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Ministerpräsidentenwahl in Thüringen: Warum es eine Zitterpartie wird


Ramelow gegen Höcke
Warum die Wahl in Thüringen wieder eine Zitterpartie wird

Von dpa, dru, nhr

Aktualisiert am 04.03.2020Lesedauer: 4 Min.
Hängende Gesichter am 5. Februar: Soeben hatte Bodo Ramelow auch im dritten Wahlgang die Mehrheit bei der Ministerpräsidentenwahl verfehlt.Vergrößern des Bildes
Hängende Gesichter am 5. Februar: Soeben hatte Bodo Ramelow auch im dritten Wahlgang die Mehrheit bei der Ministerpräsidentenwahl verfehlt. (Quelle: Steve Bauerschmidt/imago-images-bilder)
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Klar ist, dass heute der Linke Bodo Ramelow und der AfD-Rechtsaußen Björn Höcke beim zweiten Versuch der Ministerpräsidentenwahl in Thüringen antreten. Aber wie es ausgeht? Ungewiss. Die wichtigsten Fragen und Antworten zur Wahl im Überblick.

Regierungskrise, bundesweite Empörung und mehrere Rücktritte: Einen Monat nach der umstrittenen Wahl des FDP-Politikers Thomas Kemmerich zum Ministerpräsidenten steht Thüringen erneut vor einer Zitterpartie. Ein neuer Anlauf, bei dem wieder die AfD mitmischt, soll am Mittwoch die Dauerregierungskrise in dem Bundesland beenden.

Geprägt wird die Entscheidung von den schwierigen Mehrheitsverhältnissen im Thüringer Landtag. Die Abstimmung birgt erneut ein Risiko. Das gilt vor allem für Bodo Ramelow, der als Kandidat einer Minderheitskoalition aus Linken, SPD und Grünen kandidiert, und diesmal auf den Thüringer AfD-Partei- und Fraktionschef Björn Höcke als Gegenkandidaten trifft.

Ob die Wahl wie geplant stattfinden könnte, stand bis zuletzt auf der Kippe. Es gab Verunsicherung wegen eines Coronavirus-Verdachtsfalls: Ein Abgeordneter der CDU-Fraktion befand sich deswegen in Quarantäne. Am Dienstagabend wurde nach Tests jedoch Entwarnung vom Gesundheitsministerium gegeben. Damit könne die Wahl des Ministerpräsidenten wie geplant stattfinden, teilte Landtagspräsidentin Birgit Keller mit.

Doch wie verhält sich die FDP? Und könnte Björn Höcke tatsächlich Ministerpräsident werden? t-online.de gibt Antworten auf die wichtigsten Fragen rund um die Wahl im Thüringer Landtag:

Kann sich bei der Wahl das Desaster vom 5. Februar wiederholen?

Theoretisch ja, es ist aber etwas unwahrscheinlicher geworden. Vor einem Monat wurde der Liberale Kemmerich im dritten Wahlgang mit Stimmen von AfD, CDU und FDP zum Regierungschef gewählt. Diesmal wollen weder CDU noch FDP einen eigenen Kandidaten in die Wahl schicken. Damit kommt es zum Duell zwischen Ramelow und dem AfD-Rechtsaußen Höcke. Die AfD hat als zweitstärkste Fraktion 22 Sitze im Parlament. Es gilt als kaum vorstellbar, dass CDU und FDP Höcke wählen.

Kann Höcke Ministerpräsident werden?

Ja – zumindest in der Theorie. Möglich wäre das, wenn Ramelow im ersten Wahlgang scheitern und die Linksfraktion ihren Kandidaten zurückziehen würde. Sie hatte zunächst angekündigt, bei einem Scheitern im ersten Wahlgang die Auflösung des Landtags zu beantragen. Nun will Ramelow sich aber offenbar doch in drei Wahlgängen stellen, wenn es soweit kommen sollte.

