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Oskar Lafontaine beim Parteitag des BSW von Sahra Wagenknecht in Berlin


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Oskar Lafontaine beim BSW-Parteitag
Da wird der Saal andächtig und still


Aktualisiert am 28.01.2024Lesedauer: 4 Min.
Oskar Lafontaine und Sahra Wagenknecht stehen beim Gründungsparteitag der neuen Wagenknecht-Partei zusammen.Vergrößern des Bildes
Oskar Lafontaine und Sahra Wagenknecht stehen beim Gründungsparteitag der neuen Wagenknecht-Partei zusammen. (Quelle: Kay Nietfeld)
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Ganz zum Schluss, damit alle bleiben: Altmeister Lafontaine lässt seine genialische Gabe als Redner noch einmal aufblitzen und setzt einen starken Schlusspunkt beim BSW-Gründungsparteitag in Berlin.

Es ist ein bisschen wie bei den Stones. Oder eher: Wie bei Led Zeppelin. 30 Jahre hat es gedauert, bis sich Jimmy Page und Robert Plant nach dem tragischen Alkoholtod ihres Drummers John Bonham wieder auf einer Bühne blicken ließen, kurz vor Weihnachten 2007.

Video | Wagenknecht gibt Ampel die Schuld am AfD-Erfolg
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Quelle: reuters

Der Parteitag hat sich über den ganzen Tag gedehnt. Sahra Wagenknecht hat am Mittag erst mal eine Rede gehalten, die an Meisterschaft, an Populismus und Demagogie kaum zu überbieten war. Danach zähe Stunden mit Anträgen und Debatten und Listenbewerbungen zur Europawahl. Jetzt ist es kurz nach sechs. Gerade noch rechtzeitig vor der "Tagesschau" kommt die Zugabe von Oskar Lafontaine. Das politische Schlusswort ist ihm zugedacht, wohl auch, damit keiner vorher geht. Er ist der heimliche Star des Tages. Trauben von Menschen hatten sich in den vergangenen Stunden immer wieder um ihn gebildet, Mikrofone sich ihm entgegengestreckt.

Jetzt ist er der Robert Plant für Sahra Wagenknecht, die die politischen Riffs vorher so skrupellos-virtuos angeschlagen hat wie seinerzeit Jimmy Page auf seiner Gibson-Les-Paul-Gitarre. Bedächtig begibt sich Oskar Lafontaine ans Rednerpult in der ziemlich coolen Location des Kosmos Kinos fast am Ende der Berliner Karl-Marx-Allee, der früheren Prachtstraße der DDR. Das Rednerpult, das war über Jahrzehnte der natürliche Ort des Oskar Lafontaine. Kaum einer beherrschte in seiner aktiven Zeit die Parteitagsrede wie er.

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An diesem Pult kann er unwiderstehlich sein. Nimmt Fühlung mit dem Saal auf und redet sich im Wechselspiel mit dem Publikum in einen Rausch. Dosiert das Gas. Tritt mal durch. Nimmt mal Fahrt raus. So war das immer. Einmal in Mannheim 1995 hat er mit so einer Rede und dieser Gabe einen SPD-Parteivorsitzenden weggeputscht. "Ihr seht also, liebe Genossinnen und Genossen, es gibt noch Politikentwürfe, für die wir uns begeistern können!", rief er in den Saal. Am nächsten Tag verlor Rudolf Scharping das Vorsitzendenamt und musste es an Lafontaine abtreten.

Und jetzt im Kino Kosmos?

Seine Stimme ist zu Beginn belegt, seine Artikulation verwaschen, die Zunge etwas schwer. Seine Frau und andere hätten ihn gebeten, auf diesem Parteitag zu sprechen. Das könnte doch der Oskar Lafontaine machen – sprechen, während für die Europaliste ausgezählt werde. "Und wenn die Frau das sagt, dann macht der Saarländer das", witzelt Lafontaine zur Freude des Saals.

Er sei gefragt worden: Das sei ja nun schon die dritte Partei, für die er tätig werde. "Ist das denn jetzt die Letzte?" Und Lafontaine, er kommt langsam in Fahrt, führt aus, dass er die bisherigen Vereine, die SPD und Die Linke verlassen habe, weil diese ihre eigenen Grundsätze verlassen hätten. Er führt an, sogar die "Zeit", nicht eben das Verlautbarungsorgan des BSW, schreibe, dass es eine Lücke für diese Partei gebe. Gute Löhne: Da müsse es doch eine Partei geben, die diese Aufgabe erfüllt! Zum zweiten eine Partei für Frieden und Abrüstung, 'gegen alle anderen, die für Krieg und Aufrüstung sind'.

