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Vorstoß | Leere Rentenkassen: Und wenn die Beamten einfach länger arbeiten?


Debatte um längere Lebensarbeitszeit
Jetzt müssen die Beamten ran – oder?

Von dpa, TiK, vo, mir

Aktualisiert am 16.08.2023Lesedauer: 3 Min.
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Arbeiter im Rentenalter (Symbolbild): Die Lebenserwartung steigt, darum sollen die Menschen länger arbeiten, fordert die Wirtschaftsweise Veronika Grimm. (Quelle: AnnaStills/getty-images-bilder)
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Die Wirtschaftsweise Veronika Grimm schlägt vor, das Rentenniveau an die Lebenserwartung zu koppeln. Wäre es denkbar, dass bestimmte Berufsgruppen deshalb später in den Ruhestand gehen als andere?

Veronika Grimm klingt gut gelaunt, wenn man sie in diesen Tagen anruft. Dabei hat die 57-Jährige, die zu den "Wirtschaftsweisen" in Deutschland zählt, gerade eine Welle der Entrüstung losgetreten. Sie hatte gefordert, das Renteneintrittsalter anzuheben. Grimm schlug vor: "Die Formel in Zukunft könnte sein: Nimmt die Lebenserwartung um ein Jahr zu, so würden zwei Drittel des zusätzlichen Jahres der Erwerbsarbeit zugeschlagen und ein Drittel dem Ruhestand." Ausnahmen müsse es bei gesundheitlichen Beeinträchtigungen geben. Ein politischer Aufstand war die Folge.

Die SPD-Vorsitzende Saskia Esken schloss eine Verlängerung der Lebensarbeitszeit kategorisch aus. Auch CDU-Generalsekretär Carsten Linnemann kritisierte, man könne das Rentenalter nicht pauschal erhöhen. Es ruckelte im Berliner Apparat.

Doch Grimm hatte nichts anderes erwartet. Eine strikte Abwehrhaltung ist oft die Reaktion der Politik, wenn eine Erhöhung des Renteneintrittsalters gefordert wird. Grimm geht es ums Prinzip: Die gesetzliche Rente ist auf Dauer unterfinanziert, weil es immer weniger Beitragszahler gibt. Das liegt vor allem daran, dass die Gesellschaft immer älter wird. Gebraucht werde daher eine grundlegende Reform, findet die Ökonomin.

"Ohne eine Erhöhung des Rentenalters wird es nicht aufgehen"

Eine solche Reform fordert auch der Sozialverband VdK – allerdings eine sozial gerechte, wie Präsidentin Verena Bentele t-online sagt: "Menschen, die ein Leben lang in körperlich oder psychisch anstrengenden Berufen gearbeitet haben, müssen früher in Rente gehen können." Denn einerseits könnten viele Menschen in solchen Berufen schon aus gesundheitlichen Gründen nicht länger arbeiten. Anderseits sei ihre Lebenserwartung geringer. "Die Realität sieht so aus, dass ein Beamter mit gutem Verdienst und guten Arbeitsbedingungen länger lebt als ein Arbeiter, der bis zur Rente am Fließband oder auf der Baustelle schuftet."

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Genau das hatte eine Studie des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW) im Auftrag des VdK vor zwei Jahren nachgewiesen. Demnach ist die Lebenserwartung von Arbeitern im Vergleich beispielsweise zu Beamten etwa vier Jahre geringer. Bei Rentnerinnen und Rentnern, die in Berufen mit einer hohen Belastung gearbeitet haben, sind es drei Jahre weniger im Vergleich zu jenen, bei denen die Belastung niedriger war.

Müsste daraus nicht der Schluss gezogen werden, dass bestimmte Berufsgruppen wie etwa Beamte länger, andere dafür kürzer arbeiten sollten? Die Wirtschaftsweise Grimm sagt dazu am Telefon: "Zwischen Berufsgruppen zu differenzieren, dürfte neue Diskussionen auslösen. Das kann ein heikler Ansatz sein." Einerseits.

Beamte rücken in den Fokus der Debatte

Andererseits sagt sie: "Es gibt einen dringenden Reformbedarf bei der Altersversorgung von Beamten, auch da gibt es ein Tragfähigkeitsproblem. Die Pensionsansprüche sind oft nicht ausreichend durch Rücklagen gedeckt. Es kann auch darüber nachgedacht werden, ob wirklich überall hoheitliche Aufgaben erfüllt werden, sodass eine Verbeamtung notwendig ist." Die bestehenden Pensionsansprüche müssten jedoch erfüllt werden, so Grimm.

Eine andere Lösung schlägt VdK-Präsidentin Bentele vor: "Statt das Renteneintrittsalter immer weiter hochzuschrauben, müssen andere Wege gefunden werden, die Renten zu finanzieren: Österreich ist den Weg gegangen, dass inzwischen wirklich alle Erwerbstätigen in die Rentenversicherung einbezogen werden, also auch Beamtinnen und Beamte sowie Selbstständige und Politikerinnen und Politiker." Einen solchen Weg fordert der VdK auch für Deutschland. Er wird dabei unterstützt vom Deutschen Paritätischen Wohlfahrtsverband, der ebenfalls ein einheitliches, starkes Rentensystem fordert, in das alle einzahlen.

Der Kanzler ist dagegen

"Wir müssen über die Abschaffung des Beamtenstatus und anderer Versorgungssysteme, etwa bei Freiberuflern wie Architekten und Ärzten, nachdenken, um ein einheitliches starkes Rentensystem zu stärken", sagte dessen Hauptgeschäftsführer Ulrich Schneider. Er verweist ebenfalls auf die enorme Lebenserwartungsdifferenz zwischen Arm und Reich: So lebe ein reicher Mensch im Schnitt 87 Jahre, ein armer nur 72. Die Durchschnittswerte der Lebenserwartung zu addieren, wie es die Wirtschaftsweise Grimm vorschlägt, davon hält Schneider daher ebenso wenig wie Bentele.

Die Idee für eine Kopplung des Renteneintrittsalters an die Lebenserwartung brachte jüngst die CDU ins Gespräch. Die Partei erarbeitet derzeit ein neues Grundsatzprogramm. Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) lehnte die Überlegungen allerdings strikt ab. "Ich bin der festen Überzeugung, dass wir es jetzt nicht mehr nötig haben, das Renteneintrittsalter immer weiter anzuheben", sagte er kürzlich bei einer Dialogveranstaltung mit Bürgerinnen und Bürgern in Erfurt.

Für Grimm ist die Sache hingegen klar: "Man kann und muss auch andere Maßnahmen vorantreiben, um die Tragfähigkeit der Rentenversicherung zu erhöhen – etwa im Bereich der Beamtenversorgung und der Schaffung einer Stärkung der kapitalgedeckten Altersvorsorge." Dann fügt sie hinzu: "Aber ohne eine Erhöhung des Renteneintrittsalters wird es insgesamt nicht aufgehen." Die Debatte dürfte also nicht so bald enden.

Verwendete Quellen
  • Telefongespräch mit Veronika Grimm
  • Statements von Verena Bentele und Ulrich Schneider
  • Studie von Peter Haan und Maximilian Schaller: Heterogene Lebenserwartung, DIW Berlin, 2021
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