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Robert Habecks heikles Problem mit Rügen: Streit ums LNG-Terminal


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Affäre oder falsche Verdächtigung?
Habecks heikles Problem auf der Urlaubsinsel

  • Johannes Bebermeier
  • Jonas Mueller-Töwe
Von Johannes Bebermeier und Jonas Mueller-Töwe

Aktualisiert am 30.07.2023Lesedauer: 8 Min.
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Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck: Gegner mobilisieren gegen die LNG-Terminals vor Rügen. (Quelle: Thomas Trutschel/getty-images-bilder)
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Mit Flüssiggasschiffen will die Bundesregierung die deutsche Gasversorgung sichern. Zwei davon sollen ausgerechnet vor Rügen liegen. Der Widerstand auf der Urlaubsinsel ist riesig – und bekommt nun neue Nahrung.

Robert Habeck sieht angespannt aus, als er vor die Presse tritt. Es ist Mitte Mai, der Vizekanzler ist auf Rügen, aber an Urlaub ist nicht zu denken. Habeck ist auf einer heiklen Mission. Im Hafen Mukran will er durchkämpfen, wogegen sich seit Wochen Widerstand formiert, bei Umweltschützern, bei Touristikern, bei Politikern, bei Bürgern: ein Flüssiggasterminal, ausgerechnet hier vor der Ferieninsel.

"Wir brauchen weitere Kapazitäten", sagt Habeck. Die Versorgung Ostdeutschlands sei "bei Weitem" noch nicht sichergestellt. Zwei Spezialschiffe im Hafen Mukran sollen das ändern, noch in diesem Winter. So der Plan der Bundesregierung, so der Plan von Robert Habeck, den er bei diesem Besuch mitgebracht hat, seinem zweiten Besuch innerhalb weniger Wochen.

Ein Anwalt schürt Zweifel

Die "vielen lokalen Sorgen", sagt Habeck irgendwann, müssten durch gute Planung berücksichtigt werden. "Aber am Ende müssen wir für Deutschland handeln." Deshalb die schwierigen Gespräche. "Und ich hoffe, dass es nach diesem Tag weitergeht."

Weiter geht es seitdem, so viel ist heute klar. Allerdings nicht nur so, wie Habeck sich das vorgestellt hat. Der Bundestag hat den Plan zwar noch vor der Sommerpause in ein Gesetz gegossen. Doch der Widerstand auf Rügen ist ungebrochen. Und bekommt nun auch noch neue Argumente. Die Gemeinde Binz zweifelt am geplanten Betreiber des Terminals.

Die Deutsche ReGas ist im Grunde ein Flüssiggas-Start-up, das der Steuerberater Stephan Knabe und der Investmentbanker Ingo Wagner im vergangenen Jahr aus dem Boden gestampft haben. Mutige Macher, so werden sie in der Bundesregierung gesehen, auch in Habecks Haus. Doch woher stammt ihr Geld? Ein Anwalt der Gemeinde Binz wittert zweifelhaftes Kapital von den Kaimaninseln. Er hat vor Kurzem Anzeige erstattet, die Anti-Geldwäsche-Behörde Financial Intelligence Unit (FIU) eingeschaltet.

Beweise für fragwürdige Machenschaften gibt es bislang nicht, die ReGas weist die Vorwürfe entschieden zurück, spricht von einer "massiven Verdachts- und Desinformationskampagne". Doch die Zweifel sind erst einmal geweckt, auch wenn sie vermutlich unbegründet sind. Selbst bei Parteifreunden Habecks, die mit den Plänen ihres Vizekanzlers schon länger hadern. Öffentliche Dokumente, die t-online bereits seit Monaten vorliegen, geben Einblick in die Strukturen der ReGas. Sie klären zwar nicht alle offenen Fragen, liefern aber auch keine Hinweise auf illegale Aktivitäten. Der "Spiegel" berichtet sogar über interne Dokumente, die die Vorwürfe entkräften sollen.

Die Fragen kommen gerade recht

Am Ende könnte es zwar ein eher ungewöhnlicher Vorgang sein, bei dem aber alles rechtmäßig zugeht. Doch allein, dass es so etwas wie Zweifel gibt, ist für die ReGas riskant – und damit auch für die Bundesregierung. Denn die neuen Zweifel gesellen sich zu ohnehin vorhandenen politischen Problemen.

