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Präsident der Intensivmediziner | "Die Lage bleibt bis Ostern sehr ernst"


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Präsident der Intensivmediziner
"Die Lage bleibt bis Ostern sehr ernst"

InterviewVon Sven Böll

04.02.2021Lesedauer: 3 Min.
Mediziner Gernot Marx: Große Sorge vor dritter WelleVergrößern des Bildes
Mediziner Gernot Marx: Große Sorge vor dritter Welle (Quelle: imago-images-bilder)
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Die Lage auf den Intensivstationen bessert sich, ist aber noch lange nicht entspannt, warnt der Präsident der Intensivmediziner im Gespräch mit t-online. Deshalb fordert Gernot Marx eine Verlängerung des Lockdowns.

Herr Marx, die Corona-Fallzahlen haben sich seit Weihnachten mehr als halbiert, die Todeszahlen verharren aber auf hohem Niveau. Warum?

Das ist eine äußerst berechtigte Frage, aber leider auch eine nicht ganz einfach zu beantwortende.

Warum ist die Antwort so schwierig?

Weil unsere Datenbasis leider nicht so gut ist. Wir können deshalb im Moment nur Vermutungen äußern. Was wir nicht vergessen dürfen: Wir haben in der zweiten Welle viel mehr Infektionen und damit auch viel mehr Patienten sowohl auf Intensiv- als auch Normalstationen als in der ersten Welle. Deshalb sterben auch deutlich mehr Menschen.

Sinken die Zahlen der an oder mit Corona Gestorbenen derzeit noch so zögerlich, weil im Durchschnitt rund vier Wochen zwischen Infektion und Tod vergehen?

Auch das spielt eine Rolle: Wer in diesen Tagen stirbt, hat sich mit großer Wahrscheinlichkeit um den Jahreswechsel herum angesteckt. Damals waren die Infektionszahlen noch weitaus höher als im Moment. Es wird also leider noch dauern, bis sich der deutliche Rückgang auch bei den Todeszahlen bemerkbar macht.

Allerdings werden noch immer sehr viele Corona-Patienten neu auf Intensivstationen aufgenommen. Allein zwischen Montag und Mittwoch dieser Woche waren es mehr als 1350 – und damit nur rund 30 Prozent weniger als vor vier Wochen.

Die noch immer hohe Zahl an Neuaufnahmen auf Intensivstationen ist auf jeden Fall auffällig. Auch hier kann ich bislang leider nur einen Erklärungsansatz bieten: Es kann sein, dass in dem einen oder anderen Krankenhaus auch Verdachtsfälle eingetragen werden, die Zahl also nicht ganz korrekt ist. Entscheidend ist für mich, dass die Zahl der intensiv behandelten Patienten seit dem Höhepunkt am 3. Januar mit fast 5800 Patienten um mehr als ein Viertel zurückgegangen – und die Anzahl der freien Betten entsprechend gestiegen – ist.

Gernot Marx ist Direktor der Klinik für Operative Intensivmedizin und Intermediate Care am Universitätsklinikum Aachen und seit Anfang des Jahres Präsident der Deutschen Interdisziplinären Vereinigung für Intensiv- und Notfallmedizin (DIVI). Die DIVI ermittelt unter anderem die Zahl der freien Intensivbetten.

Die Situation hat sich also entspannt. Aber ist sie auch schon entspannt?

Überhaupt nicht. Alle Mitarbeiter auf den Intensivstationen befinden sich seit bald einem Jahr in einem Dauer-Ausnahmezustand. Wir behandeln ja nicht nur Covid-19-Patienten, sondern auch viele andere schwer kranke Menschen. Und nach der ersten Welle im Frühjahr mussten wir viele Eingriffe nachholen, die wir verschoben hatten. Als wir damit halbwegs durch waren, kam bereits die zweite Welle, die viel schlimmer ist als die erste. Entspannung ist wirklich etwas anderes.

Wann würde die denn eintreten?

Von einer echten Entspannung würde ich sprechen, wenn wir weniger als 1000 Corona-Intensivpatienten hätten.

Das sind rund 3000 weniger als derzeit. Selbst wenn sich der Rückgang seit Jahresbeginn in diesem Tempo fortsetzen würde, bräuchte es dafür eher Monate als Wochen.

Absolut. Deshalb bin ich auch überzeugt, dass die Lage bis Ostern sehr ernst bleibt. Und da ist meine größte Sorge noch gar nicht eingepreist.

Sie spielen auf die Mutationen an?

Meine Kollegen und ich machen uns wirklich sehr große Sorgen, dass es aufgrund der Mutationen eine dritte Welle geben könnte. Wenn die beginnt, bevor wir die zweite Welle hinter uns gebracht haben, ist das erneut eine zusätzliche extreme Belastung für die Krankenhäuser.

Das klingt nicht danach, als würden Sie eine Lockerung des Lockdowns befürworten.

Ich plädiere nicht für eine unendliche Verlängerung des Lockdowns. Aber es ist zwingend erforderlich, dass wir die geltenden Maßnahmen mindestens um zwei Wochen verlängern. Ende Februar sollten wir dann nochmal schauen, wie weit wir mit unserem Anti-Corona-Dreiklang gekommen sind.

Was meinen Sie damit?

Die drei Dinge, die wir brauchen, um die Pandemie dauerhaft unter Kontrolle zu bekommen: Dazu müssen wir die Ausbreitung der Mutationen so lange es geht hinauszögern, möglichst rasch möglichst viele Menschen impfen und schließlich die Intensivstationen weiter entlasten.

Verwendete Quellen
  • Telefonat mit Gernot Marx
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