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Reichen Freiwilligendienste? "Wir brauchen den Pflichtdienst zurück"


Interview
Was ist ein Pro & Kontra?

Die subjektive Sicht zweier Autoren auf ein Thema. Niemand muss diese Meinungen übernehmen, aber sie können zum Nachdenken anregen.

Reicht Freiwilligkeit aus?
"Wir brauchen den Pflichtdienst zurück – unter einer Bedingung"

Pro & KontraVon Nathalie Rippich und Till Oppermann

Aktualisiert am 25.07.2020Lesedauer: 2 Min.
Pause, Essensausgabe: Freiwillige Wehrdienstleistende während ihrer Ausbildung bei der Bundeswehr.Vergrößern des Bildes
Pause, Essensausgabe: Freiwillige Wehrdienstleistende während ihrer Ausbildung bei der Bundeswehr. (Quelle: Rainer Unkel/imago-images-bilder)
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Die Bundesverteidigungsministerin sieht den geplanten neuen Bundeswehr-Freiwilligendienst als Beitrag für mehr gesellschaftlichen Zusammenhalt in Deutschland. Doch reicht Freiwilligkeit wirklich aus? | Von Nathalie Rippich und Till Oppermann.

Es gibt bereits den Bundesfreiwilligendienst, das Freiwillige Soziale Jahr, den internationalen Jugendfreiwilligendienst, das Freiwillige Ökologische Jahr. Und nun stellte Bundesverteidigungsministerin Annegret Kramp-Karrenbauer (CDU) Mitte der Woche eine weitere Option vor: Den "Freiwilligen Wehrdienst im Heimatschutz". Ein Programm, welches sich vor allem an junge Menschen richtet, für die wegen möglicher Auslandseinsätze ein allgemeiner Freiwilliger Wehrdienst nicht in Frage kommt.


Vorgesehen sind zunächst sechs Monate militärische Ausbildung mit einer anschließenden sogenannten Grundbeorderung von sechs Jahren als Reservist an einem heimatnahen Standort. In diesem Zeitraum sollen insgesamt mindestens fünf weitere Monate Dienst im Heimatschutz geleistet werden. Der "Freiwillige Wehrdienst im Heimatschutz" dauert einschließlich Urlaub ein Jahr, er steht unter dem Motto "Dein Jahr für Deutschland".

Zusätzliche Hilfe bei Katastrophen

Kramp-Karrenbauer verwies auf Einsätze der Bundeswehr bei Hochwasser oder Schneekatastrophen sowie aktuell in der Corona-Krise, als Soldaten an Krankenhäusern und Gesundheitsämtern Schutzmaterial verteilt hätten. Das Prinzip "Helfende Hände" könne nur dann gewährleistet werden, wenn es ausreichend viele Reservisten gebe, betonte sie.

Doch sollte nicht viel mehr darüber diskutiert werden, ob ein Pflichtdienst, so, wie es früher war, mehr Sinn machen würde, als immer neue Formate der Freiwilligkeit zu entwickeln?

Passend dazu hatte in der vergangenen Woche die Wehrbeauftragte Eva Högl eine Debatte über eine Wiedereinführung der Wehrpflicht angestoßen. "Ich halte es für einen Riesenfehler, dass die Wehrpflicht ausgesetzt wurde", sagte die SPD-Politikerin den Zeitungen der Funke Mediengruppe.

Der neue freiwillige Wehrdienst wurde vorgestellt – doch ist Freiwilligkeit auch wirklich genug?

Pro
Till Oppermann

Ja, denn nur Freiwilligkeit ist fair

Die Bundeswehr klagt über Nachwuchsprobleme, die Coronakrise offenbarte erneut einen akuten Pflegemangel. Unter diesen Umständen ist es leicht, ein verpflichtendes Jahr für alle zu fordern. Aber: Dafür, dass der Ruf der Bundeswehr angesichts rechter Netzwerke und miserabler Ausstattung arg gelitten hat, sind sicher nicht die jungen Erwachsenen verantwortlich.

Gleiches gilt für die Pflege. Ohne moralisch aufgeladene Sozialromantik waren Zivildienstleistende vor allem eines: billige Arbeitskräfte. Wer heute ein Freiwilliges Soziales Jahr leistet, verdient maximal ein Taschengeld von 330 Euro. Es kann also nicht die Lösung des Pflegeproblems sein, junge Menschen für Dumpinglöhne in Krankenhäuser und Seniorenresidenzen zu schicken. Vielmehr sollte die Politik die Berufe dort attraktiver machen.

Das mögliche neue Dienstjahr soll einen "Beitrag für mehr gesellschaftlichen Zusammenhalt in Deutschland" leisten. Solche Begründungen sind Politik für alte Leute. Die werfen jüngeren gerne vor, gleichgültig zu sein. Doch das politische Engagement Jugendlicher für den Klimaschutz spricht eine andere Sprache. Als Beitragszahler werden sie ihr ganzes Arbeitsleben ein solidarisches Deutschland finanzieren – da ist es nur gerecht, wenn jeder nach seiner Ausbildung oder dem Abitur machen kann, was er will. Ohne Zwang.

Kontra
Nathalie Rippich

Nein, freiwillig machen es nur die, die sich ohnehin engagieren

Ein Dienst an der Allgemeinheit sollte nicht freiwillig, sondern für Heranwachsende verpflichtend sein. Denn freiwillig treten selten die an, die ihn dringend bräuchten. Es gibt viele junge Menschen, die sich engagieren und schon als Teenager einen wertvollen Beitrag für die Gesellschaft leisten, in der sie leben wollen.

Aber es gibt auch diejenigen, die noch nicht wissen, wohin mit sich, die wichtige Werte nicht im Elternhaus oder der Schule vermittelt bekommen haben. Gerade für sie wäre ein verpflichtender Einsatz eine große Chance. Denn als Helfer im Notfalldienst, im Altenheim oder als Wehrdienstler tut man nicht nur etwas für andere, sondern man lernt auch viel über sich selbst und die eigene Rolle in der Gesellschaft.

Zum einen können vor allem soziale Fähigkeiten erlernt oder entwickelt werden. Zum anderen haben junge Menschen so die Gelegenheit, Aufgaben zu übernehmen und Dinge zu lernen, an die sie ohne diesen Einsatz niemals denken würden.

Dennoch sollte den Erwachsenen von morgen auch hier nicht jede Freiwilligkeit abgesprochen werden: Wo die jungen Frauen und Männer ihren Pflichteinsatz absolvieren, sollte ihnen überlassen sein. Wenn wir sie allerdings verpflichten, müssen sie dafür eine Entlohnung erhalten, von der sie leben können.

Wer hat recht?

Im Format "Frage der Woche" kommentieren Redakteure von t-online.de eines der politischen beziehungsweise gesellschaftspolitischen Topthemen der Woche.

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