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Koalitionsverhandlungen: Probleme bei Innerer Sicherheit und Migration


Innere Sicherheit in Koalitionsverhandlungen
Der Streit droht bei den Posten


Aktualisiert am 27.03.2025Lesedauer: 5 Min.
Lars Klingbeil (SPD, links) und Friedrich Merz (CDU, rechts) bei einem Gespräch im Bundestag (Archivbild).Vergrößern des Bildes
Lars Klingbeil (SPD, links) und Friedrich Merz (CDU) bei einem Gespräch im Bundestag (Archivbild): Sie müssen sich noch in vielen Bereichen einigen. (Quelle: IMAGO/imago-images-bilder)
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Die erste Runde der Koalitionsverhandlungen ist abgeschlossen. Bei der Inneren Sicherheit und Migration gibt es aber noch immer viele Streitpunkte. Was bedeutet das für den Kurs der neuen Regierung?

Am Anfang liefen die Koalitionsverhandlungen noch erstaunlich geräuschlos ab. Kaum eine Information drang aus den 16 Arbeitsgruppen nach außen. Still und leise verhandelten Union und SPD anhand des Sondierungspapiers über Kompromisse in den einzelnen Themengebieten.

Doch je näher das Ende der ersten Verhandlungsrunde kam, desto klarer und öffentlicher wurden auch die Differenzen – insbesondere in der Arbeitsgruppe 1, die sich mit den Themen Innen, Recht, Migration und Integration beschäftigte. Bei der Klärung einzelner Punkte soll die Stimmung in den finalen Tagen endgültig gekippt sein. Die "Bild"-Zeitung berichtet gar, dass SPD-Verhandlungsführer Dirk Wiese wutentbrannt den Raum verlassen habe. Die SPD verweist hingegen auf "ein Theaterspiel der Union" und kehrt den Spieß um: "Das Einzige, was war: Die Union hat sich kurzfristig beleidigt zurückgezogen."

Egal, wer die Verhandlungen abgebrochen hat – fest steht: Die Gespräche waren kompliziert. Das zeigt sich auch an den Ergebnissen. Am Montag mussten alle Verhandler ihre Resultate abgeben. Und bei der Arbeitsgruppe 1 gibt es insbesondere bei der Inneren Sicherheit und der Migration deutliche Differenzen. Dort wartet viel Arbeit auf die 19er-Runde mit den Parteispitzen, die nun den Koalitionsvertrag ausverhandeln müssen.

Zwar wollen beide die Migration beschränken und den Sicherheitsbehörden mehr Befugnisse geben – in welchem Ausmaß das geschehen soll, darüber wird noch gestritten. Aber es gibt Hoffnung: Nicht überall hakt es. Lesen sie hier mehr zu den Ergebnissen bei der Migration.

Innere Sicherheit: Wie viel "Offensive" gibt es?

Denn über den grundsätzlichen Kurs der Inneren Sicherheit sind sich beide Partner einig. Sie schreiben von einer "Sicherheitsoffensive". Wie offensiv die neue Regierung aber tatsächlich vorgehen wird, ist fraglich. So tauchen einige wichtige Aspekte kaum auf.

Ferdinand Gehringer, Referent für Innere Sicherheit bei der Konrad-Adenauer-Stiftung, bemängelt: "Mir fehlen Maßnahmen gegen Spionage- und Sabotageversuche, die es in den vergangenen Monaten häufig gab. Da war ich beim Lesen überrascht." Neue Ansätze bei der Cyberabwehr begrüßt er dagegen, allerdings gebe es in dem Papier zu wenig konkrete Befugnisse für die Umsetzung.

Ferdinand Gehringer
(Quelle: privat)

Zur Person

Ferdinand Gehringer ist Referent für Innere und Cybersicherheit bei der CDU-nahen Konrad-Adenauer-Stiftung. Er beschäftigt sich dabei insbesondere mit IT-Sicherheit, dem Schutz kritischer Infrastruktur sowie der nationalen Cybersicherheitsarchitektur.

