Uneinigkeit im Klimaschutz Die große Koalition verteilt Milliarden – und hofft
Neues Auto, neue Heizung, bessere Dämmung: Die Regierung plant Milliarden ein, um so den CO2-Ausstoß zu senken. Aber was, wenn diese Anreize erneut nicht reichen? Die Koalition ist uneins.
Wird es Zeit für ein neues Auto oder zumindest einen neuen Kühlschrank? Müsste das Dach neu gemacht werden? Zieht es durchs Kellerfenster? Macht die alte Ölheizung es nicht mehr lange? Wer solche Fragen mit Ja beantwortet, steht zurzeit im Fokus der großen Koalition – und darf sich wohl bald über Zuschüsse oder Rabatte bei der nächsten Steuererklärung freuen.
Deutschlands Treibhausgas-Ausstoß soll runter, und der Bund will mit vielen Milliarden Euro die Bürger dazu bringen, mitzumachen. Auf etwa 40 Milliarden Euro bis 2023 könnten sich die Förderprogramme und Steuernachlässe summieren, die das Klimakabinett am Freitag vorstellen soll – so weit sich das jetzt schon kalkulieren lässt.
Aber was, wenn die Leute nicht mitziehen? Darauf gibt es bisher noch keine Antwort, über die CDU, CSU und SPD sich einig sind.
Die Liste der Übereinstimmungen ist lang
Dabei ist die Liste der Übereinstimmungen schon lang: eine höhere Prämie für den Kauf von Elektroautos, der Ausbau von Ladesäulen und öffentlichem Nahverkehr, eine Abwrackprämie für alte Ölheizungen, eine bessere Förderung der Sanierung von Häusern, die Kfz-Steuer soll sich stärker nach dem CO2-Ausstoß der Autos richten, die Mehrwertsteuer soll für Bahntickets sinken, die Ticketsteuer für Flüge steigen, über einen CO2-Preis sollen Benzin und Diesel, Heizöl und Erdgas teurer werden. Manches wird billiger, manches teurer.
Solche Anreize und Steuern können wirken. Müssen aber nicht.
Die bereits existierende Kaufprämie für E-Autos etwa hat Deutschland nicht mal in die Nähe des Ziels von einer Million Elektro-Pkw bis 2020 gebracht. Über die Erfahrung aus 20 Jahren mit der Ökosteuer schrieb das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung (DIW): "finanz- und sozialpolitisch top, umweltpolitisch ein Flop".
Union lehnt ein Verbot von Ölheizungen kategorisch ab
Finanzminister und Vizekanzler Olaf Scholz (SPD) sagt am Montag: "Niemand wird sich wegen dieser Beschlüsse morgen früh ein neues Auto kaufen. (...) Niemand wird in zwei Wochen eine Entscheidung für eine neue Heizung in seinem Haus treffen." Was also tun? Neben all der Förderung brauche es auch "Ordnungsrecht" – so die Botschaft der SPD.
Umweltministerin Svenja Schulze will etwa ab 2030 den Einbau neuer Ölheizungen verbieten. Sie bekam allerdings umgehend Gegenwind von CDU-Chefin Annegret Kramp-Karrenbauer: Ihre Partei setze auf eine Abwrackprämie. CDU-Umweltexperte Andreas Jung, der das am Montag beschlossene Konzept seiner Partei für den Klimaschutz maßgeblich erarbeitet hat, sagt: "Wir brauchen klimafreundliche Technologien, wir wollen nicht immer mehr Verbote. Wir glauben nicht, dass Verzicht die Antwort ist."
Scharfe Kritik von Umweltverbänden
Umweltverbände halten davon wenig. "Die Union gefällt sich darin, Geld nach dem Prinzip Hoffnung auszuschütten: Irgendwer wird schon Klimaschutz machen", sagt etwa Ernst-Christoph Stolper vom BUND. Michael Schäfer vom WWF kritisiert: "Es ist nicht im Ansatz ersichtlich, ob und inwieweit die von der Union vorgeschlagenen Maßnahmen die selbstgesteckten Klimaziele tatsächlich erreichen."
Es gibt gute Gründe, die Menschen nicht mit Verboten und Vorgaben zu verschrecken. "Die Menschen mitnehmen" nennen Politiker das. Niedersachsens Ministerpräsident Stephan Weil (SPD) warnte in der "Frankfurter Allgemeinen" gerade vor "Gelbwesten"-Protesten wie in Frankreich. Die kommissarische SPD-Chefin Malu Dreyer sagt: "Wir wissen um die Angst der Leute vor teuren und vor schnellen Veränderungen."
Auch die Sozialdemokraten wollen nicht als Verbotspartei dastehen. Sie betonen, dass erst gefördert wird, dann gefordert, und dass es sozial gerecht zugehen soll. Als Beispiel nennt Umweltministerin Schulze Mülldeponien: Acht Jahre sollen Kommunen dabei unterstützt werden, sicherzustellen, dass das Treibhausgas Methan nicht mehr austritt. "Aber danach ist es verboten."
Ein Anreizprogramm ist schon gescheitert
Was Schulze auch will: ein Klimaschutzgesetz, das Verantwortungen, Kontrollen und Sofortprogramme klar vorschreibt, wenn es beim CO2-Sparen hakt. Gegen den Entwurf gab es heftigen Widerstand in der Union, von "Öko-Planwirtschaft" war die Rede.
Dass Schönrechnen nicht helfe, damit habe man schon Erfahrung, mahnt dagegen Schulze am Montag. Vor fünf Jahren hat die damalige schwarz-rote Koalition sich schon einmal gefeiert für ein "Aktionsprogramm Klimaschutz 2020", das den Weg vorzeichnen sollte zu 40 Prozent weniger Treibhausgasen bis 2020 – im Vergleich zu 1990.
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Es ging viel um Förderprogramme, wenig um Verbindlichkeit. Es hat nicht geklappt. Deutschland verpasst das Reduktionsziel für 2020. Die Koalition konzentriert sich jetzt auf das 55-Prozent-Ziel für 2030.
- Nachrichtenagentur dpa