dem heftigen Denkzettel bei der Europawahl. Mützenich berichtete von einer lebhaften Fraktionssitzung, in der es mehr als 40 Wortmeldungen gegeben habe. Dabei hätten die Abgeordneten auch ihre "Sorgen zum Ausdruck gebracht, was das Bild der Koalition in der Öffentlichkeit angeht", so der Fraktionschef im Gespräch mit der "Rheinischen Post". "Und sie haben ihrem Wunsch Nachdruck verliehen, dass der Kanzler sichtbarer werden muss mit seinen Überzeugungen, auch in der Regierung".

Offenbar gibt es in der SPD durchaus Enttäuschung über den bisherigen Regierungsstil von Olaf Scholz. Noch hält der Burgfrieden. Offene Kritik aus den eigenen Reihen kommt eher spärlich. Der ehemalige Parteivorsitzende und Kanzlerkandidat Martin Schulz wagte sich nun vor. Er macht Scholz für das schlechte Abschneiden seiner Partei bei den Europawahlen mitverantwortlich. "Solche Wahlen in der Mitte der Amtszeit eines Kanzlers sind Denkzettel-Wahlen. Die Innenpolitik überlagert die Europapolitik", sagte Schulz dem "Tagesspiegel".

Knackpunkt Haushalt: Sorgt der Kanzler für einen Durchbruch?

In der Innenpolitik stehen für die Koalition harte Haushaltsverhandlungen an. Es geht für die SPD darum, ihr Profil als Kanzlerpartei im Wettbewerb mit Grünen und FDP zu schärfen. SPD-Generalsekretär Kevin Kühnert sieht dabei seine Partei offenbar in keiner guten Position. Demnach sei der Generalsekretär auch nicht davon überzeugt, dass sich SPD, Grüne und FDP im Haushaltsstreit einigen.

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Nicht nur bei Themen wie Migration, innere Sicherheit oder Haushaltsstreit wird das Auftreten des Regierungschefs als unzureichend empfunden, auch in Sachen Ukraine wünscht sich laut einer ZDF-Umfrage eine knappe Mehrheit der Bürger, dass Scholz deutlicher sage, was er eigentlich will.

In der Nacht zu Freitag meldete die Nachrichtenagentur dpa, dass es in der Regierung erneut Streit über die Ukrainepolitik gebe. Zankapfel sei dieses Mal die Positionierung zu den geplanten neuen Russland-Sanktion der EU. Demnach sieht das Auswärtige Amt die Vorbehalte des Kanzleramts gegen das Sanktionspaket mittlerweile als problematisch und imageschädigend an. Annalena Baerbock hadert wohl mit Scholz' Weigerung, in Sachen Sanktionen durchzugreifen.

Bereits im vergangenen Jahr hatten laut einer Umfrage des ZDF 72 Prozent der Bürger Scholz mangelhafte Kommunikation attestiert. Sie bemängelten, der Kanzler gebe häufiger als andere Politiker keine konkreten Antworten auf drängende Probleme. Diese Wahrnehmung korreliert mit dem Eindruck fehlender Durchsetzungsfähigkeit. 73 Prozent der Bürger bescheinigten Scholz, er setze sich zu wenig durch.

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Die Autorin und Juristin Juli Zeh warf Scholz vor wenigen Monaten bei einer Diskussion in Potsdam sogar "Kita-Sprech" vor. Sie betonte, die Bürger wollten nicht wie "verlorene Kinder" behandelt werden, "die von der Kita nicht allein nach Hause" finden.

SPD-Fraktion: Teilnehmer bemängelt fehlende Kursvorgabe

Auch in der Fraktionssitzung nach der Europawahl sollen Teilnehmer dahingehend ihre Unzufriedenheit geäußert haben. Es fehle im Kanzleramt der "klare Kurs", wie das Redaktionsnetzwerk Deutschland (RND) einen Teilnehmer der Sitzung zitiert. Vor allem der linke Teil der Sozialdemokraten scheint von der Ukraine-Politik des Kanzleramts zunehmend enttäuscht zu sein.

