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Hausärzte: "Wir könnten jeden Tag anfangen zu impfen"


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Hausärzte-Präsident zu Impfungen
"Eine Unverschämtheit, das geht gegen unsere Berufsehre"

InterviewVon Camilla Kohrs

10.03.2021Lesedauer: 4 Min.
Impfung in einer Hausarztpraxis im Rahmen eines Pilotprojekts: Der Chef der Hausärztevereinigung fordert einen schnellen Impfstart in den Praxen.Vergrößern des Bildes
Impfung in einer Hausarztpraxis im Rahmen eines Pilotprojekts: Der Chef der Hausärztevereinigung fordert einen schnellen Impfstart in den Praxen. (Quelle: Nicolas Armer/dpa)

Der Chef des Hausärzteverbands würde lieber gestern als morgen anfangen, in Arztpraxen gegen das Coronavirus zu impfen. Das Abwarten der Politik stößt bei ihm auf Unverständnis.

Ab April soll auch in den Arztpraxen gegen das Coronavirus geimpft werden. Das Ziel sei es, frühestmöglich, jedoch spätestens in der Woche vom 19. April damit zu beginnen, beschlossen die Gesundheitsminister von Bund und Ländern am Mittwoch.

Ulrich Weigeldt, dem Chef des Deutschen Hausärzteverbands, geht das nicht schnell genug. Im Interview mit t-online erklärt er, warum die Hausärzte schon längst impfen könnten und was er von der starren Impfreihenfolge hält.

Herr Weigeldt, die Hausärzte sollen ab April gegen das Coronavirus impfen. Sind die Praxen bis dahin bereit?

Wir könnten jeden Tag anfangen zu impfen. Wir impfen ja auch täglich gegen Grippe, gegen Tetanus, gegen Diphtherie. Also können wir auch genauso gut gegen das Coronavirus impfen. Wir stehen bereit.

Wieso geht es dann erst im April los?

Dafür gibt es keinen sachlichen Grund. Der Grund für die Impfungen in den Zentren war ja, dass der Biontech-Impfstoff bei Minus 70 Grad gekühlt werden muss und wir das in den Arztpraxen nicht leisten können. Inzwischen hat sich aber herausgestellt, dass sich der tiefgekühlte Impfstoff in den normalen Kühlschränken der Arztpraxen fünf Tage hält und der Astrazeneca-Impfstoff ist sowieso unempfindlicher. Manchmal habe ich beinahe den Verdacht, dass es mehr darum geht, die bürokratische Ordnung einzuhalten. Und nun haben wir drei Millionen Dosen rumliegen, die nicht verimpft worden sind. Das tut richtig weh.

(Quelle: Metodi Popow)


Ulrich Weigeldt ist Allgemeinmediziner und seit 2007 Bundesvorsitzender des Deutschen Hausärzteverbands.

Es war absolut richtig, mit den Alten- und Pflegeheimen anzufangen. Das hat sich auch ausgezahlt zum Schutz der Risikopatienten und auch das Gesundheitssystem ist mittlerweile deutlich weniger stark belastet. Wir müssen uns nun aber fragen, was wichtiger ist: gnadenloses Abarbeiten einer Liste oder schnelles Impfen von vielen Menschen in kurzer Zeit.

Gesundheitsminister Jens Spahn und die Ständige Impfkommission betonen, dass die Impfreihenfolge weiter notwendig ist.

Natürlich können wir die einhalten. Aber sollen wir Impfstoff liegen lassen, nur weil die Gruppe drei noch nicht dran ist? Es kann ja auch sein, dass ein übergewichtiger 68-Jähriger mit Bluthochdruck gefährdeter ist als ein 74-jähriger, topfitter Modellathlet. Ist es dann sinnvoll, zuerst den 74-Jährigen zu impfen? Wir sehen die Impfreihenfolge eher als Leitlinie an, nach der man sich richtet.

