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Tiergartenmord in Berlin: "Herr K. oder S. – wie auch immer" – Identität unklar


Angeklagter bestreitet Identität
Auftragsmord in Berlin: "Herr K. oder S. – wie auch immer"


Aktualisiert am 07.10.2020Lesedauer: 3 Min.
Der Sitzungssaal im Landgericht Berlin: Ein Mann ist angeklagt, im Kleinen Tiergarten einen Tschetschenen getötet zu haben.Vergrößern des Bildes
Der Sitzungssaal im Landgericht Berlin: Ein Mann ist angeklagt, im Kleinen Tiergarten einen Tschetschenen getötet zu haben. (Quelle: Odd Andersen/ap)
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Der russische Staat soll im Kleinen Tiergarten in Berlin ein Attentat ausgeführt haben. Der mutmaßliche Killer bestätigt nicht mal seinen Namen. Beweise bleiben zunächst unter Verschluss.

Er heiße nicht Vadim K., er kenne diese Person gar nicht. Die erste öffentliche Stellungnahme des Angeklagten im Prozess um den mutmaßlichen Auftragsmord im Kleinen Tiergarten hat es in sich. Wohl in dieser Erwartung hat Richter Arnoldi den Mann vorab belehrt: Das Recht zur Aussageverweigerung gelte auch für Angaben zu seiner Person, sollte er sich damit selbst belasten.

Zwei Geburtstage, zwei Geburtsorte

Es ist eine ungewöhnliche Situation am Kriminalgericht Moabit unweit des Tatorts. Vor etwa einem Jahr wurde ein ehemaliger Kämpfer tschetschenischer Milizen mit Kopfschüssen getötet. Der Angeklagte verweigert nicht nur Angaben zur Sache, er will auch eine vollkommen andere Person sein: nicht 65 Jahre alt, wie in der Anklageschrift zu lesen ist, sondern 50 Jahre, nicht geboren in Kasachstan, wie die Staatsanwaltschaft glaubt, sondern geboren in Irkutsk.

Und einen anderen Namen will er auch haben – nämlich den, der in seinem russischen Reisepass und europäischen Visum steht: Vadim S. Daran, dass ihm der Prozess wegen eines Auftragsmordes gemacht wird, ändert das hingegen nichts. "Herr K., Herr S. – wie auch immer", sagt Richter Arnoldi.

Für die Aufklärung der Hintergründe des Verbrechens wird wohl eine Rolle spielen, wie der Angeklagte wirklich heißt. Für die Aufklärung des unmittelbaren Tatgeschehens aber vermutlich eher weniger.

Die Tatwaffe: eine Glock 26

Denn die Beweise, die der Generalbundesanwalt zusammengetragen hat, könnten belastender nicht sein. K. wurde direkt nach dem Mord im Kleinen Tiergarten festgenommen. Da hatte er laut Zeugen soeben die Tatwaffe – eine Glock 26 mit mehreren Schuss Munition im Magazin –, ein Fahrrad und eine Perücke in der Spree versenkt. Wenig später wurden die Funde sichergestellt. Gutachten könnten ihn weiter belasten. Zum Prozessauftakt wurde bekannt, dass unter anderem Schmauchspuren untersucht wurden.

Der Verteidigung gegen den Mordvorwurf wird die mögliche Schutzbehauptung also eher nicht dienen, dass er tatsächlich derjenige sein will, auf den die Papiere ausgestellt sind. Will er damit andere schützen?

Der Generalbundesanwalt ist überzeugt: Das Mordopfer wurde im Auftrag des russischen Staats getötet, als Vergeltung für seinen Kampf gegen die Russische Föderation im Tschetschenien-Krieg. Er habe als "Staatsfeind" gegolten. Zum Prozessauftakt legt die Anklage noch nicht alle Indizien dafür offen, zahlreiche hat sie aber bereits im Ermittlungsverfahren mitgeteilt. Auch die mutmaßlich falsche Identität des Angeklagten gibt demnach Hinweise auf die Verwicklung russischer Behörden. Einem Bericht des Rechercheportals "Bellingcat" zufolge wird ein russischer Geheimdienstoffizier weiter gesucht, der kurz vor der Tat mit K. in Deutschland in Kontakt stand.

Verhandlung im Hochsicherheitssaal

Auch dieser Hintergrund macht den Prozess ungewöhnlich: Für die Prozessbeteiligten wird von einer "besonderen Gefährdungslage" ausgegangen. Vor Beginn am Morgen sicherten deswegen zahlreiche Polizeibeamte das Kriminalgericht, die Verhandlung selbst findet im Hochsicherheitssaal 700 statt. Dort gelten auch für Journalisten strenge Auflagen. Ausdrücklich ist ihnen untersagt, "Gegenstände welcher Art auch immer, insbesondere Schreibwerkzeug o. Ä., an Personen im Zuschauerraum zu übergeben", hieß es zuvor in einer Mitteilung.

Wesentliche Neuigkeiten erfuhr die Öffentlichkeit bei der Verlesung der Anklageschrift am ersten Prozesstag nicht. Ob das in den nächsten Wochen so bleiben wird, hängt wohl auch davon ab, wie mit zahlreichen Dokumenten verfahren wird. Sie sollen als Beweise in das Verfahren eingeführt werden, ohne sie öffentlich zu verlesen. Ein sogenanntes "Selbstleseverfahren" sei das, um den Prozess zu beschleunigen, erläuterte Richter Arnoldi.

Das heißt: Rund 80 wichtige Beweisdokumente werden Staatsanwaltschaft, Verteidigern und Nebenklage zwar zur Verfügung gestellt. Öffentlich erörtert werden sie aber vermutlich nur, wenn eine der Seiten ihnen widerspricht. Davon betroffen sind unter anderem ein DNA-Gutachten, ein Gutachten zum Gesichtsabgleich, ein Gutachten zu Schmauchspuren und Aussagen von Verbindungsbeamten in Russland und Georgien. Ob sie behandelt werden, wird das Verfahren zeigen.

Verwendete Quellen
  • Eigene Recherchen
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