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Ministerium erfuhr von Bahn-Sabotage aus der Presse


Wirbel um Anschlag
Ministerium erfuhr von Bahn-Sabotage aus der Presse

  • Jonas Mueller-Töwe
Von Jonas Mueller-Töwe

Aktualisiert am 09.02.2023Lesedauer: 4 Min.
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ICE der Deutschen Bahn: Eine mutmaßliche Sabotage lähmte den Zugverkehr in Norddeutschland. Von der Deutschen Bahn erfuhr das Verkehrsministerium in NRW wenig. (Quelle: imago images/Rüdiger Wölk)

Als Unbekannte im Herbst den Zugverkehr in Norddeutschland lahmlegten, begann sofort die Suche nach Ursache und Tätern. Doch in NRW ließ die Deutsche Bahn das Verkehrsministerium weitgehend im Dunkeln.

Es ist Samstag, der 8. Oktober 2022, als der Zugverkehr in Norddeutschland zusammenbricht. In Niedersachsen fallen die Züge aus, in Nordrhein-Westfalen auch. Reisende stranden zu Zehntausenden an Bahnhöfen. Der Schaden ist bis heute kaum zu ermitteln.

Schnell stellt sich heraus: Kabel für den Zugfunk in Berlin und Herne wurden zeitgleich gezielt beschädigt. Es kann sich nur um Sabotage handeln. Vermutet wird ein politisches Motiv. Mittlerweile ermittelt der Generalbundesanwalt. Über vorläufige Ergebnisse will er aber nicht sprechen. Das hat er mit der Deutschen Bahn gemein. Auch dort gibt man sich gegenüber der Öffentlichkeit bis heute verschlossen darüber, was passiert ist – selbstverständlich mit Verweis auf die noch laufenden Ermittlungen.

"Können Sie uns was mitteilen?"

Dass der Staatskonzern die zurückhaltende Informationspolitik anfangs auch im Umgang mit einer maßgeblich betroffenen Behörde durchzog, dürfte allerdings überraschen. Ein ausführlicher Schriftverkehr, der t-online durch das Informationsfreiheitsgesetz vorliegt, zeigt: Als Medien im vergangenen Oktober bereits im Minutentakt über die neuesten Entwicklungen berichteten, waren die Beamten des nordrhein-westfälischen Verkehrsministeriums ebenfalls gut beraten, aufmerksam die Nachrichten zu verfolgen. Denn von der Deutschen Bahn erfuhren sie wenig.

Es ist 10.32 Uhr am 8. Oktober, als die Hausspitze langsam nervös wird. Denn der Zugverkehr in Norddeutschland liegt bereits seit Stunden lahm. Mehrere Strecken rund ums Ruhrgebiet sind betroffen, der Fernverkehr von Nordrhein-Westfalen in und aus Richtung Hannover, Hamburg und Berlin ohnehin. Züge fallen aus, verspäten sich, kurz: Für das Ministerium in Düsseldorf besteht dringender Informationsbedarf.

Das Telefonat mit dem Minister

Der zuständige Staatssekretär schickt deswegen eine vorsichtige erste E-Mail an die Deutsche Bahn: "Können Sie uns was zu den Ursachen der aktuellen Zugausfälle in Norddeutschland und den Auswirkungen für NRW mitteilen?" Offenkundig hat man vom Konzern bis dahin nichts gehört. Und daran wird sich vorerst auch nichts ändern. Wenige Minuten später schickt der Beamte die nächste E-Mail, dieses Mal an die Stabstelle im eigenen Haus, und bittet um Rückruf "wegen der aktuellen Zugausfälle".

Erst danach kommt schließlich ein Kontakt zur Bahn zustande. Als die Schäden bereits behoben sind, telefoniert gegen 11 Uhr Verkehrsminister Oliver Krischer mit dem Konzernbevollmächtigten der Bahn für NRW, Werner Lübberink. Wie das Gespräch verläuft, wird nicht im Detail dokumentiert. Es darf aber davon ausgegangen werden, dass das Ministerium nicht ganz glücklich ist mit dem zähen Informationsfluss. Zumindest wird festgehalten, dass "DB und Verkehrsministerium NRW sich zum Thema Krisenmanagement austauschen werden". Sprich: Es hat bis dahin wohl gehakt.