Das Projekt ist höchst umstritten. Nicht nur, weil es auf Rügen geplant ist. Die Insel lebt vom Tourismus. Da sind Hotels natürlich willkommener als Gastanker. Nein, es gibt auch ganz grundsätzliche Bedenken, ob die Bundesregierung nicht viel zu viele Terminals für Flüssiggas, kurz: LNG, baut. Also riesige Überkapazitäten schafft.

Im Kern steht also die Frage im Raum, ob Robert Habeck auf Teufel komm raus ein Projekt im Urlaubsparadies durchdrücken will, das niemand braucht. Da kommen Kritikern Fragen nach angeblich dunklen Hintermännern gerade recht. Sollten die Antworten tatsächlich unzureichend sein und die Pläne platzen, wäre das fatal. Am Ende könnte es viele Verlierer geben: die ReGas, Robert Habeck – und auch Kanzler Olaf Scholz.

ReGas spricht von "absurden Verdächtigungen"

Wie heikel allein der Verdacht für alle Beteiligten ist, zeigt sich an der Reaktion der Deutschen ReGas. In einer Pressemitteilung kündigte sie schon Anfang der Woche in der Überschrift an, gegen die "substanzlosen Verdächtigungen" vorzugehen. Der Anwalt der Gemeinde Binz habe "absurde Verdächtigungen" erhoben, die von Medien "unseriös" weiterverbreitet worden seien. Das Unternehmen bereite "äußerungsrechtliche und haftungsrechtliche Schritte" vor.

Die ReGas habe "transparente und robuste Gesellschafter- und Finanzierungsstrukturen", alle Investoren seien bekannt. Eine Rechtsanwaltskanzlei soll die Vorwürfe gegen die Investoren im Auftrag der ReGas "unabhängig" prüfen. Man sei überzeugt, "dass die fachliche und objektive Untersuchung aus Sicht der Gesellschaft die ohne jegliche tatsächlichen Anhaltspunkte und zu Unrecht erhobenen Vorwürfe der Intransparenz bis hin zur Geldwäsche vollständig widerlegen wird".

Habecks Wirtschaftsministerium betont auf Anfrage einerseits, dass es sich um ein "rein privatwirtschaftliches" Projekt handle. Es gebe "keinerlei finanzielle oder sonstige öffentliche Beteiligung des Bundes". Zugleich stärkt das Ministerium der ReGas den Rücken.

Das liegt auch daran, dass die Unternehmer bereits seit einigen Monaten Flüssiggas anlanden. Vor Lubmin liegt ein erstes Spezialschiff, das nun bald mit einem weiteren, vom Bund gemieteten Schiff in den Hafen Mukran auf Rügen umziehen soll. Aus Habecks Haus heißt es: "Dem Bund liegen keinerlei Informationen oder Anhaltspunkte vor, die darauf hindeuteten, dass der zuverlässige Betrieb in Lubmin nicht gewährleistet wäre oder die zuständigen Behörden Bedenken im Hinblick auf die Zuverlässigkeit der Regas hätten."

Doch andererseits teilt das Ministerium mit, man erwarte, "dass das Unternehmen zur Aufklärung der derzeit erhobenen Vorwürfe beiträgt".

Der Stein des Anstoßes

Unbestritten ist, dass die Strukturen des LNG-Unternehmens unkonventionell und komplex anmuten. Hinter der Deutsche ReGas GmbH selbst steht als Alleingesellschafterin die von Investmentbanker Ingo Wagner geführte WCP Deutschland GmbH. Das geht aus den Unterlagen des Handelsregisters hervor. Hinter der WCP wiederum stehen zwei GmbHs der beiden Eigentümer.

Eine davon, die Grundwerte Verwaltungs GmbH, hat Wagner im Namen des Cirsio Alternative Master Fund Limited gegründet. Sitz des Fonds sind die Cayman Islands, ein für seine Intransparenz berüchtigtes Steuerparadies, das von der EU als Geldwäsche-Risikoland eingestuft wird. Erst 2021 übernahm Wagner die Gesellschaftsanteile persönlich. Seitdem besteht keine Verbindung mehr dorthin. Der "Spiegel" berichtete, außer der Gründungseinlage über 25.000 Euro sei überhaupt kein Geld von den Cayman Islands geflossen.

