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FDP-Parteitag | Christian Lindner wird gefeiert: Endlich wieder Wirtschaft


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FDP-Parteitag
Endlich wieder Wirtschaft


Aktualisiert am 28.04.2024Lesedauer: 5 Min.
GERMANY-COALITION/FDPVergrößern des Bildes
Großer Applaus für den Parteichef: Die 70-minütige Rede von Christian Lindner zur "Wirtschaftswende" kam bei den Parteitagsdelegierten gut an. (Quelle: Liesa Johannssen)

In den Umfragen steht die FDP schlecht da. Den Parteitag in Berlin aber stört das kaum: Die Stimmung ist gut und Parteichef Lindner legt einen gefeierten Auftritt hin. Das liegt vor allem an einem Thema.

Sarah Zickler kramt in ihrer Tasche. "Hier", sagt sie und zieht ein türkises Stück Stoff hervor, "hab‘ ich extra drucken lassen." Sie faltet ein T-Shirt auseinander, "12 Punkte zur Wirtschaftswende" steht drauf. Sie zeigt die Rückseite, "da ist auch noch was": Stichpunktartig hat sie festgehalten, was nach dem Willen der FDP für mehr Wirtschaftswachstum sorgen soll, von A wie "Anpassung des Einkommensteuertarifs" bis R wie "Rente liberalisieren".

Zickler ist eine von 662 Delegierten, die an diesem Wochenende zum Bundesparteitag der FDP nach Berlin gereist sind. Mitten in Kreuzberg, in einem stillgelegten Postbahnhof, der heute eine große Eventlocation ist, geht es zwei Tage lang fast ausschließlich um das, was auf Zicklers T-Shirt zu lesen ist: eine neue Wirtschaftspolitik, die die Parteispitze in den vergangenen Wochen und Monaten zur "Wirtschaftswende" hochgejazzt und in jenen zwölf Punkten zusammengefasst hat.

An der Basis kommt das an. "Von dem, was der Parteivorstand da aufgesetzt hat, bin ich echt begeistert", sagt Zickler. Was man ihr auch ansieht. Die Unternehmerin, selbst Kandidatin fürs Europaparlament, strahlt, ihre Augen glitzern, wenn sie spricht. "So etwas hat uns echt gefehlt. Es tut uns gut, endlich wieder das ins Zentrum zu rücken, was uns auszeichnet: Wirtschaft, Wachstum, Wohlstand. Das ist FDP pur." (Mehr zum Zwölf-Punkte-Plan der FDP für die Wirtschaft lesen Sie hier.)

Lindner spricht mehr als 70 Minuten

So wie Zickler klingen viele, mit denen man sich derzeit bei den Liberalen unterhält. Die FDP, so scheint es, ist sich dieser Tage selbst genug: am Rande der politischen Todeszone, in Umfragen zwischen vier und sechs Prozent – aber trotzdem sehr zufrieden mit dem eigenen Auftreten. Die Puzzleteile "Wirtschaft" und "liberal" passen hier so gut wie bei der SPD "sozial" und "Staat". Endlich, sagen viele, konzentriere man sich wieder auf den Kern, hinter dem sich alle vereinen können.

Und damit sich das noch besser anfühlt, das Ganze noch größer wirkt, bedeutsamer, schieben fast alle hinterher: Das braucht das Land jetzt schließlich auch. Früher oder später werden das auch die Wähler verstehen, dann schlägt sich das auch in den Umfragen nieder, ihr werdet schon sehen.

Die Frage ist nur: Wann?

Parteichef Christian Lindner liefert in seiner Rede am Samstag nur indirekt eine Antwort. Mehr als 70 Minuten spricht er. Der Saal ist bis auf den letzten Platz besetzt, immer wieder gibt es lauten Zwischenapplaus, es wird gejohlt und jauchzend gepfiffen. "Wir dürfen die Weckrufe zu unserer Wettbewerbsfähigkeit nicht überhören", ruft Lindner. Es helfe "kein Gesundbeten". "Was wir benötigen, ist ein nüchterner Realismus."

"Wirtschaftliche Stärke ist ein Faktor der Geopolitik"

Zwischendurch blendet Lindner auf den großen LED-Screens Grafiken ein, die den Rückgang des erwartbaren Wirtschaftswachstums zeigen sowie Deutschlands Fall von Platz sechs auf Platz 22 im internationalen Vergleich der Wettbewerbsfähigkeit. Fast wie in einer Vorlesung für Volkswirtschaftslehre wirkt das, nur der rote Laserpointer fehlt noch.

Doch die "Wirtschaftswende", auf die Lindner die Delegierten einschwört und die sie per Leitantrag später beschließen wollen, ist mehr für die FDP. "Wirtschaftliche Stärke ist ein Faktor der Geopolitik", erklärt Lindner. Ohne sie werde Deutschlands Wort nie wieder das Gewicht in der Welt haben, das es angesichts von Krieg und Krisen brauche.