Gibt es da Bedenken von Hausärzten, dass sie sich Ärger einhandeln könnten?

Uns wird ja unterstellt, Hausärzte würden ihre Freunde zuerst impfen. Das ist wirklich eine Unverschämtheit, das geht gegen unsere Berufsehre. Ich halte es für falsch, starr an einer Zahl, etwa einer Altersgrenze, festzuhalten, anstatt das Ziel ins Auge zu fassen: so viele Menschen wie möglich in kurzer Zeit zu impfen. Viele Länder, die in der Impfstatistik vor uns liegen, sind viel pragmatischer vorgegangen.

Wie wird das denn funktionieren: Sollen sich die Patienten bei ihren Ärzten melden oder wählen die Ärzte ihre Patienten aus?

Die Patienten melden sich schon längst bei uns. Die Hausärzte werden auch von älteren Menschen gefragt: Wann können Sie mich endlich impfen? Viele wollen nicht zu einem Fremden ins Impfzentrum gehen. Wir werden natürlich darauf achten, dass die Älteren und die Kränkeren zuerst geimpft werden. Und wir müssen uns darauf einstellen, dass es zu der ein oder anderen Diskussion kommt, warum eine Person noch nicht dran ist. Damit werden wir aber zurechtkommen, das kennen wir auch schon von der Grippeimpfung. Am ehesten lässt sich das natürlich vermeiden, wenn es keinen Mangel an Impfstoff gibt.

Nun haben einige Ärztevertreter Bedenken angemeldet, dass die Hausärzte von Bürokratie erschlagen werden. Wie stehen Sie dazu?

Diese Sorge muss man leider teilen. Die Hausärzte sollen die Impfdaten an das Robert Koch-Institut melden. Wir dürfen aber nicht die Praxen damit überfordern, dass sie noch irgendwelche Formulare ausfüllen. Wir müssen uns ja nicht nur um Impfungen, sondern auch um Diabetes- oder Krebspatienten kümmern. Die können wir ja nicht einfach vergessen und sagen, das Wichtigste ist, dass das RKI jeden Tag genau weiß, wie viele Patienten wir geimpft haben.

Das würde aber bedeuten, dass wir dann gar nicht genau wüssten, wie viele Menschen geimpft werden.

Wissen Sie, wie viele Menschen jeden Tag gegen Grippe geimpft werden?

Das weiß ich nicht, aber in der Corona-Pandemie gibt es ein besonderes Interesse am Impffortschritt.

Wenn wir in den Hausarztpraxen impfen, werden alle Impfstoffe, die geliefert werden, auch verimpft. Dadurch wissen wir natürlich, wie viele Menschen geimpft werden. Klar können wir eine Strichliste machen, die wir melden können. Das muss einfach und unbürokratisch sein, dazu sind wir natürlich auch bereit. Aber noch Alter, Beruf oder Priorisierungsgruppe von jedem Patienten festzuhalten, das führt zu weit. Wir müssen die Corona-Impfungen in die ganz normale Impfroutine der Hausärzte überführen. Auf die Dauer gesehen ist das eine Impfung von vielen.

Die Impfungen in den Arztpraxen werden nun schon "Gamechanger" in der Pandemiebekämpfung genannt. Sind die Erwartungen an die Hausärzte zu hoch?

Überhaupt nicht, gern wären wir das schon längst. Wir können flexibler, schneller und überzeugender impfen. Wenn Patienten Zweifel haben, beispielsweise beim Impfstoff von Astrazeneca, kann ich als Hausarzt viel besser beraten, als das ein Impfzentrum könnte. Ich könnte ihnen glaubhaft versichern, dass ich mit Astrazeneca auch mich selbst und meine Familie impfen würde. Die meisten Patienten würde das überzeugen. Wir haben eine Vertrauensbasis mit unseren Patienten, die sehr wichtig ist. Das darf man nicht unterschätzen.

Verwendete Quellen
  • Telefongespräch mit Ulrich Weigeldt
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