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Haushaltsplan der Bundesregierung: Christian Lindner operiert riskant


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"Da kommt ein Eisberg"
Ihm bleiben noch 71 Tage


Aktualisiert am 06.09.2023Lesedauer: 5 Min.
Berlin: Scholz bei der Generaldebatte im Bundestag.Vergrößern des Bildes
Berlin: Scholz bei der Generaldebatte im Bundestag. (Quelle: Michael Kappeler)
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Im Bundestag verteidigen Finanzminister Lindner und Kanzler Olaf Scholz ihre Haushaltsplanung. Doch in den Reihen der Koalition brodelt es bereits. Droht neuer Krach?

Olaf Scholz wirkt in diesen Tagen wie verwandelt. Erst postete er ein Foto von sich mit Augenklappe auf Instagram und schrieb: "Wer den Schaden hat ... Bin gespannt auf die Memes." Und nun, am Mittwochnachmittag, explodierte Scholz regelrecht am Rednerpult des Bundestages.

Der Kanzler pfefferte seine Sätze nur so heraus: "Die Bürgerinnen und Bürger sind diesen Stillstand leid! Und ich bin es auch. Wo immer ich in diesen Monaten im Land unterwegs bin, höre ich dieselbe Botschaft: 'Sorgt dafür, dass Deutschland wieder auf Vordermann kommt, dass wir schneller werden, unkomplizierter, weniger bürokratisch!'"

Deshalb schlägt Scholz nun vor: Es soll einen sogenannten "Deutschland-Pakt" geben. "Tempo statt Stillstand! Handeln statt Aussitzen! Kooperation statt Streiterei!", sagt er. Eigentlich geht es in dieser Woche um die Ausgaben des Bundes, die Haushaltsplanung für das Jahr 2024. Das nimmt der Kanzler als Anlass, um über grundlegende Reformen zu reden. Mit unserer Finanzpolitik geht es voran, so sieht er das.

Video | Scholz fordert in Ruck-Rede nationale Kraftanstrengung
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Quelle: reuters

Nun herrscht Einigkeit – zumindest vorerst

Es ist die erste Sitzungswoche nach der Sommerpause. Und bei der Haushaltspolitik geht es um die großen Linien: Wofür die Regierung ihr Geld ausgeben will, wo die Prioritäten sind. Und die liegen aus der Sicht des Finanzministers vor allem beim Sparen. Wochenlang war es zuvor hin und her gegangen, die grüne Familienministerin Lisa Paus hatte sogar ein von Lindner geplantes Gesetz zur Unterstützung der Wirtschaft im Kabinett blockiert – bekam jedoch trotzdem nur wenig mehr Geld für die von ihr vorangetriebene Kindergrundsicherung. Nun herrscht Einigkeit über die Haushaltsplanung. Zumindest vorerst.

Im nächsten Jahr soll die Schuldenbremse wieder eingehalten werden, ein Herzensprojekt der FDP. Im Haushaltsentwurf sind für das Jahr 2024 Ausgaben in Höhe von etwa 445 Milliarden Euro vorgesehen. Das sind rund 30 Milliarden Euro weniger als in diesem Jahr, aber immer noch rund 90 Milliarden Euro mehr als 2019, dem letzten Haushalt vor der Pandemie.

Wer die Auftritte von Bundeskanzler Olaf Scholz und zuvor auch Finanzminister Christian Lindner im Bundestag verfolgte, für den zeichnet sich das Bild einer Regierung, die keine Zweifel hat. Lindner und Scholz sind überzeugt: Mit der aktuellen Planung der Staatsfinanzen kommt das Land sicher aus der Krise. Die Eisberge werden also umschifft. Viele in der Opposition, beispielsweise CDU-Chef Friedrich Merz, sehen das völlig anders. Wie gut die Planung von Lindner und Scholz wirklich funktioniert, dürfte sich in den kommenden Wochen zeigen: Dann, wenn sich Grüne und SPD dazu klarer äußern. Denn auch in der Kanzlerpartei gärt es bereits.

Etwa 24 Stunden vor der großen Rede von Scholz, am Dienstagmittag, griff Christian Lindner ebenfalls zu großen Worten. Er wollte sichergehen, dass ihn jeder versteht. Lindner, blauer Anzug, ernste Miene, trat also ans Rednerpult des Bundestages und sagte: "Hinter der Horizontlinie, für uns noch nicht sichtbar, da kommt ein Eisberg. Um nicht zu sagen: ein Eisbergfeld." Und dann: "Wir stehen in der Verantwortung, nicht zu warten, bis der Eisberg vom Horizont vor den Bug gekommen ist." Die Bundesrepublik als "Titanic", ein Land als Ozeandampfer, der jetzt den Kurs korrigieren muss. Sonst droht erst der Zusammenprall und dann der Untergang, so sieht das der Finanzminister.

