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Andreas Scheuer und die Maut: Perlt an ihm alles ab?


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240-Millionen-Debakel
Das könnte Scheuer zum Verhängnis werden

MeinungEine Kolumne von Gerhard Spörl

06.07.2023Lesedauer: 3 Min.
imago images 0262211173Vergrößern des Bildes
Andreas Scheuer: "Ich als Minister hatte keine andere Wahl, ich musste das Gesetz umsetzen." (Quelle: Frank Hoermann/Sven Simon/imago-images-bilder)

Andreas Scheuer verlässt die Politik, und das ist gut so. Als Maut-Minister, der Verträge auf gut Glück schloss, wofür der Bund nun 243 Millionen Euro bezahlen muss, geht er in die Geschichte ein.

Andreas Scheuer, vormals Dr. Andreas Scheuer, hüllt sich in Schweigen, und er darf das. Jedenfalls wird ihn niemand aus der CSU ein paar Monate vor der Landtagswahl zur Einsicht zwingen, dass er ungeheuer viel Mist gebaut hat. Er hält sich an die eiserne Regel: Worüber man nicht reden kann, darüber soll man schweigen. Andere Milieus sagen dazu: Omertà.

Die CSU hob bei der Vergabe der Ministerien unter CDU-Kanzlern reflexhaft den Finger, sobald das Verkehrsministerium dran kam. Sinn und Zweck der Fixierung erhellt sich, sobald man ein paar Zahlen ins Verhältnis setzt. In den Jahren 2014 bis 2018 standen dem Ministerium 1,6 Milliarden Euro für den Ausbau von Straßen im gesamten Bundesgebiet zur Verfügung. Davon flossen 551 Millionen Euro nach Bayern. Wundert das jemanden?

Die beiden letzten CSU-Minister, sie hießen Alexander Dobrindt und Andreas Scheuer, machten kein Hehl aus der Bevorzugung ihres wunderschönen Landes. Scheuer argumentierte zum Beispiel entwaffnend so: Die dortige Verwaltung sei leistungsstark und könne somit in bereits geplante Bauvorhaben investieren. Noch Fragen in Nordrhein-Westfalen?

Ohne Rückendeckung in München keine Initiative in Berlin

Die Sache mit der Maut fing mit Alexander Dobrindt an. Der war Minister im dritten Kabinett Merkel vom 17. Dezember 2013 bis zum 24. Oktober 2017. Der bayerische Ministerpräsident hieß zu dieser Zeit Horst Seehofer. In ihm darf man den Antreiber fürs Erheben einer Straßennutzungsgebühr vermuten. Ohne Rückendeckung in München keine Initiative in Berlin, ist schon klar.

Als noch von einer Maut für alle Autofahrer gleichermaßen, egal ob Ausländer oder Inländer, die Rede war, protestierten CSU-Landräte bayernweit. Sie hatten Angst vor Einbußen im Tourismus. Darüber konnte die CSU natürlich nicht hinweggehen. Also kam dieser Kompromiss zustande: Maut für Ausländer, Verrechnung der Maut mit der Kfz-Steuer für Inländer. Genial, oder?

Ging halt schief. Kostet jetzt 243 Millionen Euro Entschädigung für die beiden potenziellen Maut-Betreiber. Geht noch, schien ja auf 700 Millionen hinauszulaufen oder wenigstens auf 560 Millionen. Anwaltskosten 21,5 Millionen Euro. Blöd nur, dass niemand sich noch an Alexander Dobrindt erinnert und alles an Andreas Scheuer hängen bleibt. Bloß weil er Verträge mit den zukünftigen Maut-Betreibern schloss, ehe der Europäische Gerichtshof exakt das Urteil fasste, das ihm vorhergesagt worden war: Ungleichbehandlung ist diskriminierend.

"Es geht mir nah. Punkt."

Was sagte der Übeltäter dazu? Wenig. "Ich als Minister hatte keine andere Wahl, ich musste das Gesetz umsetzen." Ernsthaft? Und auf die Frage, was die Katastrophe für ihn persönlich bedeute: "Es geht mir nah. Punkt. Privat bleibt privat." Dabei weiß jeder in der CSU, dass gerade das Private politisch ist, fragt nach bei Seehofer.

An Andreas Scheuer ist vieles abgeperlt. Der Verlust des kleinen Doktortitels, in Prag erworben und eigentlich PhDr abgekürzt, den er als einen großen Doktortitel ausgegeben hatte. Das Debakel mit der Maut, bei der normalerweise die letzten von den Hunden gebissen werden. Erst jetzt hagelt es auch parteiintern Kritik am Teflon-Andi, ausgerechnet wegen einer alten Geschichte in München. Wer hätte das gedacht.

Jetzt wird ein S-Bahn-Projekt zur Todsünde

Als Minister für Verkehr war Scheuer unter anderem zuständig für den Bau einer zweiten Stammstrecke für die Münchner S-Bahn im Auftrag des Freistaats. Seit diesem Donnerstag ist ein Entwurf für den Bericht des Untersuchungsausschusses im Bayerischen Landtag in Umlauf. Darin wird der Scheuer Andi gegeißelt für sein erstaunlich geringes Interesse am Projekt, was in seinem Heimatland einem politischen Todesurteil gleichkommt.

Zudem wird er zitiert, er sei weder beunruhigt noch nervös gewesen, als sich die Kosten auf 8,5 Milliarden verdoppelten und auch noch ruchbar wurde, dass die Bauzeit viel, viel länger ausfallen würde als geplant. Für klärende Gespräche war der Herr Minister nicht zu haben. Noch eine Todsünde.

Man darf das höhere Gerechtigkeit nennen, wenn ein Verkehrsminister sehenden Auges an die Wand fährt, ohne zur Rechenschaft gezogen zu werden, da er ja wohlweislich Gutes für seine Heimat getan hatte, und dann über ein national unerhebliches Vorhaben am Pranger steht.

Es fügt sich auch privat günstig, dass Andreas Scheuer ohnehin die Politik hinter sich lassen will. An diesem Samstag wird er den Vorsitz des CSU-Bezirks Niederbayern niederlegen, seine Hausmacht. Die Absicht war länger bekannt, das stimmt sogar.

Was wird jetzt aus ihm, 48 Jahre jung? Er liebäugle mit der Wirtschaft, lässt er wissen. Na ja, ist konsequent, Verträge kann er ja.

Verwendete Quellen
  • Eigene Recherche
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