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Eventim-Vorstoß: Sollte man Nicht-Geimpfte von Konzerten ausschließen?


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Kampf gegen Corona-Pandemie
Dürfen Veranstalter Menschen ohne Impfung ausschließen?

  • David Ruch
Von David Ruch und Liesa Wölm

Aktualisiert am 03.02.2021Lesedauer: 4 Min.
Können in Zukunft nur noch Geimpfte Konzerte besuchen?Vergrößern des Bildes
Können in Zukunft nur noch Geimpfte Konzerte besuchen? (Quelle: getty-images-bilder)
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Der Besuch im Fußballstadion, das Essen im Restaurant, das Konzert der Lieblingsband nur mit Impfnachweis? Wäre das schon Diskriminierung?

Die Impfkampagne der Bundesregierung kommt immer noch nicht in Schwung. Fünf Wochen nach dem Start sind rund 2,7 Millionen Impfdosen in Deutschland verabreicht worden. Das heißt, dass nur etwas mehr als zwei von 100 Menschen bislang ihre erste von zwei Spritzen erhalten haben. Gleichzeitig schläft die Debatte nicht ein, ob Geimpfte früher wieder ohne Einschränkungen leben dürfen als jene ohne Impfung.

In die Diskussion hat sich nun auch der Ticketverkäufer CTS Eventim eingeschaltet. Das Unternehmen hat die Überlegung ins Spiel gebracht, die Teilnahme an Konzerten und Veranstaltungen an eine Corona-Impfung zu knüpfen. Eventim-Chef Klaus-Peter Schulenberg sagte der "Wirtschaftswoche": "Wenn es genug Impfstoff gibt und jeder sich impfen lassen kann, dann sollten privatwirtschaftliche Veranstalter auch die Möglichkeit haben, eine Impfung zur Zugangsvoraussetzung für Veranstaltungen zu machen."

Impfpflicht durch die Hintertür?

Der Besuch im Fußballstadion, das Essen im Restaurant, das Konzert der Lieblingsband nur mit Impfnachweis? Wäre das schon Diskriminierung? Und käme das nicht einer Impfpflicht durch die Hintertür gleich, die die Politik doch eigentlich ablehnt?

Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) hatte sich im Dezember klar gegen ein Sonderrecht für geimpfte Personen ausgesprochen. "Viele warten solidarisch, damit einige als Erste geimpft werden können. Und die noch nicht Geimpften erwarten umgekehrt, dass sich die Geimpften solidarisch gedulden", sagte Spahn damals. Keiner sollte Sonderrechte einfordern, bis die gesamte Bevölkerung eine Chance zur Impfung hat. "Diese gegenseitige Rücksicht hält uns als Nation zusammen", so Spahn. Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU) schloss sich Spahn an und warnte vor einer Zwei-Klassen-Gesellschaft zwischen Geimpften und Nicht-Geimpften.

Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) hingegen betonte am Dienstag im ARD-Interview, wer eine Impfung ablehne, "kann vielleicht bestimmte Dinge nicht machen". Es gehe nicht um "Privilegien", wenn man geimpften Menschen womöglich künftig Zugang zu Kinos oder Restaurants gewähre. "Daran dürfen wir uns nicht gewöhnen, dass das normale Leben, wie wir es kennen mit unseren Freiheiten, das Leben ist, das nicht mehr normal ist." Woran die Kanzlerin erinnert: Es ist ein Grundrecht, ohne Corona-Regelungen zu leben – doch muss es aufgrund der Pandemie derzeit massiv eingeschränkt werden.

Sind Veranstalter im Recht, wenn sie Gruppen ausschließen?

Der Jurist Steffen Augsberg, Professor für Öffentliches Recht an der Universität Gießen und Mitglied im Deutschen Ethikrat, sieht Veranstalter sogar im Recht, wenn sie bestimmte Gruppen ausschließen. Denn schließlich könne sich eine private Gesellschaft aussuchen, mit wem sie Verträge schließt, wie er dem Justizportal Legal Tribune Online sagte.

"Für Private gilt der Grundsatz der Vertragsfreiheit: Jeder darf sich aussuchen, mit wem er kontrahiert – und eben auch, mit wem nicht." Wenn etwa in einem Ort Bäcker A nur Nicht-Geimpften Zugang gewähre, sie bei Bäcker B aber weiter einkaufen könnten, dann gehe es um das Gefühl, zurückgesetzt zu sein, aber nicht um einen rechtlichen Anspruch. Erst wenn dadurch tatsächlich der Zugang zu lebensnotwendigen Dingen des täglichen Bedarfs eingeschränkt würde, bestünde ein staatlicher Auftrag, dagegen einzuschreiten.