Eine wesentliche Einigung wurde hinsichtlich der Vorratsdatenspeicherung von IP-Adressen erzielt, dort sind sich die Parteien allerdings noch nicht über die Dauer einig. In der Vergangenheit kippten Gerichte bereits die Speicherung der Daten, in Europa können sie aktuell bis zu sechs Monate gespeichert werden. Das will die Union voll ausreizen, die SPD will weniger Monate.

Auch auf den Abgleich biometrischer Daten mit öffentlichen Daten durch Künstliche Intelligenz konnten sich CDU, CSU und SPD einigen. Aber auch dort will die Union noch einen Schritt weitergehen und an Bahnhöfen, Flughäfen und anderen Kriminalitäts-Hotspots automatisierte Gesichtserkennungen einführen.

Dagegen wehrt sich die SPD ebenfalls. So präsentiert sich die SPD in den Verhandlungen teilweise als Verfechterin der digitalen Bürgerrechte und stellt sich immer wieder gegen die Forderungen der Union. So auch bei der Quellen-Telekommunikationsüberwachung, bei der es darum geht, Inhalte zu sichern, noch bevor sie verschlüsselt werden.

Wie sehr leidet der Datenschutz?

Dennoch betonten beide Partner gemeinsam, das "Spannungsverhältnis zwischen sicherheitspolitischen Erfordernissen und datenschutzrechtlichen Vorgaben" neu auszutarieren.

Eine Verletzung des Datenschutzes sieht Gehringer aber nicht: "Es geht nicht darum, das Gesetz zu brechen, sondern alle Ausnahmen auszureizen, um die Sicherheit zu erhöhen und keinen Nachteil im Vergleich zu anderen Ländern zu haben." Man habe dementsprechend kein Problem mit dem Datenschutz, sondern eher mit der Auslegung des Datenschutzgesetzes. Der Datenschutz werde so "für Belange der nationalen Sicherheit aufgeweicht".

Allerdings glaubt Gehringer, dass sich die Parteien in diesen Bereichen schnell einigen werden. Größere Probleme sieht er an anderer Stelle: "Die schwierigsten Einigungen wird es bei den Ämtern und Posten geben, weniger beim Klein-Klein um einzelne Befugnisse." So gibt es insbesondere noch großen Klärungsbedarf bei der Einrichtung neuer Institutionen.

Noch keine Einigung über die Posten

Die Union fordert einen nationalen Sicherheitsrat ebenso wie einen nationalen Krisenstab der Bundesregierung, die SPD möchte dagegen die Aufgaben des Polizeibeauftragten des Bundestages ausweiten. Den will die Union derweil abschaffen. Ein möglicher Grund: Aktuell wird er von der SPD besetzt.

"Ich vermute, dass es dazu bewusst noch keine Einigung gab, damit das die Spitzenrunde aushandeln kann", betont Gehringer. So bleibt auf beiden Seiten noch Verhandlungsmasse. Insbesondere einen Sicherheitsrat sieht Gehringer aber als notwendig an. So fehle bisher ein bundesweites, einheitliches Lagebild, das im Kanzleramt zusammenläuft – dort, wo die Entscheidungsbefugnis liegt.

Sollten sich die Verhandler letztlich darauf einigen, dürfte in der Union große Zufriedenheit herrschen.

Migration: Wie wirksam sind die Pläne?

Ähnlich groß sind die Differenzen bei der Migration. Die Migrationsexpertin Petra Bendel von der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg sieht im vorläufigen Ergebnis der Arbeitsgruppe "ein deutliches Ringen um eine verstärkte Kontrolle und Begrenzung von Migration einerseits und des Ermöglichens von Integration andererseits".

Ein vorheriger Streitpunkt wird allerdings kaum erwähnt. In dem Papier haben sich Union und SPD darauf geeinigt, Asylsuchende "in Abstimmung mit unseren europäischen Nachbarn" an den Grenzen abzuweisen. So stand es bereits im Sondierungspapier, in der Folge gab es aber große Differenzen, wie genau diese Abstimmung aussehen soll. Details stehen im neuen Papier allerdings nicht.

