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Zum journalistischen Leitbild von t-online.Robert Habeck Warum ist er so fröhlich?
Robert Habeck hat in den vergangenen Monaten so viel Wut auf sich gezogen wie sonst wohl nur der Kanzler. Seiner Laune scheint das nicht geschadet zu haben. Dafür gibt es einen guten Grund.
Robert Habeck ist gut drauf, die Frage ist nur: warum eigentlich? Die Ampelregierung ist unbeliebt wie nie und zankt trotzdem munter weiter. Die schlechten Wirtschaftsdaten können den Wirtschaftsminister auch nicht freuen. Und es ist noch nicht lange her, da wurde Habeck von wütenden Bauern mit seiner Fähre zurück ins Meer gepöbelt.
Doch der Vizekanzler wirkt in diesen Tagen gelöst, mitunter fast übermütig. Beim "Handelsblatt"-Energieforum bringt er, der Grüne mit dem Seesack, am Dienstag einen Raum voller Aktenkofferträger zum Johlen. Mit Sätzen wie "Dann hab ich keinen Bock mehr" (wenn nur noch Politiker gewählt werden, die vor langfristigen Problemen lieber weglaufen, um sich nicht unbeliebt zu machen) oder einem ebenso kernigen "Wir wollen uns nicht plattmachen lassen" (im Wettbewerb mit China und den USA).
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Habeck will der Wirtschaft Zuversicht zurückgeben, indem er selbst zuversichtlich wirkt. Das ist die eine Erklärung für seine gute Laune. Entscheidend sei, "mit welcher Körperhaltung wir auf den Platz gehen", sagt er. "Man kann nicht verlieren wollen. Oder man kann gewinnen wollen."
Der andere Grund für Habecks Frohsinn: Seine persönliche Mission läuft ziemlich gut. Habeck hat die Grünen auf seinen pragmatischen Kurs der Mitte eingeschworen. Manche folgen ihm aus Überzeugung, andere haben sich ihm ergeben. Robert Habeck ist mächtig wie nie, die Frage der grünen Kanzlerkandidatur scheint geklärt. Selbst seine lautesten Kritiker gestehen ein, dass er derzeit bei den Grünen unangefochten ist.
Habeck ist gewissermaßen – alternativlos. Nur reicht das?
Habecks Weg – oder gar keiner mehr?
Vor zwei Monaten sieht Robert Habecks Welt noch anders aus. Ende November treffen sich die Grünen zum Bundesparteitag in Karlsruhe. Zu später Stunde wird es emotional. Vor allem der linke Parteiflügel wirft seinen Regierungsleuten vor, in der Migrationspolitik die grüne Seele zu verkaufen. Die Grüne Jugend will ihnen mit einem Antrag jede Asylverschärfung verbieten.
Robert Habeck steht besonders im Feuer. Er hatte das Migrationspaket mit Kanzler Olaf Scholz und Finanzminister Christian Lindner ausgehandelt. Es soll zu mehr Abschiebungen und weniger Arbeitsverboten führen. Nicht wenige Grüne fürchten, dass es vor allem zu mehr Leid führt. Mal wieder.
Habeck sieht sich genötigt, das größtmögliche Argument zu nutzen. Der Antrag der Grünen Jugend sei "ein Misstrauensvotum in Verkleidung, das in Wahrheit sagt: Verlasst die Regierung". Also ablehnen – oder wir machen nicht mehr mit. Eine aufgewühlte Debatte später folgt ihm die Partei mit deutlicher Mehrheit. Habeck hat gewonnen.
Für ihn ist es ein wichtiger Test, ob die Partei hinter ihm steht. Und damit ein Test seiner Macht. "Unsere Ideologie ist die Wirklichkeit", hatte Habeck seiner Partei am Vortag zugerufen. Der Parteitag werde "mit darüber entscheiden, ob sich in Zukunft Mehrheiten gegen uns finden oder ob wir die Mehrheiten organisieren und prägen".