Lindner nutzte die Debatte im Bundestag neben seinem Vergleich mit der "Titanic" für ein paar grundsätzliche Sätze. Er sagte: "Keine strukturellen Mehrausgaben ohne Gegenfinanzierung!" Oder: "Unser Land insgesamt hat kein Einnahmeproblem, sondern ein Ausgabeproblem." Es ist der große Song der liberalen Haushaltspolitik: sparen statt Geld ausgeben. Die Anstrengung jetzt sei vergleichbar mit den Jahren 2010 und 2011, so Lindner, damals ging es um den Weg zur Erreichung der Schuldenbremse. Nun gehe es um den Weg dorthin zurück.

Das Finanzministerium twitterte am Dienstag während Lindners Rede eine Grafik: "Insgesamt ist unsere Sozialquote im historischen Vergleich auf sehr hohem Niveau, so Minister Lindner. Unser Sozialstaat kann nicht weiter wachsen. Zwei Drittel des Bundeshaushalts werden 2024 durch Sozialausgaben, Personal- und Zinskosten gebunden sein." Christian Görke, Finanzpolitiker der Linkspartei, sagt dazu: "Die Ampel hat ein Herz für Panzer und nicht für unsere Kinder! Die traurige Wahrheit des Bundeshaushaltes 2024."

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Der Kanzler sieht das völlig anders. "Mehltau" lähme die deutsche Wirtschaft, erklärte Scholz in seiner Rede. Und der sorge für "Frust bei den Leuten im Land, die einfach wollen, dass Deutschland wieder ordentlich funktioniert."

Scholz bemüht sich, die Haushaltsplanung des Bundes in ein größeres Bild einzubetten. Und zwar das eines Landes, das nun umsteuert – da klingt er fast wie Christian Lindner, der Zusammenstöße mit Eisbergen vermeiden will. Auch deshalb soll es eben jetzt den "Deutschland-Pakt" geben.

Kanzler Scholz glaubt nicht, dass der Staat deutlich mehr Geld ausgeben muss. In seiner Rede ging Scholz auf die digitale Verwaltung ein, in der das Land noch zurückhängt. Der Kanzler sagte: "Dieses Vorhaben scheitert nicht am Geld." Und: "In den zurückliegenden vier Jahren hat der Bund den Ländern und Kommunen dafür 1,4 Milliarden Euro zur Verfügung gestellt. Hunderte Millionen davon können immer noch abgerufen werden." Es ist wie eine Botschaft an die deutschen Ministerpräsidenten, die sich heute in Brüssel versammeln: Macht mal vorwärts in euren Ländern, der Bund gibt schon genug Geld aus.

Ob die Planung aufgeht, hängt von den Parteien ab

Scholz bemüht große Sätze ("Beweisen wir den Bürgerinnen und Bürgern, wozu unser Land, unser Föderalismus und unsere Demokratie imstande sind!") und verknüpft das mit einer Verteidigung der aktuellen Planung: "24 Milliarden Euro an zusätzlichem Investitionsspielraum erhält die Bahn in den kommenden vier Jahren. Das ist das größte Investitionsprogramm in so kurzer Zeit seit der Dampflok."

Wo Lindner noch auf die Gefahren von zu vielen Ausgaben hingewiesen hatte, zeigte der Bundeskanzler: Wir machen doch schon sehr viel – das reicht auch, um die Eisberge dann zu umschiffen. Ob das wirklich klappt, hängt aber vor allem von den Parteien der Ampelkoalition ab.

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Bei den Grünen ist der Groll noch immer groß. Dass Familienministerin Lisa Paus vorerst nur etwas mehr als 2 Milliarden für die von ihr geplante Kindergrundsicherung bekommt, stößt vielen bitter auf. Paus hatte zwölf Milliarden gefordert. So viel hätte es nicht sein müssen, sagt mancher grüne Haushälter, aber ein wenig mehr Entgegenkommen vom Finanzminister hätten sich viele gewünscht.

Noch deutlicher wird mancher in der SPD. Beispielsweise der Chef der SPD-Fraktion, Rolf Mützenich. Der sagte gerade im Deutschlandfunk, er wolle "dem Eindruck widersprechen, als ob der Bundestag nicht noch weiterhin Gestaltungsspielraum sieht". Im Klartext: Lieber Kanzler, lieber Christian, das letzte Wort ist noch lange nicht gesprochen. Man werde "Ideen einbringen", diese "mit den Koalitionspartnern besprechen" und "natürlich auch die Bundesregierung dabei einbeziehen". Er stehe zwar zur beschlossenen Schuldenbremse, erklärte Mützenich, doch abseits davon sieht der einflussreiche SPD-Politiker noch deutlich mehr Spielraum als der Finanzminister.

Es stehen turbulente Wochen bevor. Die Bereinigungssitzung, wenn der Haushaltsausschuss in einer langen Berliner Nacht final über den Etat entscheidet, ist noch weit entfernt. Am 16. November findet sie statt, 71 Tage sind das noch. Noch reichlich Zeit, um Ideen einzubringen, wie es Mützenich formulierte.

Verwendete Quellen
  • Eigene Recherche
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