Merkel nach Corona-Gipfel "Jeder Kontakt, der nicht stattfindet, ist gut"
Bund und Länder haben eine Zwischenbilanz des Teil-Lockdowns gezogen. Die Appelle bleiben bestehen, kommende Woche wird noch einmal getagt – dann sind neue Einschränkungen wahrscheinlicher.
Trotz des Teil-Lockdowns ist die Zahl der Neuinfektionen hoch geblieben – zu hoch, meinen Bund und Länder. Kanzlerin Angela Merkel (CDU) und die Ministerpräsidenten beschlossen bei ihrem Gipfel am Montag zwar keine neuen Beschränkungen, richteten aber einen eindringlichen Appell an die Bevölkerung. Jeder solle auf private Feiern verzichten und Zusammenkünfte mit Freunden und Bekannten auf einen festen weiteren Hausstand beschränken, heißt es im Beschluss von Bund und Ländern. "Jeder Kontakt, der nicht stattfindet, ist gut", sagte Merkel. Sie und die Ministerpräsidenten warnten: Ein hohes Infektionsgeschehen sei "nur noch durch erhebliche Beschränkungen" zu kontrollieren, "die, je später sie erfolgen, umso einschneidender und länger erfolgen müssen".
Bayerns Ministerpräsident Markus Söder (CSU) stimmte die Menschen in Deutschland auf eine Verlängerung und weitere Verschärfung der Anti-Corona-Maßnahmen über das Monatsende hinaus ein. "Ich habe wenig Hoffnung, dass Ende November alles wieder gut ist", sagte Söder am Montagabend in Berlin. Man müsse die Maßnahmen deshalb "lieber verlängern statt vorzeitig abzubrechen". "Im Zweifel müssen wir auf Sicherheit setzen", so Söder.
"Es reicht noch nicht"
Die Neuinfektions-Zahlen fingen an zu stagnieren, sagte Söder, betonte aber: "Es reicht noch nicht." Ziel müsse sein, die Zahl Richtung 50 zu senken, um Infektionsketten nachverfolgen und ein diffuses Geschehen verhindern zu können. Söder fügte hinzu, um das Weihnachtfest mache er sich fast weniger Sorgen als um Silvester: "So richtig vorstellen mag ich mir nicht, dass wirklich große Skiferien wieder stattfinden."
Berlins Regierender Bürgermeister Michael Müller (SPD) bezeichnete die Corona-Situation in Deutschland als "weiter besorgniserregend". Es sei viel erreicht, aber noch längst nicht genug, sagte Müller, derzeit Vorsitzender der Ministerpräsidentenkonferenz. Bis zum Mittwoch kommender Woche wollten Bund und Länder ein langfristiges Gesamtkonzept planen, das eine gewisse "Perspektive und Planungssicherheit" biete. Heute wurde gemahnt, nächste Woche werde entschieden, ergänzte Söder. "Corona erfordert von uns von Woche zu Woche eine mutige Entscheidung."
Das sind die Beschlüsse im Detail:
Private Treffen: Private Zusammenkünfte mit Bekannten und Verwandten sollen sich auf "einen festen weiteren Hausstand" beschränken, das gilt auch für Kinder und Jugendliche. Auf private Feiern, so der Aufruf, sollen Bürgerinnen und Bürger verzichten. "Die Kontaktbeschränkungen sind das Erfolgsrezept. Und wir brauchen mehr davon. Wir müssen noch stärker reduzieren, damit wir auch unsere Ziele erreichen", so Merkel. "Jeder Kontakt, der nicht stattfindet, ist gut für die Pandemie", sagte die Kanzlerin weiter.
Mobilität: Bürger werden angehalten, auf "nicht notwendige private Reisen und touristische Tagestouren" zu verzichten und öffentliche Verkehrsmittel möglichst zu meiden.
Telefonische Krankschreibung: Personen mit Atemwegserkrankungen werden aufgerufen, zu Hause zu bleiben, bis die Symptome abgeklungen sind, und sich auszukurieren. Sie sollten die Möglichkeit nutzen, sich von ihrem Arzt telefonisch krankschreiben zu lassen. Mit diesem sollten sie auch klären, ob ein Test erforderlich ist.
Schutz von Risikogruppen: Besonders gefährdete Menschen sollen zum Schutz vor dem Coronavirus von Dezember an 15 vergünstigte FFP2-Masken erhalten. Das ergebe rechnerisch eine Maske pro Winterwoche. Wer genau profitiert, soll noch geklärt werden – generell gelten Alte, Kranke oder Menschen mit Vorerkrankungen als besonders gefährdet. Besuche bei gefährdeten Menschen sollte man nur dann unternehmen, wenn alle frei von Krankheitssymptomen sind und sich in den Tagen zuvor "keinem besonderen Risiko" ausgesetzt haben, so der Appell.
- Corona in Schulen: Diese Karte zeigt die Fälle
Impfzentren: Bund und Länder rechnen damit, dass es höchstwahrscheinlich im ersten Quartal kommenden Jahres mindestens einen zugelassenen Impfstoff gibt. Die Länder sollen dafür sorgen, dass ihre Impfzentren und -strukturen dann kurzfristig in Betrieb gehen können. Bis Ende November sollen die Länder dem Bund mitteilen, wie viele Impfungen sie am Tag planen.
Nachverfolgung von Infektionen: Da eine vollständige Nachverfolgung von Kontakten oft nicht möglich ist, sollen bei Ausbrüchen in einem Cluster – wie beispielsweise Schulen oder Unternehmen – Maßnahmen wie eine Quarantäne auch ohne positives Testergebnis angeordnet werden.
Sport: Wie erwartet gibt es für den Sport vorerst keine Lockerungen der Ende Oktober verschärften Corona-Regeln. Sowohl Merkel als auch Söder bekräftigten den Aufruf zum Verzicht auf freizeitbezogene Aktivitäten und Besuche in Bereichen mit Publikumsverkehr. Ein deutlicher Fingerzeig auch für den Sport. Der Amateur- und Breitensport, der Anfang November zum Erliegen gekommen ist, muss sich also wahrscheinlich auf eine längere Corona-Pause einstellen. Die Profiligen im Fußball, Handball, Basketball und Eishockey werden bis zum Jahresende wohl weiter nur Geisterspiele austragen dürfen.
Technologie: Gesundheitsämter sollen noch stärker digitale Systeme zur Kontaktnachverfolgung nutzen, und die Corona-Warn-App soll weiter verbessert werden. "Die Corona Warn App ist ein wichtiger Baustein", so Müller am Montagabend. "Die Warn App ist eigentlich eine super Geschichte", ergänzte Söder.
Evaluation und Schulen: Eine Entscheidung über das weitere Vorgehen an den Schulen wurde vertagt. "Bund und Länder werden auf der nächsten Konferenz darüber beraten, wie Ansteckungsrisiken im Schulbereich in Hotspots reduziert werden können", heißt es in dem Beschluss.
Die nächste Konferenz ist nach Merkels Angaben für den 25. November geplant. Dann solle auch ein Ausblick bis zum Beginn des neuen Jahres erfolgen. Bei diesem Treffen werde es mit Sicherheit Rechtsänderungen geben, sagte die Bundeskanzlerin.
- Pressekonferenz von Angela Merkel, Markus Söder und Michael Müller
- Nachrichtenagentur dpa