Corona-Gipfel von Bund und Ländern Lockdown bis Februar – Merkel: "Diese Zeit müssen wir nutzen"
Als Merkel nach den mehr als siebenstündigen Beratungen vor die Kameras trat, hatten sich Bund und Länder aber zusammengerauft, wenn auch mit Mühen. "Es hat lange gedauert, ich glaube, es hat sich gelohnt", sagte die Kanzlerin. Der Vorsitzende der Ministerpräsidentenkonferenz, Berlins Regierender Bürgermeister Michael Müller (SPD), resümierte: "Wir können gemeinsam auch weiterhin viel erreichen." Und Bayerns Regierungschef Markus Söder (CSU) sagte zwar, es wäre "vielleicht noch ein bisschen mehr drin gewesen" – man habe aber doch viel erreicht. "Leidenschaftlich" habe man gerungen, das bestätigten alle Drei.
Große Sorge mit Blick auf Mutationen
Die Lage ist kompliziert: Einerseits wächst angesichts der gesunkenen Corona-Zahlen der Wunsch der Menschen nach Lockerungen, insbesondere an Schulen und Kitas. Andererseits gibt es große Sorgen vor der britischen Virusvariante. Bei den Herkunftsgebieten von Mutationen wie Großbritannien müsse man besonders streng hinsichtlich der Einreise sein, betonte Merkel am Abend. Mit Hochrisikogebieten wie Tschechien müsse man sich koordinieren und Teststrategien absprechen. "Und wenn Länder ganz andere Wege gehen sollten, was ich im Augenblick nicht sehe, aber das kann auch sein, dann muss man auch bis zum Äußersten bereit sein und sagen: Dann müssen wir auch wieder Grenzkontrollen einführen."
Getrieben von der Sorge vor der Virusmutation einigte sich die Bund-Länder-Runde am Dienstag zunächst sehr schnell: Der Lockdown wird noch einmal bis zum 14. Februar verlängert – aber nur an einigen Stellen noch einmal verschärft.
"Wir müssen auch sagen, dass uns die Weihnachts- und Silvesterzeit nicht zurückgeworfen hat", sagte Merkel. Doch sie verweist auf die Zustände in Großbritannien – es sei besser weiter zu verschärfen, als dass die Krankenhäuser bald überfüllt seien. "Diese Zeit, die wir jetzt noch haben bis zum 14. Februar, die müssen wir jetzt nutzen", so Merkel. Dazu will sie auch Gesundheitsämter personell besser ausstatten, damit die Kontakte wieder nachverfolgen können.
Heftige Diskussionen über Schulen und Kitas
Größter Streitpunkt bei den Verhandlungen: Schulen und Kindergärten. Die Schalte der Ministerpräsidenten wurde sogar kurz für ein Krisen-Telefonat zwischen Merkel, Vizekanzler Olaf Scholz und den Ministerpräsidenten Müller und Söder zu dem Thema unterbrochen.
Seit Mitte Dezember sind die meisten der mehr als 40.000 Schulen und fast 58.000 Kitas in Deutschland entweder bis auf eine Notbetreuung komplett geschlossen oder es wurde die Eltern gebeten, ihren Nachwuchs zu Hause zu lassen. Für Abschlussklassen, die vor den Prüfungen stehen, hatten Bund und Länder Ausnahmen vereinbart.
Wie Merkel auf der Pressekonferenz nun mitteilte, sollen Schulen bis Mitte Februar "grundsätzlich" geschlossen bleiben. Die Präsenzpflicht werde ausgesetzt, in Kitas soll analog verfahren werden. Merkel begründete die Aufrechterhaltung der Maßnahmen damit, dass es Hinweise darauf gebe, dass die Virusmutation "B.1.1.7" sich auch stärker unter Kinder und Jugendlichen verbreite, als das bei dem bisher bekannten Virus der Fall sei.
Das Wort "grundsätzlich" schließt aber offenkundig nicht aus, dass Länder ausscheren. Baden-Württembergs Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) etwa kündigte am Abend sogleich an, Grundschulen und Kitas voraussichtlich vom 1. Februar an schrittweise wieder zu öffnen – allerdings mit der Einschränkung: "wenn die Infektionslage das zulässt".
Söder warnt vor "Jojo-Effekt"
Berlins Regierender Bürgermeister Michael Müller (SPD) betonte bei der Pressekonferenz: "Die allermeisten Schulen sind geschlossen." Die Landesregierungen seien bei Schulöffnungen bereits sehr restriktiv, verantwortungsvoll und orientiert an Fallzahlen vorgegangen. Dass sich die Ministerpräsidenten-Runde in dem "sensiblen Bereich" gemeinsam auf eine weitere wochenlange Schließung geeinigt habe, bedeute viel. Es brauche jetzt noch einmal eine gemeinsame Kraftanstrengung wie beim ersten Lockdown im Frühjahr und breite Solidarität, so Müller.
Bayerns Ministerpräsident Markus Söder betonte: Es gebe derzeit eine "sehr gemischte Gefühlslage in Deutschland". Die beschlossenen Maßnahmen wirkten, das sei eine gute Nachricht. Aber: Die Mutationen zwängen zu weiteren Maßnahmen: "Es wäre ein schwerer Fehler, jetzt aufzuhören. Weil wir dann einen Jojo-Effekt hätten." Man dürfe die "Therapie nicht frühzeitig abbrechen", so Söder. Auch er bezeichnete die weitere Schließung der Schulen als "umstrittensten Punkt". Mit Blick auf die Virus-Mutationen aber bleibe "Vorsicht der bessere Weg".
Merkel: Impfen hat "größte strategische Bedeutung"
Söder wie Müller drangen bei der Pressekonferenz außerdem auf stabile Informationen zur Lieferung der Corona-Impfstoffe vom Bundesgesundheitsministerium. Zuletzt hatte es immer wieder Verzögerungen gegeben. "Wir haben eindringlich darum gebeten, dass wir rechtzeitig informiert werden, wann wir mit welchen Lieferungen rechnen können", sagte Müller.
Söder nahm den Bund in Schutz, drang aber auch darauf: Die Impfstoff-Produktion in Deutschland müsse erhöht werden. Merkel verwies darauf, dass man beschränkten Einfluss auf die Hersteller habe, und betonte, dass man sich bemühe: Das Impfen sei "hohe logistische Herausforderung mit größter strategischer Bedeutung".
- Pressekonferenz im Kanzleramt
- Nachrichtenagenturen dpa, AFP, Reuters