Der Berliner Strategieexperte und Kommunikationsberater Fabian Haun sagte, er vermisse bisweilen "klare Worte oder ein deutliches Signal" des Kanzlers. Zwar gebe das Bundespresseamt viele Erklärungen heraus, doch von Scholz selbst gebe es viel zu selten Statements, die den Eindruck vermittelten, da spreche jemand, der anpacke, der eindeutig und unmissverständlich Stellung bezieht. Zu oft regiere in Scholz' Kommunikation die politische Vorsicht. "Bei vielen Menschen führt diese 'Schmalspurkommunikation' zu großer Verunsicherung", sagte Haun dem RND.

Und wenn der Kanzler eine klare Haltung einnimmt, wie etwa bei Waffenlieferungen im Ukraine-Krieg, dann nimmt er häufig bald schon wieder Abstand davon. Das wird Scholz offenbar von einigen in der SPD als Führungsschwäche ausgelegt, wie RND berichtet.

Scholz bemüht, Optimismus zu versprühen

Fraktionschef und Scholz-Vertrauter Rolf Mützenich bestätigt diesen Eindruck indirekt, wenn er sagt, dass nun der richtige Zeitpunkt gekommen sei, die eigenen Erfolge und Vorhaben stärker herauszustellen. "Der Bundeskanzler wird in Zukunft die Chance ergreifen, deutlicher seine Haltung innerhalb der Koalition als sozialdemokratischer Regierungschef zu erläutern", so Mützenich der "Rheinischen Post". Warum das erst jetzt, am Ende der Wahlperiode, passieren soll, und nicht schon früher der Fall war, sagte er nicht.

Das Politikmagazin "Politico" bescheinigte dem Kanzler mal, er habe sich im "Irrgarten seiner Kommunikation verlaufen". Was das bedeutet, ließ sich am Tag nach dem EU-Wahldesaster erahnen. Da nahm Scholz erst mal wichtige Termine wahr, wie den Empfang des chilenischen Präsidenten in Berlin. Im Terminkalender stand der Auftritt auf weltpolitischer Bühne, das mühsame Erklären der innenpolitischen Herausforderungen erledigte Scholz quasi im Vorbeigehen.

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Am Rande des Empfangs bemühte er sich, Optimismus zu versprühen. Man müsse sich nun darauf vorbereiten, "dass die Zustimmung immer größer werden wird, sodass man auch bei der nächsten Bundestagswahl die Ergebnisse dieser Arbeit zur Wahl stellen kann." Angesichts der historischen Schlappe – die SPD erzielte mit 13,9 Prozent ihr schlechtestes Ergebnis bei einer Europawahl – wirkte sein Statement bemüht.

Kühnert erntet für seine Kampagne Kopfschütteln

Noch hält der Burgfrieden. Kritik an Scholz dringt nur sehr dosiert aus der SPD-Parteizentrale. Doch während Schulz und Mützenich dem Kanzler ihre Unterstützung zusichern, soll Kühnert hinter vorgehaltener Hand nicht mehr ausgeschlossen haben, dass Scholz die Vertrauensfrage stellt. Das hatten Vertreter der Opposition schon gleich nach dem Wahlabend gefordert. Scholz lehnt das ab.

Allerdings steht Kühnert parteiintern selbst in der Kritik. Zum einen lasten ihm die Genossen den vermurksten Europawahlkampf an, für den er als Generalsekretär zuständig war. Zum anderen erntete auch Kühnert für seine Kommunikation heftiges Kopfschütteln, als er unmittelbar nach der Wahl von einer "Kontaktschande" durch FDP und Grünen sprach. Eine Aussage, die ein äußerst schlechtes Licht auf den Zustand der Ampelkoalition warf.

Fehler in der Kommunikation sind also ein großes Thema in der SPD derzeit. Und sie betreffen nicht nur den Kanzler.

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