Er kommt in Fahrt, genießt den regelmäßigen Beifall, der seine Rede begleitet. Lafontaine verwebt Populismus und bildungsbeflissene Verweise auf die alten Griechen und deren Stadtstaat, die Polis. Als Hinweis darauf, dass diese Demokratie in Gefahr ist, wenn die Leute auf die Straße gehen, weil sie ihre Interessen in der Politik nicht mehr vertreten sähen.

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Die Aufmerksamkeit des Saales tut ihm sichtbar gut, wirkt wie ein Jungbrunnen. Zuletzt war es ruhig geworden um den großen Gescheiterten der deutschen Nachkriegspolitik. Zu seinem 80. Geburtstag im vergangenen September hatte er ein paar handverlesene Journalisten zu Hause in Saarbrücken empfangen, aber nur die, die er einigermaßen leiden kann. Viele waren es nicht. Er kann nicht mehr viele leiden im politisch-publizistischen Komplex. Er ist der Moby Dick der deutschen Politik. Verletzt, verbittert. Aber immer noch ein unverwechselbarer weißer Wal. Der, wenn er bläst, diejenigen in den Bann ziehen kann, die das miterleben.

Wie jetzt im Kosmos. Tempopassagen werden von nachdenklichen alternierend abgelöst. Zum Tag der Befreiung Auschwitz. Da wird der Saal still und andächtig.

Mehr Übung im Abriss als im Aufbau

Er geht immer wieder auf die SPD und ihren Kanzler los. Nennt Olaf Scholz, ohne ihn beim Namen zu nennen, einen "Kanzler für Krieg und Aufrüstung". Schimpft auf die "neuen Generäle Merz, Hofreiter, Strack-Zimmermann – habe ich jemanden vergessen?"

Der frühere SPD-Vorsitzende und fahnenflüchtige Finanzminister der Regierung Gerhard Schröder und seine Frau haben Übung darin, tragende Mauern der Parteien zum Einsturz zu bringen, bei denen sie einmal an der Spitze standen. Das Parteiabrissunternehmen Lafontaine&Wagenknecht will und wird auch mit diesem Gründungsparteitag der Wagenknecht-Partei ihrer früheren gemeinsamen Heimat "Die Linke" Schaden zufügen.

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Was sich sowohl in Wagenknechts Rede als auch in Lafontaines Gastspiel für seine Gemahlin an diesem Tag spiegelt: Diese Partei ist keine Programmpartei. Es ist eine Triggerpartei. Beide wissen, wo die Stellen sind, an denen man potenzielle Wählerinnen und Wähler berühren, packen muss.

"Nie wieder Krieg!"

Die Rede neigt sich nach einer knappen halben Stunde dem Ende zu. Wie stolz wäre er, wenn ein deutscher Bundeskanzler wieder einmal den Friedensnobelpreis bekäme. Willy Brandt durchzieht, ohne dass er den Namen nennt, immer wieder seine Rede. Dieses Plädoyer gegen jedwede Form des Krieges ist ein roter Faden im politischen Leben des Oskar Lafontaine. Er spinnt ihn hier im Kino Kosmos weiter.

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Und so ruft er zum Ende in den Saal, er würde sich wünschen, dass die deutsche Leitkultur sein möge: "Nie wieder Krieg!". Von deutschem Boden dürfe nie wieder Krieg ausgehen. "Dem fühlen wir uns verpflichtet!"

Das ist der Schlussakkord. Damit geht der Gig für die Gemahlin in rhythmischem Beifall und stehenden Ovationen zu Ende. Wie seinerzeit am 10. Dezember 2007 das legendäre Konzert von Led Zeppelin in London. Es war bis heute der letzte gemeinsame Auftritt des Duos Jimmy Page und Robert Plant.

Nach diesem Tag in Berlin kann man die Prognose wagen: Das Duo Lafontaine und Wagenknecht wird diesem gemeinsamen Gig im Kino Kosmos weitere folgen lassen.

Verwendete Quellen
  • Eigene Eindrücke auf dem Parteitag
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