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Thüringen – Forderung aus FDP: "Ich rate Thomas Kemmerich zum Rücktritt"


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Stimmen zu Thüringen
Forderung aus FDP: "Ich rate Kemmerich zum Rücktritt"


Aktualisiert am 05.02.2020Lesedauer: 4 Min.
Der Fraktionsvorsitzende der AfD in Thüringen: Björn Höcke hievt einen FDP-Kandidaten ins Amt des Ministerpräsidenten.Vergrößern des Bildes
Der Fraktionsvorsitzende der AfD in Thüringen: Björn Höcke hievt einen FDP-Kandidaten ins Amt des Ministerpräsidenten. (Quelle: imago-images-bilder)
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Völlig überraschend ist der linke Ministerpräsident Bodo Ramelow in Thüringen nicht erneut gewählt worden. Die AfD hievt den FDP-Kandidaten ins Amt. Aus der FDP selbst kommt scharfe Kritik.

Die überraschende Wahl von Thomas Kemmerich zum neuen Ministerpräsidenten Thüringens überrascht die Landes- wie die Bundespolitik. Der FDP-Kandidat ließ sich mit den Stimmen von CDU aber auch AfD ins Amt wählen. Die AfD in Thüringen um den Rechtsaußen Björn Höcke feiert sich für den gelungenen Sturz des bisherigen Amtsinhabers. Quer durch die anderen Parteien herrscht hingegen Entsetzen.

Auch aus der FDP selbst kommt massive Kritik an Kemmerich. Die verteidigungspolitische Sprecherin der FDP-Fraktion im Bundestag, Marie-Agnes Strack-Zimmermann, forderte ihren Parteikollegen sogar zum umgehenden Rücktritt auf. "Ich rate Thomas Kemmerich dringend, das Amt des Ministerpräsidenten zurückzugeben", sagte Strack-Zimmermann zu t-online.de.

Ähnlich äußerte sich Bundestags-Fraktionsvize Alexander Graf Lambsdorff. Er twitterte: "Man kann, ja soll in einer demokratischen Wahl antreten. Aber man lässt sich nicht von AfD-Faschisten wählen. Wenn es doch passiert, nimmt man die Wahl nicht an. Am besten für Kemmerich, Thüringen und die FDP: Sofortiger Rücktritt, schnelle Neuwahlen."

AKK: CDU in Thüringen verstößt gegen Parteitagsbeschluss

Die Spitzen der Union kritisierten das Abstimmungsverhalten der CDU-Fraktion im Landtag scharf. Die CDU-Vorsitzende Annegret Kramp-Karrenbauer warf dem Thüringer Landesverband einen Verstoß gegen die Beschlusslage der Partei vor. Die Fraktion habe "ausdrücklich gegen die Empfehlungen, Forderungen und Bitten der Bundespartei" gehandelt, sagte sie.

CDU-Generalsekretär Paul Ziemiak forderte sogar Neuwahlen: "Die FDP hat unser ganzes Land in Brand gesetzt." CSU-Chef Markus Söder schloss sich der Forderung an. "Dieser ganze Tag nützt nur der AfD", sagte er. Wer glaube, dass er sich von der AfD wählen lassen könne, der irre. Auch Sachsens CDU-Ministerpräsident äußerte drastische Kritik: "Das ist kein guter Tag für Thüringen. Die CDU in Thüringen hat nicht akzeptiert, dass sie die Wahl verloren hat und es keine Zusammenarbeit mit AfD geben kann."

SPD-Chef Norbert Walter-Borjans warf CDU und FDP einen "unverzeihlichen Dammbruch" vor. "Dass die Liberalen den Strohmann für den Griff der Rechtsextremisten zur Macht geben, ist ein Skandal erster Güte", schrieb Walter-Borjans auf Twitter. "Da kann sich niemand in den Berliner Parteizentralen wegschleichen." SPD-Vize-Kanzler Olaf Scholz sah auch die Bundes-CDU in der Verantwortung: "Was in Erfurt passiert ist, war kein Zufall, sondern eine abgekartete Sache."

