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Wegweisendes Urteil: Verfassungsgericht entscheidet über Corona-Notbremse


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Verfassungsgericht zur Bundesnotbremse
Von diesem Urteil hängt die weitere Corona-Strategie ab


Aktualisiert am 30.11.2021Lesedauer: 4 Min.
Demonstration gegen Schulschließungen im Erzgebirge: Ist das Urteil in Karlsruhe richtungsweisend für die kommenden Corona-Maßnahmen?Vergrößern des Bildes
Demonstration gegen Schulschließungen im Erzgebirge: Ist das Urteil in Karlsruhe richtungsweisend für die kommenden Corona-Maßnahmen? (Quelle: Bernd März/imago-images-bilder)

Waren Schulschließungen und Ausgangssperren zulässige Corona-Regeln? Darüber urteilt das Bundesverfassungsgericht heute. Die Ampel misst der Entscheidung eine große Bedeutung bei.

Annalena Baerbock spricht von zwei Strängen, die jetzt entscheidend seien: Zum einen müsse man überprüfen, ob die Bundesländer alle zulässigen Corona-Maßnahmen überhaupt ausgeschöpft haben, sagte die Grünen-Vorsitzende und kommende Außenministerin in der Sendung "Anne Will". Zum anderen sei ein Urteil des Bundesverfassungsgerichts am kommenden Dienstag von Bedeutung: "Dann ist auch beantwortet, was mit Blick auf den Lockdown möglich wäre."

Ob möglich oder nicht: In jedem Fall wird der Ruf nach einem erneuten Lockdown immer lauter: Am Wochenende empfahl die Nationale Akademie der Wissenschaften Leopoldina sofortige umfassende Kontaktbeschränkungen. CSU-Chef Markus Söder fordert in der "Augsburger Allgemeinen", man müsse "das ganze Land leider noch stärker herunterfahren". Auch für Lockdowns in Hotspotregionen macht sich Söder stark. Warum aber will die Ampel erst die Gerichtsbeschlüsse abwarten? t-online beantwortet die wichtigsten Fragen.

Was wird am Dienstag entschieden?

Am Morgen will das Gericht seine Entscheidungen über insgesamt neun Verfassungsbeschwerden bekannt geben: Sie richten sich gegen verschiedene Regeln der sogenannten Bundesnotbremse. Sie wurde zur Eindämmung der Pandemie Ende April eingeführt und lief am 30. Juni wieder aus.

Was regelte die "Bundesnotbremse"?

Grob schrieb das Maßnahmenpaket vor, ab wann welche Corona-Regeln gelten sollten: Hatte die Sieben-Tage-Inzidenz eines Landkreises oder einer Stadt die Marke 100 überschritten, griffen automatisch verschiedene Beschränkungen. Dazu gehörten:

  • Ein Haushalt darf nur noch maximal eine weitere Person treffen.
  • Ausgangsbeschränkungen von 22 bis 5 Uhr (Sport alleine war bis 24 Uhr erlaubt).
  • Schulen führen Wechselunterricht ein. Bei einer Inzidenz von mehr als 165 müssen die Schulen schließen.
  • Kulturveranstaltungen sind verboten.
  • Die Gastronomie muss schließen, abgesehen von Abhol- oder Liefermöglichkeiten.
  • Supermärkte müssen je nach Größe ihre Kundenzahl beschränken.
  • Der restliche Einzelhandel kann bei einer Inzidenz zwischen 100 und 150 mit Terminvergabe öffnen, bei einer höheren Inzidenz müssen die Geschäfte schließen.

Verankert wurden die Maßnahmen im Gesetz "zum Schutz der Bevölkerung bei einer epidemischen Lage von nationaler Tragweite". Das Bundesverfassungsgericht urteilt nun gegen mehrere Teile des Gesetzes: Konkret geht es darum, ob das Verhängen der Kontaktbeschränkungen sowie nächtliche Ausgangssperren verfassungswidrig waren oder nicht. Auch wird über die Einführung von Wechselunterricht sowie die Schließung von Schulen geurteilt.

Wie wurde zuvor über die Maßnahmen geurteilt?

Abgesehen von den nun behandelten Verfassungsbeschwerden gingen in Karlsruhe bis zum Auslaufen der "Notbremse" 301 Verfahren ein, die von insgesamt 8.572 Personen eingereicht wurden. Der Großteil wurde also bereits abgewiesen oder nicht zur Entscheidung angenommen.

Zudem wurden zahlreiche Eilanträge gegen die Teile der Notbremse in den vergangenen Monaten abgelehnt, über die auch morgen geurteilt wird. In einer Begründung zu den Kontaktbeschränkungen heißt es etwa: "Solange die vom Gesetzgeber geregelte Inzidenzschwelle überschritten ist, überwiegen […] die Nachteile der verbleibenden Kontaktbeschränkung nicht gegenüber den Nachteilen für einen wirksamen Infektionsschutz."

Bei den Ausgangssperren räumte das Verfassungsgericht ein, die Regelung greife "tief in die Lebensverhältnisse ein". Allerdings diene sie einem "grundsätzlich legitimen Zweck", nämlich dem Schutz von Leben und Gesundheit.

Lassen sich dadurch Rückschlüsse auf das kommende Urteil ziehen?

Obwohl die Maßnahmen der "Notbremse" in den Eilverfahren nicht gekippt wurden, lassen sich laut Volker Boehme-Neßler daraus keine Rückschlüsse auf das morgige Urteil ziehen. "Bei Eilentscheidungen wird über den Daumen entschieden", sagt der Jurist t-online, der an der Carl von Ossietzky Universität Oldenburg Öffentliches Recht lehrt. In solchen Verfahren müsse das Gericht innerhalb kürzester Zeit abwägen, welches Risiko größer sei: Die möglicherweise unnötige Aufhebung eines Gesetzes oder es weiterlaufen zu lassen, obwohl es möglicherweise verfassungswidrig ist.

In dem Urteil des Hauptsacheverfahrens, das morgen verkündet wird, sind stattdessen andere Maßstäbe entscheidend: Das Verfassungsgericht muss für ein Urteil ausführlich überprüfen, ob eine Regelung gegen das Grundgesetz verstößt oder nicht.

Was bedeuten die Urteile für die Ampel?

Grundsätzlich entscheidet das Gericht darüber, ob der kommenden Regierung einige Corona-Maßnahmen auch künftig weiter zur Verfügung stehen könnten oder nicht. Sollten die Richter zu dem Entschluss kommen, dass Kontakt- und Ausgangsbeschränkungen sowie Schulschließungen nicht gegen das Grundgesetz verstoßen, könnte die Bundesregierung sie auch in Zukunft wieder einführen.

Im ersten Schritt müsste der Bundestag allerdings die gerade erst beendete epidemische Lage von nationaler Tragweite wieder einführen. Laut Boehme-Neßler ist sie "der Schlüssel für harte Corona-Maßnahmen".

Sollte das Gericht allerdings die Maßnahmen für verfassungswidrig erklären, wäre ein härterer Corona-Kurs schwieriger umzusetzen. Statt dem Bund sind dann die Länder gefordert: Laut dem neuen Infektionsschutzgesetz können dort etwa Kontaktbeschränkungen, Maskenpflichten oder Auflagen für Schulen und andere Bildungseinrichtungen ausgesprochen werden.

Ausgangssperren sind dagegen mit den aktuellen Gesetzen nicht möglich. Auch Schulen, Restaurants, der Einzelhandel oder Gottesdienste können auf Länderebene nicht pauschal geschlossen werden. Ein Lockdown wie im vergangenen Winter lässt sich so also nicht durchführen.

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