Die Politikwissenschaftlerin Petra Bendel sieht in der globalen Migration Chancen für alle Seiten.
(Quelle: Arno Burgi./dpa)

Zur Person

Prof. Dr. Petra Bendel forscht an der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg. Die Politikwissenschaftlerin leitet dort den Forschungsbereich Migration, Flucht und Integration (MFI). Zudem ist sie Mitglied des Beirats der Landesregierung Nordrhein-Westfalen für Teilhabe und Integration und Vorsitzende des Fachbeirats "Migration und Mobilität" des Goethe-Instituts. Zudem war sie Vorsitzende des Sachverständigenrats für Integration und Migration.

"Eine Zurückweisung von Asylsuchenden stößt an klare völkerrechtliche und europarechtliche Grenzen", sagt Bendel dazu. Dabei geht es etwa um das oberste Gebot der Nicht-Zurückweisung von Schutzsuchenden und faktische Hindernisse wie die mangelnde Kooperation der Nachbarländer.

Die Expertin bezweifelt zudem, dass die Zurückweisungen einen Effekt hätten. So ist die Zahl der Ankommenden aktuell rückläufig. Zudem kommt die Mehrheit der Zuwandernden auf legalem Weg (mit Visa und Pässen sowie aufgrund der Personenfreizügigkeit) nach Deutschland. Darüber hinaus seien "jene, die als unerlaubt aufhältig aufgegriffen werden, meist nicht irregulär eingereist, sondern vielmehr legal eingereist und sodann als 'overstayers'", also Aufenthaltsüberziehende, im Land geblieben.

Große Differenzen gibt es insbesondere bei dem Vorhaben, Asylverfahren in andere Länder auszulagern. Die Union befürwortet dies, die Sozialdemokraten äußern sich in dem Papier nicht dazu. Zudem besteht die Union darauf, dass insbesondere bei "Terrorunterstützern, Antisemiten und Extremisten" die deutsche Staatsbürgerschaft auch entzogen werden kann – vorausgesetzt, es gibt eine weitere Staatsbürgerschaft. Die SPD hat hier in der Vergangenheit bereits eine rote Linie gezogen.

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Doch es gibt auch Übereinstimmungen. Schließlich haben sich Union und SPD geeinigt: "Wir werden Migration ordnen und steuern und die irreguläre Migration wirksam zurückdrängen." So soll die Begrenzung der Migration wieder ausdrücklich in das Aufenthaltsgesetz aufgenommen werden.

Migrationsabkommen als Lösung?

Expertin Bendel sieht das kritisch und wünscht sich eine stärkere Orientierung an der Wissenschaft: "Die Migrationsforschung hat klargestellt, dass sich Migration nur begrenzt staatlich steuern lässt – und zwar nur dann, wenn eine solche Steuerung langfristig und evidenzbasiert erfolgt."

Ebendarum hält sie auch die Migrations- und Rückführungsabkommen, die die Koalitionspartner vermehrt anstreben, für nicht zielführend. Diese seien "in ihrer Attraktivität für die Herkunftsstaaten begrenzt". Die Staaten hätten andere Erwartungen und versprächen "sich vielmehr auch einen Zugang zu Märkten, regulärer Migration in Arbeitsmärkte, erleichterter Visavergabe oder Unterstützung in Umwelt- und Entwicklungsfragen". Die neue Bundesregierung müsste also mehr liefern.

Nun liegt der Ball also bei den Chefverhandlern der 19er-Runde. Auch wenn die Arbeit der Arbeitsgruppe erste Ergebnisse gebracht hat, so müssen die ganz dicken Brocken noch ausgeräumt werden.

Verwendete Quellen
  • Eigene Recherche
  • Gespräch mit Ferdinand Gehringer
  • Austausch mit Petra Bendel
  • Ergebnispapier der "AG 1 – Innen, Recht, Migration und Integration"
  • bild.de: "Die GroKo-SchMERZ-Geburt"

Quellen anzeigenSymbolbild nach unten

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