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CDU als Alternative zur AfD und zur Ampel? Die Partei steht vor Problemen


Union ringt um Strategie
Wo soll das nur hinführen?

Von t-online, mir

16.06.2023Lesedauer: 5 Min.
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CDU-Chef Friedrich Merz: In seiner Partei und Fraktion wächst die Ratlosigkeit. (Quelle: Johannes Simon)

Die Umfragewerte stagnieren, die Ratlosigkeit wächst – die Union ringt damit, sich als Alternative zur schwächelnden Ampel zu positionieren. Davon profitiert die AfD. Auf der Suche nach der richtigen Strategie gibt es vor allem ein Problem.

An manchen Tagen findet Friedrich Merz die Welt ungerecht. Dann beschwert er sich im kleinen Kreis schon einmal darüber, warum ihm immer vorgehalten wird, dass CDU und CSU in den Umfragen stagnieren. Und warum niemand darüber spricht, dass Scholz und seine Kanzlerpartei SPD inzwischen nur noch Platz 3 erreichen – hinter Union und AfD.

Die Umfragen sind ein wunder Punkt für den CDU-Chef. Wenngleich Merz öffentlich auf die Frage angesprochen stets abwinkt. Stagnieren? Ach was! Seine Perspektive: Im Januar 2022 war die Union laut ARD-Deutschlandtrend noch bei 23 Prozent. So gesehen sind die 29 Prozent ein Erfolg.

Tatsächlich jedoch wird in den Reihen von CDU und CSU längst hinterfragt, warum es Merz nicht gelingt, die Union in den Umfragen konstant über 30 Prozent zu hieven. Immerhin schwächelt die Ampel seit Monaten. Laut aktuellem Deutschlandtrend ist nur noch jeder fünfte mit der Arbeit der Bundesregierung zufrieden. Unterdessen gelingt es CDU und CSU nicht, als Alternative zu punkten. Stattdessen profitiert von der Schwäche der Regierung derzeit vor allem die AfD.

Am Wochenende will die CDU darüber beraten, wie das besser gelingen kann. Am Freitag kommt der Bundesausschuss zusammen, eine Art kleiner Parteitag. Am Samstag treffen sich Parteispitzen und Vertreter der Basis in einem Hotel im Berliner Stadtteil Moabit, um über das neue Grundsatzprogramm zu beraten. Bis zur Europawahl 2024 soll es verabschiedet sein und der Partei nach dem Schock des Machtverlusts bei der Bundestagswahl endlich wieder Orientierung geben.

Das Trauma sitzt tief

Und die braucht die CDU dringend. Denn das Trauma, nicht mehr Regierungspartei zu sein, sitzt noch immer tief. Die Ratlosigkeit ist weiterhin groß: Wer sind wir und wenn ja, wie viele? Vor allem aber: Mit welcher Strategie schaffen wir es wieder an die Macht?

Die Partei ist in mehrere Lager gespalten. Die einen finden: Kritik allein reicht nicht. Um Wählerinnen und Wähler langfristig zu überzeugen, müssten eigene Ideen her, mehr Gegenvorschläge. Ein Vertreter dieses Lagers: der Ministerpräsident von Schleswig-Holstein, Daniel Günther. "Es gelingt uns als Union nicht ausreichend, mit überzeugenden Angeboten wahrgenommen zu werden und die enttäuschten Stimmen abzuholen", sagte er kürzlich im Interview mit der "Welt am Sonntag" und kritisierte, dass etwa beim Thema Heizen seitens der Union keine präzisen Alternativen zum Modell der Ampel aufgezeigt wurden. "Wir müssen klarer darlegen, wohin wir wollen", so der CDU-Ministerpräsident.

Andere vertrauen weiter auf die Hau-Drauf-Methode. Aus diesem Teil der Union heißt es, mit eigenen Vorschlägen sei derzeit ohnehin wenig zu holen. Konstruktiv wolle man zwar bleiben und natürlich werde die CDU/CSU-Fraktion weiter eigene Anträge in den Bundestag einbringen. Allerdings werde das bei den Wählerinnen und Wählern nicht dazu führen, dass sie sich CDU und CSU zuwenden. Stattdessen müsse der Fokus darauf liegen, zu zeigen, dass die Ampel nicht regierungsfähig sei.