Laut Thüringer Landesverfassung ist in den ersten beiden Wahlgängen jeweils die absolute Mehrheit nötig – also 46 Stimmen. Ramelows Wunschbündnis aus Linkspartei, SPD und Grünen hat zusammen nur 42 Stimmen. Kommt es zu einem dritten Wahlgang, ist nur noch die relative Mehrheit nötig. Gewählt ist laut Landesverfassung, wer die meisten Stimmen erhält. Wäre Höcke in einem solchen dritten Wahlgang alleiniger Kandidat, könnte er nur mit AfD-Stimmen zum Ministerpräsidenten gewählt werden. Dass Höcke die Mehrheit der Stimmen bekommt, wenn Ramelow noch im Rennen ist, ist nicht wahrscheinlich. Der dritte Wahlgang allerdings hat sich bereits zuvor als unberechenbar herausgestellt.

Welche Chancen hat Ramelow?

Der 64-Jährige zeigt sich zuversichtlich und verweist auf viele Gespräche mit Abgeordneten in den vergangenen vier Wochen. Er habe das Gefühl, dass er "ausreichend Stimmen von den demokratischen Fraktionen bekommt". Und: "Zwischen dem Debakel vom 5. Februar und der Situation heute liegt die Erkenntnis, was es bedeutet, keine Landesregierung zu haben." Zudem haben Linke, SPD und Grüne mit der CDU vor gut einer Woche einen Kompromiss geschlossen – eine Art Stabilitätsvereinbarung, die niemand der Beteiligten als Duldung einer rot-rot-grünen Minderheitsregierung bezeichnen will. Sie soll für eine begrenzte Zeit – bis zum nun festgelegten Neuwahltermin am 25. April 2021 – projektbezogen Mehrheiten im Parlament ermöglichen.

Gibt es irgendwelche Wahlgarantien für den Linke-Politiker?

Nein. Die CDU hat erklärt, dass ihre Fraktion Ramelow nicht wählen werde. Von einzelnen Abgeordneten aus den Reihen der Union war aber bis zuletzt nicht die Rede. Das heißt: Bei der geheimen Wahl könnten einzelne Parlamentarier der CDU für Ramelow stimmen – ohne, dass es dafür einen Beschluss der Fraktion gäbe. Dafür gibt es auch Signale in Richtung Ramelow, wie etwa die Wahl von Chefunterhändler Mario Voigt zum neuen CDU-Fraktionsvorsitzenden. Einziges Druckmittel von Linken, SPD und Grünen ist die Drohung mit einer schnellen Neuwahl im Frühsommer, sollte Ramelow erneut scheitern. Die 30 nötigen Unterschriften, um eine Auflösung des Parlaments zu beantragen, bekommen die drei Parteien locker zusammen. Um eine Neuwahl zu beschließen, ist jedoch eine Zwei-Drittel-Mehrheit nötig. Ohne die Stimmen von AfD oder CDU käme diese nicht zustande.

Wie verhält sich die FDP?

Sie will bei der Ministerpräsidentenwahl den Plenarsaal verlassen, um ihre Ablehnung sowohl von Ramelow als auch von Höcke auszudrücken. "Wenn sie dokumentieren wollen, dass sie beide Kandidaten ablehnen, können sie an dem Wahlgang nicht teilnehmen", sagte der Sprecher der Thüringer FDP-Fraktion, Thomas Philipp Reiter. Die Stimmzettel sähen keine Nein-Stimmen vor. "Eine Enthaltung ist kein Nein", erklärte er. Es gebe einen Fraktionsbeschluss dazu.

Ramelow gegen Höcke – was könnte das bewirken?

Es könnte die Reihen der anderen Fraktionen durch die Polarisierung mehr schließen, als wenn Ramelow allein antritt, heißt es beispielsweise bei den Grünen. Es zerstört aber auch einen Plan von Linke-Chefin Susanne Hennig-Wellsow. "Wenn Bodo Ramelow im ersten Wahlgang nicht gewählt ist, werden wir die Auflösung des Parlaments und Neuwahlen beantragen", hat sie angekündigt. Nun muss der Frontmann der Linken im schlimmsten Fall alle Runden durchhalten, wenn er Höcke nicht das Feld überlassen will. Und dann droht wieder der unberechenbare dritte Wahlgang.

Welche Szenarien werden noch diskutiert?

Dass es möglicherweise bei der Wahl im Landtag zu Unregelmäßigkeiten kommt – beispielsweise, indem das Wahlgeheimnis durch Fotos oder andere Tricksereien verletzt wird.

Verwendete Quellen
  • Nachrichtenagentur dpa
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