Bloß nicht zurück in die grüne Nische, sondern weiter den Weg der regierungsgeschmeidigen Partei der linken Mitte gehen, die nach der nächsten Wahl auch mit der CDU regieren könnte. So will es Habeck, so verlassen die Grünen Karlsruhe.
Aufregung in grünen Bundestagsbüros
Doch eine Debatte auf einem Parteitag ist das eine. Die Grünen tendierten in den vergangenen Jahren dazu, nicht das größtmögliche Drama aufzuführen, wenn alle Kameras auf die große Bühne gerichtet sind. Über Wochen bleibt die Frage: Hält der Karlsruher Frieden auch im grünen Ampelalltag?
Am Morgen eines Donnerstags vor zwei Wochen, an dem sich diese Frage vorerst entscheiden wird, herrscht Aufregung in den Berliner Büros einiger Grüner im Bundestag. Und viel Betrieb im internen Chat der Fraktion. Wer stimmt am Nachmittag gegen das Abschiebegesetz? Wird es eine namentliche Abstimmung geben, damit der Protest für die Öffentlichkeit dokumentiert ist? Gelingt ein Signal des Widerstands? Will man das überhaupt? Das sind einige der Fragen.
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Die Fraktionsspitze setzt viel daran, auch nur den Anschein eines grünen Aufstands zu vermeiden. Obwohl die Mehrheit der Ampel für das Gesetz komfortabel ist. Zweifelnde Abgeordnete werden energisch bearbeitet. Auch mit dem größtmöglichen Argument, das Habeck schon in Karlsruhe genutzt hat: Wollt ihr für den Koalitionsbruch verantwortlich sein? So berichten es Grüne anschließend.
Es soll bloß nicht wieder der Eindruck entstehen, die Grünen würden ausgerechnet bei der Migration blockieren. Und damit ihren Vizekanzler bloßstellen, der die Verhandlungen zu seiner Sache gemacht hatte. Zur Chefsache. Am Ende gibt es keine namentliche Abstimmung. Dass einige Grüne gegen das Gesetz stimmen? Wird in den Meldungen nicht mal erwähnt. Selbst der symbolische Aufstand bleibt aus.
Habeck und seine Leute registrieren das mit Genugtuung. Das Gefühl bei manch anderen Grünen ist eher: Resignation.
Die Zeit der Aufstände scheint vorbei
Es gab eine Zeit, da begehrten Bundestagsfraktion und Ministerinnen regelrecht gegen Robert Habeck auf. Ein folgenreiches Beispiel: die kurze Laufzeitverlängerung der Atomkraftwerke. Habeck wollte angesichts der Energiekrise großzügiger sein. Viele in der Fraktion wollten am liebsten nicht mal die paar Monate, die es letztlich wurden. In jeder Stromdebatte holt die Miniatur-Verlängerung Habeck seitdem ein.
Im vergangenen Sommer dann stellte sich die grüne Familienministerin Lisa Paus gegen einen Kompromiss zur Kindergrundsicherung, den Habeck mit Scholz und Lindner ausgehandelt hatte. Habeck fand das nicht lustig. Er maßregelte Paus öffentlich und konsolidierte intern seine Macht. Er stellte klar, dass es sein Wort ist, das Wort des Vizekanzlers, das bei den Grünen im Zweifel gelten muss.
Seine Anhänger sprechen von dringend nötiger Beinfreiheit, die er dadurch nun habe. Mancher seiner Gegner spricht von gekränkter Männlichkeit nach zu viel öffentlichem Widerspruch. So oder so, für Habeck funktioniert es bisher. Selbst Außenministerin Annalena Baerbock bekannte anschließend: "Der Vizekanzler führt die Grünen in der Koalition."
Die grüne Kanzlerkandidaten-Frage
Dieser Satz von Baerbock wird nun auch oft angeführt, wenn es um die Frage geht, wer für die Grünen Kanzlerkandidat wird. Offiziell verbreitet die Parteispitze weiter die Linie, die Mitglieder sollten in einer Urwahl entscheiden – falls es mehrere Kandidaten gibt. Doch ob es die überhaupt geben wird?
