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AfD im Höhenflug: Es gibt eine Chance, sie zu stoppen


Meinung
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Die subjektive Sicht des Autors auf das Thema. Niemand muss diese Meinung übernehmen, aber sie kann zum Nachdenken anregen.

Was Meinungen von Nachrichten unterscheidet.

Wer stoppt die AfD? Und wie?
Das ist die letzte Chance

MeinungEine Kolumne von Christoph Schwennicke

26.09.2023Lesedauer: 4 Min.
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AfD-Chefin Alice Weidel: Ihre Kandidatur wird kommen. (Quelle: IMAGO/M. Popow)
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Die AfD erklimmt immer neue Gipfel in den Umfragen. Solange die Bundesregierung und die EU die irreguläre Migration nicht in den Griff bekommen, wird das so bleiben, meint unser Kolumnist.

Decke? Durchstoßen. Woche für Woche geht das schon so. Decke, Durchstoßen. Bei jeder neuen Umfrage scheint die AfD ihr Maximum erreicht zu haben. Ein Maximum, das vor zwei, drei Jahren kaum jemand für möglich gehalten hätte. Wahrscheinlich nicht einmal die AfD selbst. Und dann durchsticht die Linie der Prozentpunkte abermals diese vermeintliche Decke. Vergangene Woche erreichten die Blauen in der Sonntagsfrage des Meinungsforschungsinstituts Insa zum ersten Mal 22 Prozent.

Auf einer ähnlichen Höhe der Umfragewerte haben sich die Grünen vor der jüngsten Bundestagswahl erstmals eine Kanzlerkandidatin gegönnt. Annalena Baerbock sahen weite Teile des Kommentariats schon so gut wie angekommen im Kanzleramt. Wer das in Zweifel zog oder behauptete, dass es niemals so kommen würde, galt als ziemlich schräger Vogel.

Die Machtfrage ist geklärt

Es wird also aus Sicht der AfD folgerichtig und legitim sein, ebenfalls mit einem Kanzlerkandidaten oder einer -kandidatin zur nächsten Bundestagswahl anzutreten. Nach Lage der Dinge: Alice Weidel. (Die Machtfrage ist bei den Populisten geklärt, und Tino Chrupalla ist in vielerlei Hinsicht kein Robert Habeck.)

Auf politischen Landkarten ist der Osten inzwischen komplett blau. Die AfD liegt als zweitstärkste Kraft nur noch fünf Prozentpunkte hinter der Union und ebensolche fünf vor der SPD. Rein mathematisch ist das Kanzleramt also in Reichweite.

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Politisch ist es das natürlich nicht. Weil keine andere derzeit existierende Partei mit der AfD koalieren würde. Was beruhigend ist und nach Lage der Dinge (Teile der AfD sind als gesichert rechtsextrem eingestuft) auch gar nicht anders denkbar. Der AfD aber wiederum ermöglicht es, in die Rolle einer Märtyrerin zu schlüpfen. Seht her, die anderen ächten uns und damit euch, die ihr uns unterstützt.

Zwei Umstände bringen die AfD in die komfortable Position, nurmehr die Rockschöße aufhalten zu müssen, und schon fallen ihr abermals mehr Wählerstimmen hinein. Das eine ist ein politisches Muster von Reiz und Reaktion. Und das andere ein alles überwölbendes und überragendes Thema, ohne das die AfD nie in diese Position gekommen wäre.

Politik aus dem Rückenmark

Die AfD ist eine Partei des Reflexes, nicht der Reflexion. Sie macht Politik aus dem Rückenmark, nicht aus dem heraus, was sich oberhalb des Halses an die Wirbelsäule anschließt. Leider herrscht im politischen Betrieb derzeit zu viel Reflex und zu wenig Reflexion. Auch bei den etablierten Parteien.

Jüngstes Beispiel: Als die CDU in Thüringen ein Gesetz mit den Stimmen der AfD zustande gebracht hat, um die Grunderwerbsteuer zu senken. Reflexhaft haben viele, ich würde sagen: die meisten, auch und gerade in der CDU reagiert: Geht gar nicht! Ein Tabu ist gebrochen! Wir sind auf einer Rutschbahn!

Nur wenige reagierten reflektiert und differenziert wie die schleswig-holsteinische CDU-Bildungsministerin Karin Prien und der CDU-Vordenker und Historiker Andreas Rödder. Prien wurde von ihrem Chef, Ministerpräsident Daniel Günther, eingebremst, Rödder als praxisferner Intellektueller beiseitegeschoben. Dieser Mehrheitsreflex brachte die AfD abermals in die komfortable Position der Märtyrerin. Rockschoß auf, und hineinfielen weitere Sympathisanten.

Um es in den Worten eines früheren Bundeskanzlers zu sagen: Die CDU braucht mehr Prien, weniger Günther, wenn sie die Stimmen der Vernunftbegabten von der AfD zurückgewinnen will. Was nicht nur für sie gut wäre. Sondern ein Segen fürs ganze Land.

Damit zum alles überwölbenden Thema. "Its the econmy, stupid!" – "Auf die Wirtschaft kommt es an!", lautete vor Jahren der Slogan eines Wahlkampfstrategen namens James Carville, der seinen Chef Bill Clinton 1992 zum Präsidenten der Vereinigten Staaten von Amerika machte. "It’s the migration, stupid!", kann man in Anlehnung an Carville hier und heute sagen. Das Thema steht ganz oben auf den Prioritätenlisten, gleichauf mit Klimawandel und Krieg.

Im Unterschied zu den beiden konkurrierenden Themen haben aber zu viele das Gefühl, dass bei der irregulären Migration seit Jahren nichts passiert. Sie empfinden das als einen Kontrollverlust. Alt-Bundespräsident Joachim Gauck hat das vor einigen Tagen präzise und korrekt so diagnostiziert. Und nur zur Erinnerung: Vor dem Flüchtlingsherbst 2015 stand die AfD bei einem Tiefpunkt von drei Prozent in den Umfragen. Der damalige Unionsfraktionschef Volker Kauder (und nicht nur er) hielt das Thema AfD für erledigt.

Acht Jahre sind eine lange Zeit

Es ist aber da. Und es wird dableiben, solange die Bundesregierung und die Europäische Union die irreguläre Migration nicht in reguläre Bahnen lenken. Acht Jahre sind eine lange Zeit. Was zu lange währt, wird irgendwann Wut. Auch bei jenen, die weder rechtsradikal noch antidemokratisch sind, wie jüngst eine Allensbach-Umfrage erwies. Die Regierung muss das jetzt, acht Jahre nach 2015, begreifen und handeln. Sonst ist nichts mehr unmöglich.

Die dänischen Sozialdemokraten haben das rechtzeitig erkannt und ihre Migrationspolitik konsequent restriktiv ausgerichtet. In Italien dagegen haben die bürgerlichen und die sozialdemokratischen Parteien die Macht längst an die Radikalen verloren. Dänemark oder Italien: Es sollte die verantwortungsbewussten Parteien im Deutschen Bundestag vereinen, für welchen Weg man sich besser entscheidet.

Der sogenannte Migrationspakt ist die große Chance dafür. Vielleicht die letzte.

Verwendete Quellen
  • Eigene Überlegungen, Allensbach-Studie, Wahlrecht.de
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