Und: Eine florierende Wirtschaft sei die Voraussetzung dafür, dass es nicht zu gesellschaftlichen Verteilungskämpfen komme und die Demokratie von Populisten nicht erfolgreich infrage gestellt werden könne. Auf ein Lieblingsprojekt der Grünen anspielend sagt Lindner: "Die Wirtschaftswende ist das beste Demokratiefördergesetz, das man haben kann" – und löst damit tosenden Applaus aus.

Es ist weniger ein Abklappern der zwölf zentralen Punkte von Sarah Zicklers T-Shirt als mehr eine Herleitung der Bedeutung einer starken Volkswirtschaft, die in ihrem dramaturgischen Aufbau durchaus beeindruckend ist. Rhetorisch glänzt Lindner, das kennt man. Und eigentlich kennt man auch das, was er sagt, oft genug hat er es in den vergangenen Wochen und Monaten an verschiedenen Stellen fallen gelassen. Das Beste zur Wirtschaftspolitik, die größten Hits der 80er, 90er und von heute, ließe sich sagen, wenig Überraschendes.

Balsam für die geschundene liberale Seele

So geballt jedoch, in so epischer Breite und Tiefe, machen seine Worte doch großen Eindruck auf dem Parteitag. Einer aus der Spitze der Partei sagt nach seiner Rede: Lindner liefert den Liberalen Balsam für die in der Ampel teils geschundene Seele. Fast schade sei es, dass dieses Jahr keine Wiederwahl des Parteichefs anstehe, heute hätte er bestimmt 99 Prozent bekommen.

Auffällig ist: Bei der Rede handelt sich fast ausschließlich um eine programmatische Ansprache. Wo Parteichefs normalerweise auch explizit gegen die politische Konkurrenz austeilen, spart sich Lindner solche Kritik. Die Koalitionspartner erwähnt Lindner mit fast keinem Wort, erst nach 41 Minuten kommt er kurz auf die grüne Familienministerin Lisa Paus und deren Pläne zur Kindergrundsicherung zu sprechen, die inzwischen "den Status der Absurdität" hätten. Sein Vorschlag: Die Milliarden, die Paus in neue Bürokratie für die Kindergrundsicherung stecken will, wären besser aufgehoben im Ausbau der Kinderbetreuung.

Davon abgesehen jedoch bleiben seine Worte vor allem Mutmacher für die anstehenden schweren Wahlkämpfe im Osten und für die Europawahl. Und auch für die nun beginnenden Verhandlungen über den Ampelhaushalt für das Jahr 2025, in dem sich Impulse für die Wirtschaft niederschlagen müssen.

Am Ende ruft einer: "Zugabe!"

Nach knapp einer Stunde Rede erklimmt Lindner dann nämlich doch noch eine höhere politische Ebene. "Die 'Wirtschaftswende' muss ein Projekt dieses Landes sein", sagte er. "Deshalb muss jede und jeder jetzt seinen Beitrag leisten. Wir sind bereit für Vorschläge. Für eines aber sind wir nicht offen: Dafür, dass sich gar nichts ändert."

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In diesen Worten schwingt zweierlei mit: Erstens eine Warnung und Forderung an die Ampelpartner, von denen die Liberalen ein Mitwirken am Stärken der Wirtschaft erwarten. Zweitens die Überzeugung, dass das dann auch zu größerer Zustimmung in der Bevölkerung führt, wenn die Liberalen im Bundestagswahlkampf eine gute Bilanz ihrer doch so schwierigen Regierungsjahre ziehen können.

Über dreieinhalb Minuten erstreckt sich der Beifall für Lindner. Und als man denkt: Jetzt muss nur noch einer "Zugabe" rufen, ruft ungelogen einer: "Zugabe!"

"Das war der Push, den wir jetzt gebraucht haben"

Sarah Zickler ist nach Lindners Rede zufrieden mit dem Parteichef, und auch vielen anderen, die später bei Currywurst und Bier draußen in der Sonne stehen, scheint der Auftakt zum Parteitag gut gefallen zu haben. "Das war genau der Push, den wir jetzt gebraucht haben", sagt Zickler. "Das wird uns total helfen im Wahlkampf." Die Operation Selbstvergewisserung läuft.

Und was machen die Liberalen nun mit den schwachen Zahlen von Forsa, Allensbach, Infratest und Co.? Am Nachmittag gibt es auf diese Frage dann doch noch eine Antwort, und zwar von Europa-Spitzenkandidatin Marie-Agnes Strack-Zimmermann, die sagt: "Ich bitte Sie sehr, schauen Sie nicht jeden Morgen auf die Umfragen. Ich halte es da mit meinem Motorradlehrer, der hat gesagt: 'Guckst Du scheiße, fährst Du scheiße.'"

Verwendete Quellen
  • Eigene Beobachtungen auf dem 75. Bundesparteitag der FDP in Berlin
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