"Menschen, die sich nicht impfen lassen wollen, können dann eben nicht teilnehmen"

"Der Staat ist Gleichheitsaspekten stärker verpflichtet als Private. Es wäre etwa kaum vorstellbar, die Beratung im Jobcenter daran zu knüpfen, dass der Berechtigte einen Impfnachweis vorlegt." Grenzen setzten etwa die Vorgaben des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes. Aber auch nach dem AGG sei eine Impfung kein unzulässiges Kriterium, sondern ein nachvollziehbarer sachlicher Grund für eine Ungleichbehandlung.

Auch der Medizinethiker Georg Marckmann hält es für möglich, in bestimmten Fällen Ungeimpften den Zugang zu verweigern – wenn es sich um nicht lebenswichtige Bereiche wie Konzerte handelt. Der "Welt" sagte er: "Wenn das Infektionsrisiko bei einer kulturellen Veranstaltung nur dann vertretbar ist, wenn nur geimpfte Menschen teilnehmen, fände ich das vertretbar. Menschen, die sich – aus welchen Gründen auch immer – nicht impfen lassen wollen, auch wenn sie es könnten, können dann eben nicht teilnehmen."

Unterscheidung in lebenswichtige und nicht-lebenswichtige Bereiche

Marckmann schränkte jedoch ein, dass eine Unterteilung danach, ob jemand geimpft ist oder nicht, erst dann zu rechtfertigen sei, wenn auch wirklich jeder Zugang zu einer Impfung habe. "Solange sich nicht jeder impfen lassen kann, müssen die gleichen Vorschriften für alle gelten. Danach kann man durchaus unterteilen, sofern es sich nicht um lebenswichtige Bereiche handelt."

Hier geht Augsberg noch einen Schritt weiter. Er hält Einschränkungen für Nicht-Geimpfte auch dann für möglich, wenn noch nicht alle die Möglichkeit hatten, sich impfen zu lassen. Dort, wo für private Veranstalter kein Zwang zum Vertragsabschluss bestehe, sei der Veranstalter in der Wahl seiner Vertragspartner frei: "Wo ein 'Kein Bier für Nazis'-Aufkleber an der Tür klebt, muss jemand, der vom Gastwirt zu dieser Gruppe gezählt wird, damit leben, nicht reinzukommen. Das ist eine legale Auswahlentscheidung, die er hinzunehmen hat."

Ein Grundrechtseingriff wäre es aus Sicht von Augsberg vielmehr dann, wenn ein Gesetz es privaten Unternehmern verbieten würde, Vorteile an einen Impfstatus zu knüpfen. "Ein solches Gesetz würde Grundrechte beschneiden, etwa die Berufs- oder die Kunstfreiheit, aber natürlich vor allem die grundrechtlich abgesicherte Privatautonomie der Geimpften und der Unternehmer."

"Haben Systeme so eingerichtet, dass sie Impfausweise lesen können"

Die Ethikratsvorsitzende Alena Buyx mahnte in der Debatte hingegen zu Geduld. Solange sich nicht alle Menschen gegen das Coronavirus impfen lassen können, die das möchten, könne man nicht über mögliche Sonderrechte sprechen, sagte sie Ende Dezember. "In einer Phase, in der wir alle für bestimmte Gruppen mit besonderen Risiken solidarisch zurückstehen, wäre es sehr unausgewogen, wenn diese Gruppen sich dann öffentlich die Maske vom Gesicht ziehen", erklärte Buyx dem "Tagesspiegel".

Der Ticketverkäufer CTS Eventim hat derweil bereits entsprechende technische Voraussetzungen dafür geschaffen, um Impfpässe am Eingang zu Veranstaltungen zu prüfen und so nur den Menschen Einlass zu gewähren, die bereits eine Corona-Impfung erhalten haben. "Wir haben unsere Systeme so eingerichtet, dass sie auch Impfausweise lesen können", sagte Firmen-Chef Schulenberg.

Er verstehe, wenn Menschen wegen einer Impfung Bedenken hätten. "Aber wenn man sieht, wie nun weltweit ohne relevante Nebenwirkungen geimpft wird, dann ist zu hoffen, dass diese Skepsis auch bald schwinden wird", so Schulenberg. Eventim unterstützt in Schleswig-Holstein die Vergabe für Impftermine, um gegen die Pandemie anzukämpfen. Da viele Einnahmen derzeit wegfallen, will das Unternehmen gleichermaßen die Chancen nutzen, die sich aus der Krise ergeben.

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