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Corona-Talk bei "Lanz": Wie soll mit Impfverweigerern umgegangen werden?


Impfdebatte bei "Markus Lanz"
Weil: "Bundesregierung macht weiten Bogen um viele Folgefragen"

Eine TV-Kritik von Christian Bartels

Aktualisiert am 06.05.2021Lesedauer: 4 Min.
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Stephan Weil bei "Markus Lanz" (Archivbild): Der Ministerpräsident ist mit den Freiheiten für Geimpfte nicht einverstanden.Vergrößern des Bildes
Stephan Weil bei "Markus Lanz" (Archivbild): Der Ministerpräsident ist mit den Freiheiten für Geimpfte nicht einverstanden. (Quelle: imago images)

Bald sollen einige Corona-Maßnahmen für vollständig Geimpfte nicht mehr gelten. Der niedersächsische Ministerpräsident Weil sieht das kritisch. Und ein bayerischer Arzt spricht bei Lanz über Impfstoff, der im Müll landet.

Nach der kontroversen Sendung am Dienstag mit AfD-Politikerin Alice Weidel setzte Markus Lanz in seiner Talkshow am Mittwoch auf Einigkeit. Den niedersächsischen Ministerpräsidenten begrüßte er als "frisch Geimpften", weil Stephan Weil am vergangenen Freitag seine erste Impfung gegen Covid-19 erhalten hatte. Rund ums Impfen kreiste dann auch der größere Teil des Gesprächs, in das Lanz unüblicherweise von Anfang an die ganze Runde einbezog.

Die Gäste

  • Stephan Weil, niedersächsischer Ministerpräsident (SPD)
  • Anna Sauerbrey, Journalistin ("Tagesspiegel")
  • Christian Kröner, Arzt aus Neu-Ulm
  • Elmar Theveßen, USA-Korrespondent des ZDF

Weil warf der Bundesregierung vor, bei der Frage, welche Freiheit Geimpfte zurückbekommen sollten, einen "weiten Bogen um viele Folgefragen" zu machen. Wenn in ein paar Monaten Ungeimpfte an Restaurants vorbeigehen, an denen "Nur für Geimpfte" steht, und drinnen die Geimpften feiern hören würden, werde es Konflikte geben. Doch entsprang daraus kein größerer Streit. Der Arzt Christian Kröner, der in seiner Praxis selber impft, meinte, die einen müssten eben einen Schnelltest machen, die anderen nicht, dann könnten alle ins Restaurant.

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Der schnell redende Mediziner aus dem bayerischen Neu-Ulm hält für ein größeres Problem, dass noch unklar ist, welche Impfnachweise benutzt werden sollen. Die gelben Impfpass-Büchlein seien leicht zu fälschen. Zwar gebe es digitale Lösungen, doch würden sie nicht angewendet, auch wegen des in Impfzentren geltenden Datenschutzes.

Weil sagte, dass Impfausweis-Fragen in die Zuständigkeit des Bundesgesundheitsministers fallen (und betonte ohnehin ziemlich oft, wozu er nichts sagen könne). Korrespondent Theveßen wusste zu berichten, dass in den USA derzeit ebenfalls Impfbescheinigungen auf "kleinen Papierchen" eingesetzt würden. Journalistin Anna Sauerbrey vom Berliner "Tagesspiegel" wies darauf hin, dass die EU-Kommission ja auch einen EU-weiten Impfpass angekündigt hat, und sprach sich gegen "Deutschland basht sich selber"-Diskussionen aus.

Wie soll mit Impfverweigerern umgegangen werden?

Ein weiteres unter allerhand Impfthemen war die Frage, wie die Gesellschaft mit Impfverweigerern umgehen sollte. Theveßen überraschte mit der Info, dass in den USA Impfwilligen manchmal 80 Dollar, ein Donut oder sogar ein Joint versprochen werde. Der Pragmatiker Kröner sah wiederum kein größeres Problem, weil die Zahl der Impfwilligen insgesamt zunehme. Im Sommer könne die Aussicht, etwa nach einer Mallorcareise nicht in Quarantäne zu müssen, Anreiz genug bieten.