Das hält die Stadt Binz und ihren Anwalt offenbar nicht davon ab, daraus den Verdacht der "gewerbsmäßigen Geldwäsche" abzuleiten, den sie zur Anzeige gebracht haben, wie die "Süddeutsche Zeitung" zuerst berichtete. Strafanzeigen sind allerdings schnell gestellt, ob Ermittlungen eingeleitet werden, ist noch unklar. Und selbst wenn dies passieren würde, gilt bis zu einem Urteil die Unschuldsvermutung.

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Die Unternehmer fühlen sich zu unrecht verdächtigt. "Da wird ein Sachverhalt konstruiert, weil sich die Cayman Islands als Standort dieses Fonds – was international völlig üblich ist – sehr schön eignen, um daraus so eine Räuberpistole zu schmieden", sagte ReGas-Aufsichtsratsvorsitzender Stephan Knabe dem NDR.

Der Fonds habe 2011 alle externen Investoren ausgezahlt und sich danach im Alleinbesitz von Wagner befunden, heißt es darüber hinaus in einer Mitteilung des Unternehmens. Und: Die WCP Deutschland GmbH sei gar "nicht am Kapital oder der Finanzierung der Deutschen ReGas beteiligt". Vielmehr seien sämtliche Investoren und die Herkunft der Gelder durch die kontoführenden Banken überprüft worden.

Der Sohn des Supermodels

Darauf hinzuweisen scheint wichtig zu sein, denn zur Diskussion über ReGas trägt nicht nur die Gesellschaftsstruktur der Firma bei, sondern auch die Finanzierungsstruktur der LNG-Terminals. Um die Vorhaben stemmen zu können, warben Knabe und Wagner Geld von privaten Investoren ein – insgesamt sind es mittlerweile mehr als 50 Einzelaktionäre. Gemeinsam stellen sie nach Angaben der ReGas über sogenannte Aufgelder zu den Anteilen fast 100 Millionen Euro bereit.

Unter den Aktionären befinden sich international renommierte Unternehmen wie die niederländische Reederei Anthony Veder Shipping und der Infrastrukturinvestor Macquarie. Die Selfmade-Energieversorger Wagner und Knabe haben allerdings nie einen Hehl daraus gemacht, für ihr Unternehmen auch Geld bei den Reichen und Schönen eingesammelt zu haben, bei sogenannten "Family Offices" unter anderem in den USA. Das führt dazu, dass einige der Aktionäre durchaus kurios anmuten.

Zum Beispiel derjenige, der auch im fünfköpfigen Aufsichtsrat der Deutschen ReGas sitzt: Charles "Rusty" Holzer ist der Sohn des früheren Supermodels "Baby" Jane Holzer, die durch ihre Arbeit mit dem Künstler Andy Warhol berühmt wurde. Ihr Sohn hat wesentlich weniger Aufmerksamkeit erfahren – obwohl er 1992 als Springreiter für die Virgin Islands bei den Olympischen Spielen in Barcelona antrat. Seither verwaltet er das Familienvermögen.

Zuletzt aber, kurz nachdem er seinen Aufsichtsratsposten bei der Deutschen ReGas übernommen hatte, untersagte ihm die US-Börsenaufsicht SEC bestimmte Finanz- und Börsengeschäfte. Zwar wurde ihm der zugrunde liegende Vorwurf des Insiderhandels nicht nachgewiesen, er stimmte aber in einem zivilrechtlichen Vergleich einer Zahlung in Höhe von mehr als 800.000 US-Dollar zu.

Was sich in den Dokumenten, die t-online vorliegen, nicht findet, sind Hinweise auf "mögliche Spuren zu russischen Oligarchen", wie die "Süddeutsche Zeitung" behauptete. Entsprechend teilte das Unternehmen auf Anfrage von t-online mit: "Der Vorwurf entbehrt jeglicher Grundlage und ist frei erfunden."

