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Nancy Faeser in der Krise: Droht ihr dasselbe Schicksal wie Giffey?


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Politikerkarrieren auf der Kippe
Das wird ihr eine Lehre sein


13.01.2023Lesedauer: 6 Min.
Nancy Faeser und Franziska Giffey: Die SPD-Politikerinnen haben ein gemeinsames Problem.Vergrößern des Bildes
Nancy Faeser und Franziska Giffey: Die SPD-Politikerinnen haben ein gemeinsames Problem. (Quelle: IMAGO/Frank Ossenbrink)
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Franziska Giffey kämpft um ihr politisches Überleben. Wie schnell einer Karriere auf Landesebene das Ende droht, schaut sich eine Bundesministerin besonders interessiert an.

Sie sehen gefasst aus, als sie vor die Journalisten treten, die zwischen Feuerwehrautos auf sie warten. Dabei liegen zwei Stunden angespannter Diskussionen in der Feuerwache des Berliner Bezirks Neukölln hinter Nancy Faeser und Franziska Giffey.

In der Silvesternacht wurden Einsatzkräfte gezielt attackiert und Dutzende verletzt, es war eine auch für die Hauptstadt beispiellose Krawallnacht. Hitzig, aufgewühlt, emotional – so beschreiben Teilnehmer das Gespräch mit den Spitzenpolitikerinnen der SPD später. Auch Tage nach dem Jahreswechsel hat sich die Anspannung noch immer nicht ganz gelegt. Nicht nur die Feuerwehrmänner fordern Entscheidungen, ein Ende der Gewalt, eine Lösung für die Probleme.

Für Giffey ist der Termin ein Heimspiel, Neukölln ist ihr Bezirk, hier begann ihre politische Karriere. Sie kennt die Lage und Befindlichkeiten im Bezirk. Deshalb spricht sie nicht von den Tätern als "Jugendlichen mit Migrationshintergrund", wie Faeser es tut. Giffey betont, es brauche auch mehr Prävention, mehr Sozial- und Familienarbeit in den Problemvierteln. Eine harte Hand, ja. Aber auch ein Blick für Lösungen, die funktionieren. Für ihr Berlin, für ihr Neukölln.

Ein ähnliches Schicksal

Dass Giffey und Faeser an diesem Januartag gemeinsam auftreten, hatten beide so nicht geplant. Und sie hätten vermutlich auch gern darauf verzichtet. Faeser dürfte neben dem Thema Kriminalität aber noch ein anderes Thema interessiert haben. Denn die beiden Politikerinnen teilen ein ähnliches Schicksal.

Giffey war einst Ministerin auf Bundesebene, gefeiert als Shootingstar der SPD. Als Regierende Bürgermeisterin wird sie nun aber mit den konkreten Problemen auf Landesebene konfrontiert. Und das sind viele, die Hauptstadt ist – mal wieder – im Krisenmodus. Neben der Aufarbeitung der Silvesternacht muss Giffey plötzlich Wahlkampf führen, wegen massiver Fehler wird die Wahl in Berlin wiederholt.

Faeser könnte schon in wenigen Monaten dasselbe bevorstehen. Sie ist Landeschefin der SPD in Hessen, dort geht es grundsätzlich weniger turbulent zu als in Berlin. Doch im Oktober wird auch der Wiesbadener Landtag neu gewählt. Und die Sozialdemokraten brauchen noch eine Spitzenkandidatin.

Offiziell hat sich Faeser noch nicht dafür entschieden, doch in der SPD rechnen die meisten damit, dass sie es macht. Schon weil es keinen anderen aussichtsreichen SPD-Kandidaten gibt. Doch ganz so einfach wird es mit sozialdemokratischen Wahlsiegen in diesem Jahr wohl nicht werden. Für Giffey nicht, und für Faeser auch nicht.

Die SPD hatte einen Plan

Dabei hatte sich die SPD das in Hessen eigentlich ganz anders gedacht. Zumindest wenn man einer plausiblen Erzählung Glauben schenkt, die seit Beginn der Ampelregierung durch Berlin geistert: Faeser, die vor gut einem Jahr überraschend von Olaf Scholz als Bundesinnenministerin nominiert wurde, sollte sich im Berliner Scheinwerferlicht so profilieren, dass der Landtagswahlkampf für sie ein Spaziergang wird.