"Woran wir scheitern in Deutschland" sei Bürokratie, sagte er. So würden von Eltern privat gekaufte Luftfilter in Schulen nicht eingesetzt, weil nicht geklärt werden konnte, wer den Strom bezahlt. In dieselbe Kategorie ordnete er das Problem der ungenutzten Impfdosen ein. Allein in Bayern seien bislang rund "350.000 bis 500.000 Impfdosen in den Müll geflogen" rechnete er aus, weil aus jeder Impfstoffampulle offiziell nur sechs Dosen entnommen werden dürfen, obwohl kundige Impfkräfte eine siebte Dosis entnehmen könnten. Kröner hatte zwei unterschiedliche Spritzen mitgebracht und hielt sie in die Kamera.

Das Problem wirklich deutlich zu machen, gelang der Sendung nicht – schon der unterschiedlichen Begriffe wegen: Kröner sprach vom "Nupsi" an der Standardspritze und vom "Dorn" an der "Feindosierspritze". Eine kurz eingeblendete Grafik half wenig. Auch unterschiedliche Regelungen in den Bundesländern wurden nicht deutlich, außer dass Kröner zufolge Weils Niedersachsen besser agiere als sein eigenes Bundesland Bayern. Moderator Lanz setzte eine Spitze gegen den sonst "mega-innovativen" Ministerpräsidenten Söder, verzichtete jedoch auf Vertiefung.

Kurzum: In der interessierten Rederunde herrschte zwar ein ungewöhnlich angenehmes Gesprächsklima. Meist ließen alle einander sogar ausreden. Allerdings blieb vieles im Unklaren – beispielsweise auch, ob viele Gesundheitsämter noch immer faxen, wie es Praxen offenbar tun müssen, und wie oft die bundeseinheitliche Sormas-Software denn nun eingesetzt wird. Für eine Rederunde zum äußerst gründlich besprochenen Themenfeld Corona war das etwas dürftig, und eine Idee, wo das Gespräch hinführen sollte, fehlte. Vielleicht hätte Stammgast Karl Lauterbach geholfen, doch der wurde im anschließenden "heute journal update" zur Ausgangsbeschränkungsfrage interviewt (und in der dazwischengeschalteten ZDF-Eigenwerbung als Gast der heutigen Maybrit Illner-Talkshow angekündigt).

Dann geht es auch noch um den Wahlkampf

In der letzten halben Stunde vollzog Lanz zwei abrupte Themenwechsel. Erst beredete er mit Weil die Lage der SPD. Der Ministerpräsident ist natürlich routiniert genug, um sich durch Fragen wie "Wieviel Olaf Scholz steht eigentlich noch in Olaf Scholz?" in keine Bredouille bringen zu lassen. Neues Feuer für den SPD-Wahlkampf entfachte er allerdings nicht.

Ähnlich kurz ging es um die ersten 100 Amtstage des neuen, freilich (wie Lanz nicht nur einmal betonte) nicht mehr jungen US-amerikanischen Präsidenten Joe Biden. Hier kam Theveßen ins Spiel, der dieses Mal nicht aus Washington zugeschaltet war, sondern im Studio saß und zu einer Analyse der ambivalenten Lage ausholte. Interessant war die Idee, Bidens "Buy american!"-Rede, von der ein Ausschnitt eingespielt wurde, unter der Fragestellung zu hören, ob ihre Aussagen sich sehr von der Politik seines Vorgängers Trump unterscheiden.

Wie sagte die Journalistin Anna Sauerbrey, ein in Talkshows noch unverbrauchtes Gesicht, einmal? "Wir wachsen in den nächsten Wochen aus der Pandemie raus." Hoffentlich behält sie recht. Dann können sich Talkshows auch mal wieder um spannende andere Fragen kümmern, anstatt sich in zu vielen Was-mit-Corona-Themen zu verzetteln.

Verwendete Quellen
  • Markus Lanz vom 5. Mai 2021
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