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Die Grünen in der Krise: Robert Habeck wittert eine Falle


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Die Grünen
Habeck wittert eine Falle


25.06.2023Lesedauer: 6 Min.
Robert Habeck, Bundeswirtschaftsminister: Seine Partei wollte mit gutem Beispiel vorangehen.Vergrößern des Bildes
Robert Habeck: Wo geht es hier nach oben? (Quelle: Chris Emil Janssen/imago-images-bilder)

Es läuft gerade nicht gut für die Grünen. Wie wird es wieder besser? Diese Frage reißt in der Partei alte Gräben auf. Im Zentrum steht eine Strategie des Vizekanzlers.

Manchmal muss man Prioritäten setzen. So wie Robert Habeck vergangene Woche in Bad Vilbel, Hessen. Der Vizekanzler sollte auf dem kleinen Parteitag der Grünen zum Thema "Das Land zusammenhalten" sprechen. Doch eigentlich versuchte er mit seiner Rede, die Partei zusammenzuhalten. Eine Partei, die zuletzt so viele Kompromisse schlucken musste, dass sich die Ersten fragen, ob das eigentlich immer so weitergehen soll.

Mehr Kohle- und Atomstrom, Waffenexporte nach Saudi-Arabien, eine neue Flüssiggas-Infrastruktur und nun auch noch die EU-Asylreform. Das ist vieles, nur keine grüne Herzenspolitik. Und dann kommt noch der dauernde Ärger mit den Koalitionspartnern obendrauf, der Heizungsstreit war ja nur der wilde Höhepunkt.

Lange schien den Grünen all das eher zu nutzen als zu schaden. Sie konnten sich vom Abwärtstrend der Ampelpartner SPD und FDP entkoppeln, legten zwischenzeitlich deutlich zu. Doch damit ist es vorbei. Heizminister Habeck stürzt in Beliebtheitsrankings immer weiter ab. Und seine Grünen liegen in ersten Umfragen mit nur noch 13 Prozent unter ihrem schwachen Ergebnis der Bundestagswahl.

In Zeiten der multiplen Krisen stecken die Grünen nun selbst in einer. Wie kommen sie da wieder raus? Robert Habeck beantwortete diese Frage in seiner Rede mit einem Zitat des Liedermachers und DDR-Oppositionellen Wolf Biermann: "Lass dich nicht verhärten in dieser harten Zeit." Klingt gut. Doch was das jetzt konkret für die Grünen bedeuten muss, darüber gibt es in der Partei längst eine heftige Debatte. In der es auch darum geht, wie sie sich besser gegen die FDP durchsetzen.

"Nicht zurück in die Nische"

Dabei sind sich die meisten Grünen in der Analyse ihrer Situation noch recht einig: Eine Partei, die viel verändern will, stößt auf viel Widerstand. "Wir haben gewusst, dass der Wind immer von vorne kommt, wenn wir regieren", sagte Habeck in Bad Vilbel. "Der wird auch nicht wieder weggehen." Man müsse nun damit umgehen. Was für ihn vor allem heißt: "Wir dürfen uns nicht in die Ecke, in die Nische, in die Falle treiben lassen."

Die Nische, in der man Politik von Grünen für Grüne macht und im eigenen Wohlfühlmilieu bleibt – sie ist in der Partei schon seit vielen Jahren zum Schimpfwort geworden. Nur die wenigsten Grünen mit Einfluss wünschen sich dorthin zurück.

Doch was das eigentlich bedeutet, ist schon gar nicht mehr so klar. Was ist Nische – und was wichtige Grundüberzeugung, ohne die es die Grünen gar nicht mehr braucht? Wie sehr muss die Partei Rücksicht nehmen auf die Teile der Gesellschaft, die das mit der Veränderung so gar nicht einsehen? Wie wandelbar müssen die Grünen selbst sein, um Wandel bringen zu können?