Doch nun muss Faeser nicht nur gegen den Eindruck ankämpfen, als Innenministerin noch nicht viel erreicht zu haben, sich aber trotzdem schon wieder nach Hessen zu verabschieden. Auch ihre Gegner erscheinen stärker als von ihr erwartet.

Zwar ist seit Längerem klar, dass der langjährige Ministerpräsident Volker Bouffier von der CDU nicht wieder antritt. So ein Wechsel ist immer eine Chance für die Opposition. Doch nun regiert in Wiesbaden ein gewisser Boris Rhein – der mit einigem Erfolg an seinem Amtsbonus arbeitet. Die Grünen gehen mit dem beliebten Spitzenkandidaten und Wirtschaftsminister Tarek Al-Wazir in die Wahl. Und machen sich ebenfalls Hoffnungen auf das Ministerpräsidentenamt.

Giffey kämpft um ihr politisches Überleben

Ähnlich ist die Lage für Franziska Giffey in Berlin. Ihr Wahlkampf ist aber auch ein politischer Überlebenskampf. Die SPD liegt in Umfragen etwa gleichauf mit Grünen und CDU. Bekommen die Sozialdemokraten nur die Juniorrolle in einer Koalition, hat Giffey nicht nur ein Ministeramt auf Bundesebene verloren, sondern ist auch den Titel Regierende Bürgermeisterin los. Sie könnte in die politische Bedeutungslosigkeit absteigen.

Immerhin hat Giffey in solchen Kämpfen eine gewisse Routine. 2021 entzog die Freie Universität ihr nach langem Hin und Her wegen Plagiatsvorwürfen den Doktortitel. Sie war da wegen der Diskussionen bereits als Bundesfamilienministerin zurückgetreten – und begann bald darauf den Wahlkampf um das höchste landespolitische Amt der Hauptstadt.

Die Wahl im Herbst 2021 gewann sie nur knapp, obwohl sie die prominenteste Kandidatin war. Linke und Grüne, die Koalitionspartner der SPD im Berliner Abgeordnetenhaus, begegneten Giffey zunächst weiterhin mit Skepsis. Zu sehr war sie ihnen als "Law and Order"-Politikerin in Neukölln in Erinnerung.

Erst die Neuwahl, dann die Chaosnacht

Doch Giffey hat sich bewiesen – auch durch extremen Fleiß und ein wenig Kontrollwahn. Kaum einen öffentlichen Termin lässt die Regierende Bürgermeisterin sich entgehen, auch hinter den Kulissen führt sie die Geschäfte streng. Natürlich ist nicht jeder glücklich mit ihr, aber immerhin ist Ruhe im schwierigen linken Dreierbündnis eingekehrt.

Zumindest bis Giffey vor Kurzem gleich zwei Desaster erlebte: Zuerst wurde Berlin im November per Beschluss des Landesverfassungsgerichts zur raschen Wiederholung der Landtagswahl gezwungen. Es hatte einfach zu viele Pannen gegeben. Nur wenige Wochen später folgten, mitten im hastig organisierten Wahlkampf, die Krawalle in der Silvesternacht, die in Berlin besonders heftig ausfielen.

Unionspolitiker spotten seither über die "Chaos-Stadt" und die Chaoten, die sie regieren. Giffey setzt alles daran, das PR-Desaster zu ihrem Vorteil zu wenden. Immerhin sind jetzt Themen gefragt, mit denen sie sich in Neukölln lange und intensiv beschäftigt hat: Integrationsprobleme, mangelnder Respekt gegenüber dem Staat, bedrohte Einsatzkräfte.

Ob in der Neuköllner Feuerwache, in Zeitungsinterviews oder Fernseh-Talkshows: Überall geißelt Giffey die Taten der Silvesternacht – und verteidigt mit Leidenschaft ihre Stadt. Ihr Motto lautet: Ja, es gibt Probleme, ich regiere aber noch nicht so lange. Deshalb brauche ich noch etwas Zeit. Mit diesem Prinzip würde sie das Silvester-Desaster gern zu ihrem Vorteil wenden.

