Bundesregierung Keine Reisewarnung mehr für mehr als 80 Corona-Risikoländer
Berlin (dpa) - Nach mehr als einem Jahr Corona-Pandemie rät die Bundesregierung ab Donnerstag nicht mehr grundsätzlich von touristischen Reisen ins Ausland ab. Auch die Reisewarnung für die mehr als 80 ganz oder teilweise als Corona-Risikogebiete eingestuften Staaten wird aufgehoben.
Darunter ist die gesamte Türkei sowie Urlaubsgebiete in Spanien und Kroatien. Der Schritt ist wegen der rasanten Ausbreitung der Delta-Variante brisant. Einer aktuellen Umfrage zufolge trifft er in der Bevölkerung auf Ablehnung.
Der zuständige Außenminister Heiko Maas verteidigt ihn aber. "Die Zeit der Pauschalbeurteilungen muss vorbei sein", sagte der SPD-Politiker bereits am Dienstag. "Dort, wo es positive Entwicklungen gibt, gibt es auch keinen Grund, Restriktionen aufrechtzuerhalten."
Maas hatte zu Beginn der Pandemie am 17. März 2020 eine weltweite Reisewarnung für Touristen ausgesprochen. Hintergrund war, dass damals viele Urlauber wegen der plötzlichen Kappung von Flugverbindungen im Ausland gestrandet waren und in einem beispiellosen Kraftakt nach Deutschland zurückgeholt werden mussten. Im September wurde die Warnung dann auf Corona-Risikogebiete mit einer Infektionszahl von mehr als 50 pro 100.000 Einwohner in sieben Tagen (7-Tage-Inzidenz) beschränkt. Aber auch für alle nicht als Risikogebiete eingestuften Länder riet die Bundesregierung bis zu diesem Mittwoch weiter von Urlaubsreisen ab.
Damit ist jetzt Schluss. Ab Donnerstag gibt es in den Reisehinweisen des Auswärtigen Amts drei Kategorien von Ländern.
Reisewarnung nur noch für 40 Länder
Die Reisewarnung gilt erst ab einer Inzidenz von 200 (Hochinzidenzgebiete) und für Gebiete, in denen sich gefährliche Virusvarianten stark verbreitet haben (Virusvariantengebiete). Das sind weltweit nur 40 von insgesamt rund 200 Ländern. In Europa gibt es gar keine Hochinzidenzgebiete mehr. Nur Großbritannien und Portugal sind derzeit noch als Virusvariantengebiet eingestuft.
Eine Reisewarnung des Auswärtigen Amts soll vor allem abschreckende Wirkung haben. Vor Corona wurde sie nur für Kriegs- und Krisengebiete wie Syrien, Jemen oder den Gaza-Streifen ausgesprochen. Die praktischen Auswirkungen sind aber begrenzt. Urlaubern ermöglicht die Reisewarnung vor allem eine kostenlose Stornierung von Buchungen.
"Besondere Vorsicht": 26 Länder in Europa
Für 30 Länder - alle EU-Länder außer Deutschland sowie Island, Liechtenstein, Norwegen und die Schweiz - gilt folgende Regelung:
Soweit sie nicht mehr als Risikogebiet eingestuft sind, wird in den Reisehinweisen des Auswärtigen Amts nur noch "um besondere Vorsicht gebeten".
Ausgenommen sind einzelne Regionen in Spanien, Irland, Kroatien und Schweden, die weiterhin als Risikogebiete eingestuft sind. Für sie rät das Auswärtige Amt weiter von Reisen ab. Darunter sind beispielsweise das südspanische Andalusien und die kroatische Küstenregion Zadar.
Zwischen Vorsicht und Abraten: Mehr als 100 Drittstaaten
Zwischen diesen beiden Kategorien gibt es weit mehr als 100 weitere Länder außerhalb der EU, die entweder Risikogebiete sind oder als "risikofrei" gelten. Soweit dort Einreisebeschränkungen oder Quarantänepflichten nach der Einreise bestehen, rät das Auswärtige Amt von Reisen dorthin ab. Soweit alle Einreisehindernisse in einem dieser sogenannten Drittstaaten aufgehoben sind, gilt nur der Rat zur besonderen Vorsicht.
Die Entscheidung für die Neustrukturierung der Reisehinweise fiel schon vor knapp drei Wochen, als die Ausbreitung der Delta-Variante in Deutschland noch nicht so heiß diskutiert wurde. "Mit dem Sommer kehren Hoffnung und Zuversicht nach Deutschland zurück", sagte Maas damals. Er betonte aber auch, dass es keine Einladung zur Sorglosigkeit sei. "Reisen mit Vernunft und Augenmaß, das ist das Motto dieses Sommers. Die Gefahr durch das Virus und seine Mutanten ist noch lange nicht gebannt."
Das haben auch die letzten Wochen nach der Entscheidung gezeigt, in der mehrere Ländervertreter für striktere Kontrollen von Tests, Impf- und Genesenennachweisen eingetreten sind. In der Bevölkerung kommt die Aufhebung der Reisewarnungen für Risikogebiete auch nicht besonders gut an. In einer Umfrage des Meinungsforschungsinstituts YouGov im Auftrag der Deutschen Presse-Agentur nannten 48 Prozent diesen Schritt falsch. Nur 38 Prozent halten ihn für richtig. 14 Prozent machten keine Angaben.
Sorge über Einschleppung
Große Unterstützung gibt es dagegen mit 71 Prozent für die Testpflicht für alle Flugpassagiere bei Einreise nach Deutschland. Nur 14 Prozent meinen, sie sollte für die Länder und Regionen abgeschafft werden, die keine Risikogebiete mehr sind. 10 Prozent sind dafür, sie ganz abzuschaffen.
Eine harte Linie will die Bundesregierung aber weiter bei den Virusvariantengebieten wie Portugal und Großbritannien fahren und auch andere EU-Länder dafür gewinnen. "Die Gespräche auf europäischer Ebene über einheitlichere Regeln laufen", sagte Kanzleramtsminister Helge Braun (CDU) in einem Interview der Neuen Berliner Redaktionsgesellschaft sowie der "Stuttgarter Zeitung" und den "Stuttgarter Nachrichten" (Donnerstag). "Die Bundesregierung setzt sich dabei für ein Beförderungsverbot ein - aus Variantengebieten einreisen dürfte dann nur noch, wer einen außergewöhnlich wichtigen Grund dafür hat, Tourismus zählt nicht dazu."