Dass irgendjemand Habeck die Rolle noch streitig machen kann, bezweifeln sie inzwischen längst nicht mehr nur in seinem Lager. Als Alternative gäbe es ohnehin nur Baerbock, die gescheiterte Kandidatin aus 2021. Nicht nur ihr eigener Satz spricht dafür, dass Baerbock zwar noch lauern mag, im Zweifel aber nicht gegen Habeck antreten würde. So jedenfalls interpretieren Beobachter und Grüne zuletzt ihr Verhalten.
Ein paar Vorteile lägen auf der Hand: Die Grünen würden einen monatelangen internen Konkurrenzkampf vor einer Urwahl vermeiden, bei dem sich Habeck und Baerbock gegeneinander profilieren und zumindest indirekt angreifen müssten. Wer Habeck im vergangenen Wahlkampf beobachtet hat, kann zudem daran zweifeln, ob er sich noch einmal unterordnen würde. Zu sehr haderte er damals mit seiner Rolle als Nummer zwei.
Und nicht zuletzt: Selbst seine Kritiker bescheinigen Robert Habeck, dass er mit seinem Politikerklärertum ein sehr guter Wahlkämpfer wäre.
Der mit dem Heizungsgesetz
Was Robert Habeck im Wahlkampf jedoch auch wäre: der Mann mit dem Heizungsgesetz. Es braucht nicht viel Fantasie, um sich vorzustellen, dass seine Konkurrenten das nutzen würden. Seine Gegenerzählung nimmt deshalb schon jetzt Formen an. Sie lautet: Ich, der Anpacker, der die Probleme nicht liegen lässt wie die anderen, selbst wenn es unbequem wird.
Wie das funktionieren kann, probiert er beim "Handelsblatt"-Energieforum am Dienstag aus. "Mein Leben", sagt er auf der Bühne, "könnte sehr viel leichter sein, wenn ich sage: Weißte was, du hast vielleicht 2037 ein Problem, das lösen wir 2036, mach doch!" Wasserstoffleitungen, Stromnetze, erneuerbare Energien – alles sei verpennt worden, weil es zunächst nur Geld koste und Politikern in ihrer Wahlperiode keinen Gewinn einbringe. Und jetzt müsse er, Robert Habeck, das eben alles machen. Das ist die Pointe, sein Verkaufsargument in eigener Sache.
Er wird es brauchen. Denn bei den Grünen machen sie sich insgeheim wenig Hoffnungen, dass es in der Ampelregierung bis zur Wahl im Herbst 2025 noch mal gemütlicher wird. Die FDP werde sich weiter gegen die Ampel profilieren, und die SPD angesichts mieser Umfragewerte nervös. Das Milliardenloch im Haushalt verschärft die Verteilungskämpfe in der Ampel zusätzlich.
Die Grünen selbst geloben zwar bei jeder Gelegenheit, weniger streiten zu wollen, in der Hoffnung, dass ihre Wähler zumindest ihr Bemühen goutieren. Viele Grüne bezweifeln trotzdem, dass sie noch große Projekte durchsetzen werden. Oder bezweifeln es gerade deshalb, weil sie die nötige Härte vermissen, die die FDP in Verhandlungen zeigt.
Immerhin, das betonen alle, sind die Grünen im Gegensatz zu FDP und SPD in den Umfragen vergleichsweise stabil. Mit 12 bis 16 Prozent liegen sie nicht weit von ihrem Bundestagswahlergebnis entfernt, den damals für sie enttäuschenden 14,8 Prozent.
In Habecks Lager plädieren sie dafür, nun vor allem die Früchte der eigenen Arbeit einzufahren. Die könne sich sehen lassen, heißt es. Werbung in eigener Sache also. Und das natürlich mit der richtigen Körperhaltung, mit geradem Rücken. Was eben auch heißt: mit so wenig Murren aus den eigenen Reihen wie möglich.
Ob das am Ende noch mal für die Regierung oder gar das Kanzleramt reicht? Das ist eine ganz andere Frage.
- Eigene Recherchen und Beobachtungen