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Von "Muttis Klügstem" und Julia Klöckner

Was aber, wenn das nicht klappt? Wenn Giffeys Plan nicht aufgeht – und aus Faesers Ambitionen in Hessen auch nichts wird? Dann wären binnen weniger Monate gleich zwei einstige Hoffnungsträgerinnen der SPD beschädigt.

Und es würde sich einmal mehr zeigen, dass der Wechsel von der Bundes- auf die Landesebene eben meistens nicht das ist, was gemeinhin als Selbstläufer gilt. So wie es eine Reihe von gefeierten Landespolitikern gibt, die auf Bundesebene kläglich gescheitert sind, gibt es eben auch Beispiele von Bundesprominenz, die in ihren Heimatländern nicht richtig gezündet hat.

Der bekannteste Fall ist Norbert Röttgen, der zu Beginn der Ära von Angela Merkel als "Muttis Klügster" galt. Für Röttgen, dem es nicht unbedingt an Selbstbewusstsein mangelt, stellte sich zeitweise nur noch die Frage, wann er denn Kanzler wird. Aber er brauchte eine Machtbasis – und sicherte sich nach der für die CDU verlorenen Landtagswahl 2010 in Nordrhein-Westfalen zusätzlich zu seinem Amt als Bundesumweltminister den Landesvorsitz.

Doch 2012 kam es zu einer vorgezogenen Wahl des Düsseldorfer Landtags. Und Röttgen musste ran. Aber so richtig wollte er nicht, druckste rum, ob er nach einer Niederlage seinen Job als Bundesumweltminister abgibt und sich in die Niederungen der Landespolitik begibt.

Bundesinnenministerin Faeser, so wird es in der SPD erzählt, soll ebenfalls mit ihrem aktuellen Job in den Wahlkampf ziehen – und so im Falle einer Niederlage weiter Bundesministerin bleiben können. Vermutlich würde es nicht anders laufen als bei Röttgen: Die wesentliche Frage des Wahlkampfs wäre, warum sie sich nicht komplett ihrem Land verschreibt.

Röttgen würde ihr wohl davon abraten. Sein historisches Verdienst besteht darin, das bislang schlechteste Ergebnis für die CDU in NRW geholt zu haben. Seinen Job in Berlin war er kurz nach dem desaströsen Wahlabend auch los. Er ist der einzige Minister, den Merkel in 16 Jahren rausgeschmissen hat.

Allerdings bewahrt einen selbst der komplette Wechsel vom Bund ins Land nicht vor Demütigungen. Als Julia Klöckner bei der Landtagswahl 2011 in Rheinland-Pfalz als Spitzenkandidatin der CDU antrat und verlor, legte sie ihr Bundestagsmandat nieder und widmete sich von nun an der Mainzer Politik. Trotzdem wurde sie auch fünf Jahre später nicht Ministerpräsidentin.

Es war an Merkel, Klöckner zu erlösen und sie 2018 als Ministerin nach Berlin zu holen. Sie dürfte sich damals ähnlich erleichtert gefühlt haben wie Heiko Maas. Der hatte im Saarland sogar drei Niederlagen kassiert, bevor er 2013 ins Bundeskabinett wechseln durfte.

Es gibt für Faeser neben Giffey also durchaus einige abschreckende Beispiele, die zeigen, wie riskant ein Wechsel zurück auf die Landesebene ist. Auch wenn sie natürlich in den eigenen sozialdemokratischen Reihen auch einen Genossen findet, dessen Karriere das Gegenteil beweist: Olaf Scholz.

Scholz nämlich war vor seiner Zeit als Kanzler schon SPD-Generalsekretär und Bundesarbeitsminister, bevor er 2011 Spitzenkandidat in seiner politischen Heimatstadt Hamburg wurde – und seiner Partei nach fast einem Jahrzehnt in der Opposition einen fulminanten Wahlsieg bescherte. Scholz schaffte allerdings auch rechtzeitig den Sprung zurück nach Berlin.

Verwendete Quellen
  • Eigene Recherchen und Beobachtungen
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