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Zum journalistischen Leitbild von t-online.CDU-Chef Laschet bei "Markus Lanz" "Söder ist völlig unangemessen"
Bleiben die Schulen nach Ostern zu? Laschet kann das bei "Markus Lanz" nicht ausschließen – und zwar bundesweit. Lanz will noch wissen: Wünscht sich Merkel einen Kanzlerkandidaten Söder? Laschet zuckt die Schultern: "Dann ist es so."
Die Gäste
- Armin Laschet, CDU-Parteichef, NRW-Ministerpräsident
- Boris Palmer (Bündnis 90/Die Grünen), Oberbürgermeister von Tübingen
- Carola Holzner, Oberärztin in der Notaufnahme der Uniklinik Essen
- Helene Bubrowski, Redakteurin der "Frankfurter Allgemeinen Zeitung"
Bei manchen Gästen könnte das ZDF die Talkshow von Markus Lanz auch gleich in die Kulisse eines "SOKO"-Verhörzimmers verlegen. Licht aus, Spot an, Zeit fürs Kreuzverhör. Der Moderator hat sich in der Corona-Krise mit unangenehmen Fragen und hartnäckigem Nachbohren profiliert. Für CDU-Parteichef Armin Laschet kam es aber am Dienstagabend knüppeldick. Unerbittlich war Lanz auf der Jagd nach dem Geständnis: Ja, Bundeskanzlerin Angela Merkel hat mich bei "Anne Will" gezielt bloßgestellt und will mich eigentlich gar nicht als Kanzlerkandidaten der Union. Dabei wollte Laschet lieber über den Kampf gegen Corona sprechen und hatte schlechte Nachrichten für Eltern und Schüler.
Die gingen inmitten von Lanz' Trommelfeuer-Aufarbeitung von Merkels Auftritt bei Will fast unter. Der nordrhein-westfälische Ministerpräsident hatte gerade mit Blick auf die Schulen angekündigt: "Wenn es so weitergeht, wird es eine Testpflicht geben." Da hakte die Essener Notfallmedizinerin Carola Holzner nach und wollte wissen, ob die Schulen dann also nicht geschlossen werden müssten. "Ich kann Stand heute nicht definitiv sagen, dass die nach den Ferien aufmachen. Da werden wir uns sehr sorgsam mit beschäftigen müssen", enttäuschte Laschet die Mutter von Grundschülern. Denn Kinder seien anders als bei der Lage im vergangenen Jahr nun durch die Mutanten viel stärker gefährdet.
- Tagesanbruch: Warum Armin Laschet nicht Kanzler wird
Die nächste schlechte Botschaft: Im Gegensatz zum aktuellen Flickenteppich aus Corona-Regeln könnten diese Schulschließungen tatsächlich im ganzen Land gelten. "Die Kultusminister sprechen, die Gesundheitsminister auch. Und wenn, brauchen wir eine deutschlandweite Regelung, die für alle gilt", forderte Laschet. "Wenn wir es machen, muss es auch überall gelten. Die Kinder sind ja nicht in einem anderen Bundesland weniger oder mehr gefährdet." Hier fragte niemand nach, warum in diesem speziellen Fall die Gefährdungslage plötzlich von Flensburg bis zu den Alpen so einheitlich sein soll. "Das Schuljahr ist dann gelaufen", kommentierte der Tübinger Oberbürgermeister Boris Palmer.
Der Grünen-Politiker kritisierte mit Blick auf den Impfstoff für Astrazeneca für unter 60-Jährige: "Wir gehen mit Risiken nicht richtig um, wir wägen sie nicht richtig ab." Das Coronavirus sei gefährlicher als alle verfügbaren Impfstoffe. Dazu zählt Palmer auch das noch nicht zugelassene mRNA-Serum von Curevac, mit dem er als Proband bereits immunisiert wurde. Er verlangte, dass die Millionen vorhandenen Impfdosen des Tübinger Unternehmens für Freiwillige bereits vor der offiziellen Zulassung freigegeben werden sollten. "Wieso wird es den Leuten verboten, einen Impfstoff, der hervorragende Daten hat, zu nutzen, weil erst die Bürokraten noch zwei Monate prüfen müssen?", fragte er. "Leute können selber abwägen."
