Studie enthüllt Der Algorithmus spielt der AfD in die Hände
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Algorithmen der sozialen Medien könnten den Online-Erfolg der AfD maßgeblich beeinflussen. Eine neue Studie deckt die Bevorzugung rechter Inhalte auf.
Im Vergleich zum Bundestagswahlkampf 2021 haben die Parteien ihre Wahlkampfstrategien verstärkt auf soziale Medien ausgerichtet. Lange Zeit hieß es, man müsse diese Plattformen von der AfD zurückgewinnen, da sie dort mit Abstand die höchste Reichweite unter den Parteien hatte. Infolgedessen haben die etablierten Parteien ihre Ausgaben für Social-Media-Kampagnen erhöht. Doch haben sie tatsächlich die gleiche Chance, gesehen zu werden? Eine Studie der Nichtregierungsorganisation "global witness" untersucht, ob und inwiefern die Algorithmen von X, TikTok und Instagram rechte Meinungsmache begünstigen.
Plattformen im Vergleich
Ziel der Studie war es, herauszufinden, welche Inhalte politisch interessierten Nutzerinnen und Nutzern auf den Plattformen angezeigt werden und ob es zwischen den Plattformen Unterschiede gibt, die auf eine ideologische Beeinflussung hindeuten. Dafür wurden für jede Plattform drei neue Accounts erstellt, die jeweils den offiziellen Accounts der in den Umfragen führenden Parteien sowie deren Kanzlerkandidaten folgten – also CDU, SPD, AfD und Die Grünen. Anschließend wurden die ersten fünf Beiträge dieser Accounts durchgelesen beziehungsweise mindestens 30 Sekunden lang angesehen.
Danach riefen die Tester die algorithmisch generierte "For You"-Seite auf, auf der Beiträge, basierend auf den Nutzerinteressen, vorgeschlagen werden. Für 15 Minuten scrollten sie durch die Inhalte und betrachteten jeden politischen Beitrag, der angezeigt wurde.
Rechte Inhalte dominieren soziale Medien
Die Auswertung zeigt, dass insbesondere auf TikTok und X deutlich mehr Inhalte empfohlen werden, die sich an der Politik der AfD orientieren. Auf TikTok entfielen 74 Prozent der angezeigten politischen Beiträge auf rechte Inhalte, während lediglich 26 Prozent linke Positionen vertraten. Ähnlich war das Verhältnis auf X, wo 72 Prozent der empfohlenen Beiträge eine rechte Ausrichtung hatten und 28 Prozent linke Themen behandelten. Auf Instagram fiel das Ergebnis etwas ausgewogener aus: Hier waren 59 Prozent der politischen Inhalte als rechts und 41 Prozent als links einzuordnen.
In der Studie wurden linke Beiträge so definiert, dass sie Inhalte der Parteien Die Grünen, SPD und Die Linke sowie Beiträge umfassen, die sich für deren politische Positionen aussprechen. Rechte Beiträge hingegen beinhalten Inhalte von CDU, AfD und FDP sowie thematisch ähnliche Beiträge.
Dabei erschienen sowohl Beiträge der abonnierten Accounts als auch Inhalte von Profilen, denen im Rahmen der Studie nicht aktiv gefolgt wurde und die offiziell keiner Partei zugeordnet waren. Das Fazit: Beiträge, die die AfD unterstützen, die Partei bewerben oder deren politische Forderungen widerspiegeln, wurden überdurchschnittlich häufig in den algorithmisch generierten Feeds angezeigt. Auf TikTok bewarben 78 Prozent der analysierten Beiträge die AfD, auf X waren es rund 64 Prozent. Dabei handelte es sich ausschließlich um Beiträge von Accounts, die zuvor nicht abonniert worden waren.
TikTok kritisiert Studienmethodik
Die international tätige Nichtregierungsorganisation "global witness", die die Studie durchgeführt hat, konfrontierte die Betreiber der Plattformen mit den Ergebnissen. Während X nach Angaben von "global witness" bislang nicht reagierte, kritisierte TikTok die Methodik der Studie und betonte sein Engagement für die Integrität des Wahlprozesses in Deutschland. Laut den Unternehmensrichtlinien dürften auf der Plattform keine parteipolitischen Werbeanzeigen geschaltet werden.