Der Umgang mit der Gender-Sprache spaltet die Union

Der Streit der Lager macht sich symbolhaft am Umgang mit dem Thema "Gendersprache" fest, auch bei der AfD ein Lieblingsthema. Da ist die "Gendergaga"-Fraktion um Christoph Ploß. Der Hamburger CDU-Chef lässt keine Gelegenheit aus, um gegen geschlechtersprachliche Differenzierungen zu polemisieren, fordert auch schon mal ein gesetzliches Gender-Verbot – und erhält dafür viel Applaus.

Auch der Bundestagsabgeordnete Philipp Amthor hält diesen Ansatz gerade mit Blick auf die AfD für sinnvoll. "Es wäre doch irre, der AfD die Deutungsmacht über die Verteidigung der Normalität zu überlassen", sagte er t-online: "Kritik der Mehrheitsbevölkerung darf nicht tabuisiert werden, nur weil die AfD ein Thema auch anspricht." Allerdings müsse die Union die Debatte "nicht so destruktiv wie die Populisten führen".

Die Frage ist allerdings, für wie destruktiv Amthor Aussagen hält, wie sie sein Parteivorsitzender kürzlich machte: "Mit jeder gegenderten Nachrichtensendung gehen ein paar Hundert Stimmen mehr zur AfD", schrieb Merz erst vor zwei Wochen in seinem wöchentlichen Newsletter "Merzmail".

Bei anderen Union-Abgeordneten wie dem CSU-Politiker Volker Ullrich wächst längst das Unbehagen. Auch er ist wie die meisten in seiner Partei alles andere als ein Freund von Gender-Sprache. Dennoch findet er: "So verlockend bisweilen manche Einlassung auch für den schnellen Applaus sein mag: Wir sollten uns erst gar nicht dem Wettbewerb um den populistischen Sound oder der Zuspitzung im Kulturkampf stellen." Er hält es stattdessen für sinnvoll, eher die wirtschaftliche Situation der Menschen, den Kampf gegen Abstiegsängste, die Sorge um Rente und Pflege, Bildung und den Kampf gegen den Klimawandel ins Zentrum der Unionsdebatten zu stellen.

Das Kernproblem der Union hat damit zu tun, dass es keine gemeinsame Linie gibt. Vor allem Merz und der CDU gelingen es nicht, sich auf einen Kurs festzulegen. Weder in der Migrationsfrage noch beim Gendern. Mal macht Merz "gegenderte Nachrichtensendungen" für den Erfolg der AfD verantwortlich, dann wieder stößt er die Erz-Konservativen vor den Kopf – etwa vergangenen August, als er eine Veranstaltung mit dem US-Senator und Trump-Fan Lindsey Graham absagte.

Die Dauer-Kritik an der Regierung mag zwar helfen, die Unzufriedenheit in der Bevölkerung über die Politik der Ampel zu verfestigen. Allerdings bleibt für viele wegen der wiederkehrenden Unstimmigkeiten bei den Christdemokraten unklar, warum sie sich stattdessen für die Union entscheiden sollten.

Stattdessen profitiert: die AfD. In jüngeren Umfragen liegt sie zwischen 18 bis 20 Prozent. So gut waren die Werte der AfD zuletzt 2018.

Denkzettel auch für die CDU

Dass die steigenden Werte für die AfD auch ein Denkzettel für die Union sein könnten, davon will man im Merz-Lager nichts wissen. Dabei wäre es gerade für den Vorsitzenden selbst ein Leichtes, Fehler der Vergangenheit zu thematisieren, ohne sich selbst zu beschädigen. Schließlich war er fast zehn Jahre aus der Politik draußen, bevor er 2018 überraschend für den CDU-Parteivorsitz kandidierte (den er letzendlich im dritten Anlauf gewann).

Je näher die Bundestagswahl rückt, umso klarer wird sein Kurs werden müssen. Der Blick zurück ist dabei nur bedingt hilfreich. Denn auch hier gibt es Argumente für beide Lager. Die rechtspopulistische Hau-Drauf-Methode hatte CSU-Chef Markus Söder zur bayerischen Landtagswahl 2018 geprobt und damit das zweitschlechteste Ergebnis in der Geschichte der CSU eingefahren.

Mit dem gemäßigten Kurs durch die Mitte versuchte es Kanzlerkandidat Armin Laschet bei der Bundestagswahl 2021 und konnte nicht überzeugen – was aber womöglich auch an zahlreichen Pannen im Wahlkampf lag. Die SPD siegte nicht, weil die Wähler und Wählerinnen von ihrem Kandidaten Olaf Scholz überzeugt waren. Sondern, weil sie Laschet nicht zum Kanzler haben wollten.

Verwendete Quellen
  • Eigene Recherchen
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