Die neue grüne Geschmeidigkeit

Für Robert Habeck und das Realo-Lager lautet die Antwort: so wandelbar wie nötig. Hauptsache nicht verhärten eben. Es gebe nun Druck von allen Seiten, sagte Habeck in Bad Vilbel, sehr viel Konfrontation. "Aber daraus darf nicht folgen, dass wir konfrontativer werden." Es ist die neue grüne Geschmeidigkeit.

Veränderungen würden zwar auf Parteitagen beklatscht, sagte Habeck, aber sie seien oft Zumutungen – und träfen auf eine Gesellschaft, die nervös sei, porös, verängstigt angesichts der Krisen. "Wir müssen also immer in unsere Politik mit einbeziehen, vom Heizen bis zum Asyl, dass wir in einer Demokratie für Mehrheiten arbeiten müssen."

Spätestens da wird es im Detail kompliziert. Mehrheiten verändern sich und sind veränderbar. Politiker können mit ihrer Politik eine Mehrheit bedienen, die es schon gibt – oder versuchen, ihre eigene Politik mehrheitsfähig zu machen. Der Grat zwischen beidem ist oft schmal.

Auch in Habecks Rede. Man müsse immer wieder politische Mehrheiten für die nächste Veränderung schaffen, sagte er zwar einerseits. Rief seinen Leuten aber wenig später zu: "Habt keine Sehnsucht nach einer Minderheitenposition. Habt keine Sehnsucht nach Opposition. Das wäre historisches Versagen angesichts der Aufgabe."

Aber kann es nicht auch Minderheitenpositionen geben, die so wichtig für die grüne Identität sind, dass sie sie zu Mehrheitspositionen machen müssen?

Realo-Logik oder Linken-Logik

Das ist die grundsätzliche Frage. Was sie konkret bedeutet, zeigt sich idealtypisch an der Debatte über die Asylreform. Trotz des inszenierten Unterhakens der Grünen sortieren sich die Antworten mit ein paar Ausnahmen entlang der alten grünen Lager, der Realos und der Fundis, die sich heute lieber linker Flügel nennen.

Schlecht finden die Reform zwar alle. Doch wie die Grünen mit dem Schlamassel umgehen sollen, das beantworten Realos und Linke hinter vorgehaltener Hand grundsätzlich anders. Es gibt Realos, die es für geradezu gefährlich halten, dass die Grünen nun wieder so viel über Migrationspolitik reden.

Die Realo-Logik funktioniert in Reinform so: Die Mehrheitsverhältnisse in der EU sind, wie sie sind – feindlich. Die Grünen werden daran jetzt nichts ändern. Und weil die Stimmung in der Gesellschaft so ist, wie sie ist, nutzt jede Minute Asylstreit nur den Konservativen und Rechtsradikalen, die das Thema bei jeder Gelegenheit auf die Agenda drücken. Für die Grünen gibt es derzeit nichts zu gewinnen und deshalb sollten sie über andere Themen sprechen.

Die Linken-Logik funktioniert genau andersrum: Die Mehrheitsverhältnisse in EU und Gesellschaft sind zwar so, wie sie sind – feindlich. Doch genau deshalb müssen die Grünen dem jetzt etwas entgegensetzen, die Mehrheit und Vormachtstellung erringen. Diskurshegemonie ist das Stichwort, das immer wieder fällt. Wenn die Grünen nicht über Humanität sprechen, tut es keiner und es wird für sie nie etwas zu gewinnen geben.

Hart versus Habeck

Dieser Gegensatz zeigt sich auch, wenn es darum geht, wie die Grünen in der Ampelkoalition grundsätzlich auftreten und verhandeln sollten. Im linken Lager hat mancher den Eindruck, dass die Grünen nicht hart genug auftreten, gerade im Gegensatz zur FDP. Und sich in Verhandlungen zu leicht über den Tisch ziehen lassen.