Kevin Kühnert, der stellvertretende Bundesvorsitzende der SPD, schrieb: "Der Tabubruch, der AfD zu echter Macht verholfen zu haben, wird nun für immer mit CDU und FDP verbunden sein. Die Masken sind gefallen." SPD-Generalsekretär Lars Klingbeil sprach von einem "Tiefpunkt der deutschen Nachkriegsgeschichte". Die Thüringer SPD warf der FDP eine Missachtung des Wählerwillens vor – die FDP hatte es nur knapp mit wenigen Stimmen überhaupt in den Landtag geschafft.

Grüne gehen in die Opposition

Auch der Bundesvorsitzende der Linken bezeichnete den Vorgang als "Tabubruch", der weitreichende Folgen haben werde: "Wie weit sind wir gekommen, dass die FDP einen Ministerpräsidenten Kemmerich wählen lässt mit den Stimmen des Faschisten Höcke und der AfD?" Co-Vorsitzende Katja Kipping schrieb, dass Deutschland von einer Partei regiert werde, die offenbar nicht auf dem antifaschistischen Konsens des Grundgesetzes stehe. "Der Schulterschluss von CDU und FDP mit AfD zeigt: Die Republik ist in Gefahr."

Gregor Gysi, Chef der Europäischen Linken, sagte t-online.de, er sehe die Wahlallianz als Kulturbruch. Sie zwinge SPD, Grüne und Linke auch auf Bundesebene "von allen Vorstellungen zum Zusammengehen mit Union und FDP Abschied zu nehmen".

Thüringens Grüne kündigten derweil an, eine Regierung des FDP-Kandidaten Thomas Kemmerich nicht zu unterstützen und stattdessen in die Opposition zu gehen. Fraktionschef Dirk Adams warf CDU und FDP einen Schulterschluss mit Rechtsextremen vor. Wir sind entsetzt von der Ruchlosigkeit und Verantwortungslosigkeit von CDU und FDP in Thüringen", erklärten die Bundes- und Fraktionsvorsitzenden Annalena Baerbock, Robert Habeck, Katrin Göring-Eckardt und Anton Hofreiter. "Das ist ein Pakt mit Rechtsextremen."

CDU Thüringen: "Wir sind nicht verantwortlich"

Thüringens CDU-Chef Mike Mohring wies hingegen eine Verantwortung für das überraschende Ergebnis von sich. Die CDU-Fraktion habe sich in den ersten beiden Wahlgängen enthalten und im dritten den "Kandidaten der Mitte" gewählt. "Fakt ist: Wir sind nicht verantwortlich für die Kandidaturen anderer Parteien, wir sind auch nicht verantwortlich für das Wahlverhalten anderer Parteien", sagte Mohring. Die FDP müsse nun klarmachen, dass es keine Koalition mit der AfD und eine klare Abgrenzung nach rechts gebe. Auch der Ostbeauftragte der Bundesregierung, Christian Hirte, gratulierte zur Wahl.

In der FDP feierten einige die Wahl ihres Kandidaten als großen Erfolg. "Ein Kandidat der demokratischen Mitte hat gesiegt", sagte FDP-Vize Wolfgang Kubicki. Parteichef Christian Lindner gab hingegen an, es gebe keine Basis für eine Zusammenarbeit mit der AfD. Er rief CDU, SPD und Grüne in Thüringen dazu auf, ein von Kemmerich gemachtes Gesprächsangebot anzunehmen. Sonst seien Neuwahlen nötig. "Herzlichen Glückwunsch, lieber Thomas Kemmerich!", schrieb Staatsministerin Dorothea Bär.

Die Alternative für Deutschland war erwartungsgemäß begeistert. "Die AfD hat den linken Ministerpräsidenten Bodo Ramelow abgewählt", schrieb der Landesverband Thüringen im Kurzbotschaftendienst Twitter. "An der AfD führt kein Weg mehr vorbei", schrieb Alice Weidel, Fraktionsvorsitzende der Partei im Bundestag.

Verwendete Quellen
  • eigene Recherchen
  • mit Material der Nachrichtenagenturen dpa, AFP
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