"Anbei die gestrige Pressemeldung"

Dabei bleibt es vorerst offenbar. Als sich die Bahn tags darauf wieder in Düsseldorf meldet, übermittelt sie zunächst einen hoffnungslos veralteten Sachstand – nämlich den aus den Morgenstunden des Samstags. Aufgelistet sind Zugausfälle. Als Ursache wird lediglich eine "technische Störung" im Bereich der Betriebszentrale Hannover genannt. Das dürfte auch im Ministerium Verwunderung auslösen. Denn bereits am Samstagmittag hat eine Bahnsprecherin die mutmaßliche Sabotage auf Medienanfrage offiziell bestätigt.

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Möglicherweise folgt eine nicht dokumentierte telefonische Nachfrage aus dem Ministerium. Denn bereits zehn Minuten später meldet sich die Bahn erneut schriftlich beim Staatssekretär. "Anbei die gestrige Pressemeldung", heißt es in der Mail, die eine Eilmeldung der Deutschen Presse-Agentur mit dem Titel "Sabotage war Grund für Zugausfälle" enthält. Die Erklärung der Bahn: "Meine vorherige Lagemeldung bezog sich auf den 8.10.2022 um 8.30 [Uhr]."

Nicht mehr als die Pressemitteilung

Zusätzliche Infos über den Stand des Medienberichts vom Vortag hinaus? Keine. Auf diesem Stand bleibt das NRW-Verkehrsministerium anscheinend einen weiteren Tag. Am Sonntagabend informiert zwar das im Innenministerium eingerichtete Lagezentrum die beteiligten Ressorts zum Stand der Dinge anhand polizeilicher Erkenntnisse. Am Montag bei der Abteilungsleiterbesprechung mit Minister Krischer fühlt man sich trotzdem nicht komplett informiert.

Die Bahn verweise auf das Innenministerium, heißt es im Protokoll der Besprechung, das t-online vorliegt. Man habe von dort nicht mehr als die Pressemitteilung erhalten. Grundsätzlich müssten die Meldeketten in der zivilen Alarmplanung überdacht werden. Minister Krischer macht Druck: Es sei wichtig, "eigeninitiativ Informationen einzuholen, denn hier könnten zusätzlich Sicherungsmaßnahmen erforderlich werden".

"Offenbar ist ein Sabotageakt Hintergrund"

Da kursiert im Ministerium bereits ein vertrauliches Dokument ("Verschlusssache – Nur für den Dienstgebrauch") der Landesregierung. In der t-online vorliegenden Version ist es komplett geschwärzt. Ein Beamter fasst es allerdings im Schriftwechsel mit einem Kollegen am Montagmorgen zusammen. "Offenbar ist ein Sabotageakt Hintergrund." Das sei das einzig Offizielle, "was wir bis jetzt haben". Es ist also mehr oder minder der Stand der Bahn-Presseinformation von Samstagmittag und weiterer Stellungnahmen.

Bei der Bahn stößt das Ministerium allerdings wohl weiter auf relativ taube Ohren, obwohl es am Montag erneut insistiert. "Zur Information von Herrn Minister Krischer erbitte ich einen – nach Möglichkeit kurzfristigen – Sachstand zu den Zugausfällen", heißt es in der Mail an die Bahn. Der Beamte betont: "Das Thema ist im Hinblick auf die Sicherheit und Verlässlichkeit des Schienenverkehrs auch für NRW von Bedeutung." Dann geht ein weiterer Tag ins Land.

Erst am Dienstag meldet sich die Bahn zurück. Die Mail ans Ministerium ist dieses Mal mit "Streng vertraulich" überschrieben. Doch erneut enthält sie kaum Neues. "Bitte haben Sie – vor dem Hintergrund der laufenden Ermittlungen – Verständnis dafür, dass wir Ihnen zum jetzigen Zeitpunkt keine weitergehenden Informationen zur Verfügung stellen können." Medien waren wieder einmal deutlich schneller als die Deutsche Bahn.

Verwendete Quellen
  • Eigene Recherchen
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