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Im Zentrum steht auch hier einmal mehr Robert Habeck, Vizekanzler, Vordenker, und möglicherweise der nächste Kanzlerkandidat. Selbst Getreue bestätigen, dass er nicht konfrontativ verhandelt, sondern ständig versucht mitzudenken und vorzuempfinden, was die Verhandlungspartner erreichen wollen.

Während sein Lager das als erfolgreiche Strategie lobt, glauben andere, dass die Grünen auch deshalb so viele Kompromisse schlucken müssen. Weil sie zu leicht Kompromisse machen und zu wenige rote Linien definieren. Sie plädieren für mehr Härte, mehr Mut zum Konflikt an wichtigen Stellen. Damit nicht ständig sie es sind, die ihren Wähler erklären müssen, warum dieses und jenes wieder nicht durchzusetzen war.

Weniger Wüterich, mehr Erklärbär

Recht einig sind sich alle, dass Habeck wieder mehr Politikerklärer und weniger "Tagesthemen"-Wüterich werden muss. Die Rolle des nachdenklichen Erklärbären hat ihn beliebt gemacht, so die allgemeine Meinung. Die des latent genervten Interviewpartners, der öffentlich Kampagnen und die Fiesheit der Welt beklagt, eher nicht. Auch wenn viele seine Kritik an der Heizungsdebatte richtig fanden.

Mehr zusammenführender Vizekanzler als polarisierender Heizminister, das ist deshalb ein Ziel. Viele Grüne gehen ebenso weiterhin davon aus, dass die ganze Ampel erfolgreich sein muss, damit alle Koalitionspartner beliebt sind. Mancher macht sich deshalb sogar Gedanken, wie die FDP mehr von ihrer Regierungsarbeit profitieren kann.

Weitgehend unstrittig ist auch, dass grüne Gesetzesvorhaben künftig in der Frühphase schon das Soziale berücksichtigen müssen. Um zu verhindern, was bei den Heizungen passiert ist, als die Grünen wochenlang nur blumig beteuern konnten, dass es Fördergeld geben wird. Aber nicht, wer wie viel bekommt.

Überhaupt wollen die Führungsleute, dass sich die Grünen mehr aufs Wesentliche konzentrieren und sich nicht in endlosen Diskussionen über Details verrennen. Mehr großes Klimaschutz-Karo, statt im Klein-Klein versuchen zu verhindern, dass eine verschwindend geringe Zahl an Autos künftig mit E-Fuels fahren kann.

Einfach ein paar ruhige Wochen

Hoffnungsfroh stimmt die Grünen, dass sie glauben, mit dem Heizungsgesetz das schwierigste Projekt, das am tiefsten in den Alltag der Menschen hineinregiert, bald abgeschlossen zu haben. Wobei die Heizungen weitere Grundsatzkonflikte nur verdrängt und nicht aufgelöst haben. Allen voran den ums Geld.

Der Streit um den Haushalt geht weiter. Noch vor dem Sommer soll das Kabinett seinen Entwurf beschließen. Doch es ist weiterhin nicht klar, wer wie viel Geld bekommt. Und wenn die Grünen die Kindergrundsicherung nicht finanziert bekommen, müssen sie sich schon wieder von einem Herzensthema verabschieden.

Der Gegenwind, um mit Habeck zu sprechen, wird also tatsächlich nicht aufhören. Es wird hart. Und einen Masterplan, eine große Strategie, wie sie aus dem Loch kommen, hat niemand so richtig. Einige, die schon länger dabei sind, glauben, dass das gar nicht schlimm ist.

Sie zweifeln daran, dass es die eine Strategie braucht oder überhaupt geben kann in einer politischen Welt, die so schnelllebig ist. Manche glauben, dass die Grünen nur ein paar ruhige Wochen, ein paar langweilige Interviews und Sacharbeit braucht, damit es bald wieder besser wird.

Trifft sich gut, dass bald Sommerpause ist.

Verwendete Quellen
  • Eigene Recherchen, Gespräche, Beobachtungen
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