"Da bin ich ja bei Ihnen", sagte Laschet ein wenig überraschend, hatte er sich doch für eine sorgfältige Prüfung von Impfstoffen ausgesprochen. Im Falle von Astrazeneca sei der Staat aber verpflichtet, Menschen aus den höheren Risikogruppen, beispielsweise Erzieherinnen, einen sicheren Impfstoff zur Verfügung zu stellen: "Man kann der Frau nicht sagen: Ja, bitte, ist dein Risiko. Das geht mir zu weit." Damit trat er Markus Söder (CSU) entgegen, der die Astrazeneca-Impfung am Montag in eine Art Mutprobe verwandelt hatte und meinte: "Wer sich traut, soll auch die Möglichkeit haben."
Laschets Konkurrent um die Kanzlerkandidatur der Union war in der ZDF-Talkshow allgegenwärtig. Aber Lanz vermied es meist, ihn direkt beim Namen zu nennen – fast, als ob es sich beim bayerischen Ministerpräsidenten um einen Schurken aus "Harry Potter" handelte. "Warum hat Merkel bei "Anne Will" nicht den CSU-Chef angeprangert, sondern stattdessen ausgerechnet die ausbleibende Notbremse in Nordrhein-Westfalen kritisiert?", wollte Lanz von seinem Gast wissen. Der bestand darauf, dass der Moderator da zu viel in Merkels Worte hineininterpretiere.
Laschet verteidigt Merkel
"Wir haben ein so gutes Vertrauensverhältnis. Ich bin sicher, sie wollte damit keinen Schaden auslösen", beteuerte Laschet. Er und Merkel seien sich einig, dass jetzt nicht die Zeit für Öffnungsdiskussionen sei. In NRW werde bei entsprechender Inzidenz die Notbremse gezogen. Dabei seien lediglich im Rahmen der Teststrategie Besuche in Geschäften mit vorherigem Corona-Test möglich. Aber genau das gefalle Merkel ja nicht, warf Lanz ein und verlangte zu wissen: Hat Merkel Laschet beschädigt? "Ich empfinde das nicht so", erwiderte der. "Ich habe mich nicht gefreut. Aber in einer solchen Pandemie, in einer solchen Krise muss es auch es zwischen einem CDU-Chef und einer Kanzlerin mal einen unterschiedlichen Akzent in einem kleinen Detail geben."
Deutlichere Worte fand er für Söders Seitenhieb nach Merkels Talkshow-Auftritt, warum sie und Laschet sich ein halbes Jahr vor der Bundestagswahl streiten müssten. "Ich finde es rund um diese Pandemie völlig unangemessen, irgendwelche parteipolitischen Spielchen oder Sticheleien zu machen", schickte Laschet in Richtung München. Alle Ministerpräsidenten würden ihr Bestes geben. "Jeder bemüht sich für sein Land. Der braucht keine Belehrungen von anderen. Ist so." Diese Zurechtweisung hätte allerdings auch an Merkel adressiert sein können.
Laschet nahm die Kanzlerin außerdem in Schutz, als es um den Zustand des Landes nach 16 Jahren Merkel-Regierung ging. Der Zustand sei nicht gut, wie in der Pandemie klar geworden sei, sagte er, bekräftigte aber, dass Merkel gute Arbeit geleistet habe. Kein gutes Zeugnis stellte Laschet hingegen dem Anti-Corona-Kampf aus. "Wir müssen besser werden", so der CDU-Chef. "Seit Wochen läuft es nicht gut", urteilte er mit Blick auf Impfstoffbeschaffung, Teststau und die "unsägliche Mallorca-Entscheidung". Den Beschluss, die Ferieninsel nicht länger zum Corona-Risikogebiet zu erklären und damit vor Ostern einen Run auf Mallorca-Flüge auszulösen, kreidete Laschet neben Außenminister Heiko Maas (SPD) auch Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU) an. Hier habe die "Sensibilität" gefehlt, angesichts von Reiseverboten im Inland mit der Herabstufung Mallorcas bis nach Ostern zu warten und dann die Lage neu zu beurteilen: "Man hat dieses Problem unterschätzt."
Lanz machte aus seiner Meinung keinen Hehl, dass Laschet seinerseits verkenne, dass er bei Merkel möglicherweise bereits abgeschrieben sei. Der Moderator verwies darauf, wie überraschend konfliktfrei das Verhältnis zwischen Kanzleramt und bayrischer Staatskanzlei geworden sei. "Markus Söder ist jetzt plötzlich der Mann an ihrer Seite", provozierte Lanz zur Halbzeit der Sendung. Laschet war da im Dauerverhör allerdings bereits der Kampfgeist flöten gegangen: "Ja, dann ist es so."
- "Markus Lanz" vom 30. März