Offener Brief an Justizminister Buschmann "Deutschland tritt Frauenrechte mit mehr als nur Füßen"
Die EU möchte Frauen besser gegen sexualisierte Gewalt schützen. Justizminister Marco Buschmann stellt sich aus rechtlichen Bedenken dagegen. Nun fordern ihn über 100 Frauen auf, seine Blockade aufzugeben.
Über 100 Frauen aus Politik, Wirtschaft und Kultur fordern Bundesjustizminister Marco Buschmann (FDP) in einem offenen Brief dazu auf, seine Blockadehaltung bei der Reform des europäischen Sexualstrafrechts aufzugeben. Hintergrund ist ein Entwurf für eine EU-Richtlinie, mit der die Europäische Kommission Frauen besser gegen häusliche und sexualisierte Gewalt schützen möchte. Deutschland und andere Mitgliedsstaaten verweigern diesem bislang die Zustimmung.
Initiiert hat den Brief die Frauchenrechtsaktivistin Kristina Lunz. Zu den Unterzeichnerinnen gehören die Klimaaktivistin Luisa Neubauer, die ehemalige Justiz- und Verteidigungsministerin Christine Lambrecht (SPD) und die Bremer CDU-Abgeordnete Wiebke Winter. Zuerst hatte der "Spiegel" darüber berichtet. Durch Buschmanns "Blockade-Haltung steht der Schutz von Millionen von Frauen vor Gewalt in der EU auf dem Spiel", schreiben die Frauen an den Minister.
In Europa soll der Grundsatz "Ja heißt ja" gelten
Weil Deutschland und weitere EU-Mitgliedsstaaten den Entwurf bislang ablehnen, hat er im Europäischen Rat keine Mehrheit. Neben dem Rat muss auch das Europäische Parlament zustimmen. Die Parlamentarier haben bereits ihre Unterstützung signalisiert.
Doch die Unterzeichnerinnen des Briefs befürchten, dass sich das nach der Europawahl im Juni ändern könnte, sollten radikal rechte Parteien zahlreiche neue Mandate gewinnen. Deshalb pochen sie darauf, dass der Rat den Weg frei macht, sodass die Richtlinie vor der Wahl beschlossen wird. "Sich gegen Rechtsextremismus und den Rechtsruck zu stellen, muss auch bedeuten, Frauenrechte zu verteidigen", schreiben die Frauen an Buschmann.
Der Richtlinien-Entwurf sieht unter anderem eine europaweit einheitliche Definition von Vergewaltigung vor: Jede "nicht einvernehmliche sexuelle Handlung an einer Frau" soll zukünftig als Vergewaltigung gelten. Diese Idee ist auch als "Ja heißt ja"-Regel bekannt: Sexuelle Handlungen dürfen demnach nur dann erfolgen, wenn die beteiligten Personen dieser explizit zugestimmt haben.
Buschmann hält den Entwurf für unvereinbar mit dem Europarecht
In 13 Mitgliedsstaaten, darunter auch Deutschland, gilt bereits der Grundsatz "Nein heißt Nein". Dadurch können Sexualtäter auch bestraft werden, wenn sie keine körperliche Gewalt anwenden, die andere Person aber signalisiert hat, dass sie keinen Geschlechtsverkehr möchte. In 14 EU-Staaten, darunter Frankreich und Polen, müssen Frauen hingegen physische Gewalt oder Drohungen für eine Vergewaltigung nachweisen.
Justizminister Buschmann hält den Kommissionsentwurf für unvereinbar mit dem Europarecht. Für das Strafrecht sind in Europa die Mitgliedsstaaten zuständig. Die EU darf nur bei "schwerer Kriminalität mit grenzüberschreitender Dimension" gesetzgeberisch tätig werden. Darunter fällt allerdings auch die "sexuelle Ausbeutung von Frauen und Kindern". Die Unterzeichnerinnen des Briefs werfen Buschmann vor, mit seiner Blockade "Frauenrechte mit mehr als nur Füßen" zu treten.