Fehler in Bußgeldkatalog StVO-Probleme: Unionsminister wirft Grünen Blockade vor
Berlin (dpa) - Bei der Lösung der rechtlichen Probleme zu neuen Raser-Regeln werfen unionsgeführte Länder den Grünen eine Blockade vor.
"Wenn die Grünen weiter auf einer rechtlich nicht haltbaren Maximalforderung bestehen, blockieren sie eine rechtssichere Lösung und erweisen der Verkehrssicherheit einen Bärendienst", sagte der nordrhein-westfälische Verkehrsminister Hendrik Wüst (CDU) am Freitag der Deutschen Presse-Agentur. "Das Beste wäre, wir klären das schnell bei einer Sonder-Verkehrsministerkonferenz." Das Bundesverkehrsministerium erklärte, ein fachlich guter Kompromiss sei zum Greifen nah und habe bereits breite Zustimmung erhalten.
Grund für die notwendigen Verhandlungen ist ein Formfehler zum Bußgeldkatalog in der neuen Straßenverkehrsordnung, die Ende April in Kraft trat. Nach dem Formfehler wurden schärfere Regeln für zu schnelles Fahren außer Vollzug gesetzt. Der neue Katalog sieht eigentlich vor, dass ein Monat Führerscheinentzug droht, wenn man innerorts 21 Kilometer pro Stunde zu schnell fährt oder außerorts 26 Stundenkilometer zu schnell. Zuvor lagen die Grenzen bei Überschreitungen von 31 Kilometer pro Stunde im Ort und 41 Stundenkilometer außerhalb.
Die Frage ist, wie groß nun die Änderungen ausfallen sollen. Aus Sicht von Bundesverkehrsminister Andreas Scheuer (CSU) sind schärferen Raser-Regeln, die der Bundesrat in die Verordnung gebracht hatte, unverhältnismäßig.
Etwa der Deutsche Verkehrssicherheitsrat und die Gewerkschaft der Polizei hatten allerdings davor gewarnt, die verschärften Regeln für Raser wieder zurückzunehmen. Unverhältnismäßig hohe Geschwindigkeiten seien weiterhin das Unfallrisiko Nummer 1.
Der Verhandlungsführer der grünen Verkehrsminister, der baden-württembergische Verkehrsminister Winfried Hermann, sagte dem "Spiegel": "Die grünen Verkehrsminister sind nach wie vor verärgert darüber, dass der Bundesverkehrsminister einen kapitalen Fehler gemacht hat und die Chuzpe besitzt, diesen Fehler zum Anlass zu nehmen, seine Position der Toleranz gegenüber Schnellfahrern und Rasern durchzusetzen."
Die Grünen waren in die Verhandlungen mit dem Ziel gegangen, dass lediglich der Formfehler korrigiert wird. Die neue Straßenverkehrsordnung sieht eigentlich im Kern Verbesserungen vor allem für Radfahrer vor.
Der "Spiegel" berichtete über einen Kompromissvorschlag Scheuers. Dieser sieht vor, die Geschwindigkeitsgrenzen weiter beizubehalten - die Sanktionen aber zu entschärfen. Den Führerschein für einen Monat abgeben solle demnach nur, wer mit mindestens 21 Kilometern pro Stunde zu schnell vor Schulen und Kindergärten geblitzt wird - und nicht grundsätzlich im Ort.
Außerorts solle nach Scheuers Vorschlag nicht wie ursprünglich vorgesehen jeder ein einmonatiges Fahrverbot bekommen, der mit über 26 Kilometern pro Stunde zu schnell erwischt wird - sondern nur diejenigen, die an Baustellen auf Autobahnen derart rasen. Zugleich sollen laut Bericht die Geldstrafen von den ursprünglich geplanten 70 (ab 21 km/h) beziehungsweise 80 Euro (ab 26 km/h) deutlich hochgesetzt werden.
Das Bundesverkehrsministerium erklärte mit Blick auf die Grünen, dem Ministerium sei die Einbindung aller politischen "Farben" im Bundesrat im Sinne einer Lösung wichtig.
NRW-Verkehrsminister Wüst sagte, die Rechtsprechung sei eindeutig. "Darauf hat selbst das baden-württembergische Justizministerium hingewiesen: Geschwindigkeitsverstöße müssen laut Rechtsprechung fortgesetzt und beharrlich sein, um einen Führerscheinentzug zu rechtfertigen. Deshalb ist ein genereller Führerscheinentzug beim ersten Verstoß rechtlich nicht haltbar."
Zum Schutz von Radfahrern und Kindern habe NRW den Kompromiss vorgeschlagen, bei Überschreitungen von über 21 km/h innerorts in Tempo-30-Zonen vor Schulen und Kindergärten schon den ersten Verstoß mit Führerscheinentzug zu ahnden und sei so auf die Grünen zugegangen.
Ein Sprecher der saarländischen Verkehrsministerin Anke Rehlinger (SPD) sagte, es gebe weitere Gespräche und keine Auskunft zu "Zwischenständen". Rehlinger ist derzeit Vorsitzende der Verkehrsministerkonferenz.
Der ADAC begrüßte den Kompromissvorschlag Scheuers. Verkehrspräsident Gerhard Hillebrand sagte der dpa: "Die Verwicklungen um die StVO haben das Vertrauen der Bevölkerung in Politik und Behörden bereits empfindlich gestört. Ein großes Projekt, das für die Verkehrssicherheit wichtig ist, ist aus vielerlei Gründen ins Stocken geraten." In den Gesprächen mit den Bundesländern werde es wichtig sein, dass "ideologische Interessen" hinten angestellt werden und Verkehrssicherheitsaspekte wieder in den Fokus geraten.