Dennoch ergaben die Erhebungen der Studie, dass eine bezahlte Partnerschaft zwischen der AfD und einer anderen Organisation ausgespielt wurde. Diese Anzeige wurde zum Zeitpunkt der Untersuchung bereits 600.000 Mal angesehen – obwohl sie eigentlich gegen die Plattform-Richtlinien verstoßen müsste.
Berechtigte Zweifel?
Auch wenn die Ergebnisse der Studie eindeutig erscheinen, lohnt es sich, die Methodik noch einmal genauer zu betrachten und die Resultate kritisch zu hinterfragen. Die verschiedenen Parteien und Accounts haben naturgemäß unterschiedlich viele Abonnenten, veröffentlichen Beiträge in unterschiedlicher Häufigkeit und erzeugen dabei variierende Interaktionen wie Kommentare oder Weiterverbreitung.
Wie bereits eingangs erwähnt, lautete das Credo der vergangenen Jahre in den Social-Media-Abteilungen der demokratischen Parteien, die Online-Plattformen von der AfD zurückzugewinnen. Fakt ist jedoch, dass die AfD in den sozialen Medien erfolgreicher ist als andere Parteien. Sie verfügt im Durchschnitt über mehr Abonnenten, postet häufiger und erreicht insgesamt eine größere Anzahl an Menschen.
Daraus ergibt sich die Frage, ob ein Algorithmus nicht genau so funktionieren sollte: Er bevorzugt jene Beiträge, die besonders häufig angesehen, geliked und kommentiert werden. Hinzu kommt, dass die AfD in ihren Posts gezielt auf polarisierende und emotionalisierende Inhalte setzt – Themen, die online oft kontrovers diskutiert werden und dadurch automatisch eine größere Reichweite erzielen.
AfD dominiert TikTok
Seit Langem verfolgt die Partei zudem die Strategie, Plattformen mit ihren Inhalten regelrecht zu überschwemmen, um den politischen Diskurs dort zu dominieren. Allerdings haben im laufenden Jahr auf TikTok zeitweise auch andere Parteien mehr Beiträge veröffentlicht als die AfD – dennoch konnten sie damit keine vergleichbare Sichtbarkeit erreichen.
Ob die Beiträge der AfD tatsächlich in dem Ausmaß ausgespielt werden sollten, wie es die Studie zeigt, bleibt fraglich. Betrachtet man die Ergebnisse, ließe sich ebenso argumentieren, dass der Online-Erfolg der Partei nicht nur auf ihre eigene Social-Media-Strategie zurückzuführen ist, sondern maßgeblich durch eine algorithmische Begünstigung der Plattformen verstärkt wird – eben wie es die Studie offenlegt.
Gefahr für den politischen Prozess
Die algorithmische Bevorzugung einer Partei in sozialen Netzwerken kann den politischen Diskurs verzerren und die Meinungsbildung erheblich beeinflussen. Werden Inhalte der AfD überproportional häufig ausgespielt, entsteht für viele Nutzer der Eindruck, dass ihre Positionen gesellschaftlich dominieren, während andere Perspektiven in den Hintergrund rücken.
Dies kann zur Bildung rechter Informationsblasen beitragen, die insbesondere junge Wähler radikalisieren und ein verzerrtes Bild der politischen Landschaft vermitteln. Mit Blick auf die anstehende Bundestagswahl besteht die Gefahr, dass Plattformen wie TikTok oder X unbewusst oder bewusst in Wahlentscheidungen eingreifen – insbesondere, wenn die Funktionsweise ihrer Algorithmen nicht transparent ist.
- netzpolitik.org: "Studien zu Algorithmen: TikTok und X pushen rechte Parteien"
- Briefing der Studie "TikTok and X recommend pro-AfD content to non-partisan users ahead of the German elections" von der Nichtregierungsorganisation global witness