Ein gefährliches Gemisch

Gut möglich also, dass am Ende von keinem der Vorwürfe etwas übrig bleibt. Die Deutsche ReGas sähe sich entsprechend bestätigt. Doch für Robert Habeck und die Bundesregierung bliebe die Sache trotzdem heikel. Irgendetwas bleibt immer hängen, darauf setzen möglicherweise auch die Gegner der Terminals.

Denn es geht längst nicht nur um die Frage, wer eigentlich in die neue Energieinfrastruktur investiert. Manche Grüne nehmen Habeck nach wie vor nicht ab, dass Deutschland so viele LNG-Terminals braucht. Dass mehrere davon nur als "Sicherheitspuffer" benötigt werden sollen, überzeugt sie nicht.

Da hilft offenbar auch eine Stellungnahme der Bundesnetzagentur nichts, die Habecks Sichtweise stützt. Für fossile Infrastruktur in fragile Ökosysteme einzugreifen, die wahrscheinlich gar nicht gebraucht wird, halten seine parteiinternen Kritiker für unverantwortlich.

Auch für Scholz heikel

Diese grundsätzlichen Zweifel verbinden sich schon jetzt mit dem massiven Protest von Bürgern, Umweltverbänden und Touristikern zu einem Gemisch, das es in sich hat. Und nun kommen eben noch die Zweifel hinzu, die die Gemeinde Binz an den geplanten Betreibern formuliert. "Die Informationen über die Aktivitäten der ReGas werfen einige Fragen auf", sagte Grünen-Klimapolitikerin Lisa Badum t-online. "Ungereimtheiten müssen lückenlos aufgeklärt werden."

Grünen-Wirtschaftspolitiker Felix Banaszak kündigt an, dass sich auch der Bundestag damit beschäftigen werde. "Die Berichterstattung über die ReGas wirft einige Fragen auf, denen wir auch parlamentarisch nachgehen werden", sagte er t-online.

Sowohl Badum als auch Banaszak sehen nun vor allem Olaf Scholz in der Pflicht, die Aufklärung sicherzustellen. Das hat für sie den Charme, dass der Kanzler – anders als Habeck – kein Parteifreund ist. Doch der Verweis aufs Kanzleramt hat noch andere Gründe: Denn auch die Opposition sieht eine besondere Verantwortung beim Regierungschef.

"In dem Verfahren muss die Bundesregierung nun schnellstens für volle Transparenz sorgen – immerhin geht es um ein Vorhaben von großer strategischer Tragweite für die deutsche Energieversorgung", sagte der CDU-Abgeordnete Matthias Hauer t-online. "Deshalb hatte sich Olaf Scholz auch persönlich eingebracht."

Eine parlamentarische Anfrage Hauers, die t-online vorliegt, hatte ergeben, dass sich nicht nur Habeck und seine Staatssekretäre mehrfach mit der ReGas trafen. Sondern auch Scholz und seine Leute. Der Kanzler sah die Unternehmer nicht nur bei der offiziellen Eröffnung des Terminals in Lubmin im Januar und ließ sich mit ihnen zusammen in Warnwesten ablichten.

Schon im September 2022 schaute Scholz laut "Süddeutscher Zeitung" persönlich in Potsdam vorbei, um sich anzuschauen, wer diese Newcomer im Flüssiggas-Business eigentlich sind. "Oh, ich will mal gucken, ob Sie echt sind", soll er gesagt haben – und offenbar zufrieden gewesen sein.

Sollte das Projekt nun doch noch scheitern – Habecks Problem wäre auch sein Problem.

Verwendete Quellen
  • Eigene Recherchen
  • Sueddeutsche.de: "Zwei Männer geben Gas"
  • NDR.de: "Deutsche ReGas wehrt sich gegen Vorwurf der Geldwäsche"
  • deutsche-regas.de: "Deutsche ReGas geht gegen substanzlose Verdächtigungen vor"
  • Spiegel.de: "Die zwei von der Tankstelle"
  • Tagesspiegel.de: "Gegner werfen Betreibern undurchsichtige Finanzierung vor"
  • Handelsblatt.de: "Das verzweigte Netzwerk hinter der Deutsche ReGas"
  • Bundesnetzagentur.de: "Stellungnahme der Bundesnetzagentur zur Notwendigkeit von LNG Terminals im Nordosten Deutschlands"
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