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Anschlag von Bottrop: Amokfahrer näherte sich langsam und gab dann Gas


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Details zum Anschlag von Bottrop
Amokfahrer näherte sich langsam und gab dann Gas


Aktualisiert am 02.01.2019Lesedauer: 4 Min.
Absperrband der Polizei an einem Tatort in Bottrop: Ein Mann hat mit seinem Auto mindestens fünf Menschen verletzt – offenbar aus rassistischen Motiven.Vergrößern des Bildes
Absperrband der Polizei an einem Tatort in Bottrop: Ein Mann hat mit seinem Auto mindestens fünf Menschen verletzt – offenbar aus rassistischen Motiven. (Quelle: Marcel Kusch/dpa)

Er setzt sich in der Silvesternacht ins Auto – und fährt Passanten um. Weil er Ausländer töten wollte, sagt der NRW-Innenminister. Im Internet kursieren Videos, die offenbar die Tat zeigen.

Bottrop wollte eigentlich am Neujahrstag den Beginn des Jubiläumsjahrs "100 Jahre Stadt" feiern. Amokfahrer Andreas N. hat um kurz nach Mitternacht die Pläne auf schreckliche Weise durchkreuzt.

Als die Feuerwehr Bottrop am Neujahrsmorgen um kurz vor 7 Uhr ihre Bilanz verschickt, nimmt kaum jemand Notiz davon. 37 Einsätze, darunter ein "Unfall", der trotz eines Schwer- und vier Leichtverletzten nur wenig Aufmerksamkeit bekommt. Um 13.30 Uhr ändert sich das schlagartig.

Der "Unfall" war keiner, teilen nun Polizei und Staatsanwaltschaft in einer gemeinsamen Erklärung mit. Nordrhein-Westfalens Innenminister Herbert Reul wird rund drei Stunden später noch deutlicher: "Es gab die klare Absicht dieses Mannes, Ausländer zu töten", sagt er in einer improvisierten Pressekonferenz in Bottrop. "Man fährt nicht zufällig an vier unterschiedlichen Stellen auf Menschengruppen zu."

Der 50 Jahre alte Amokfahrer sei mit seinem silbernen Mercedes schon vor Mitternacht in Bottrop auf eine Person losgefahren und habe es dann auch noch in Essen probiert. "Er fuhr offenbar so auffällig, dass die Menschen dort sich in Sicherheit bringen konnten." Insgesamt spricht Reul nun von vier Tatorten und mindestens fünf Verletzten. Am Mittwoch ergänzt er, dass der bei dem Mann keine Hinweise auf Kontakte in die rechtsextreme Szene gefunden worden seien. Es scheine, dass der mutmaßliche Täter "aus einer persönlichen Betroffenheit und Unmut heraus dann Hass auf Fremde entwickelt hat", sagte der Innenminister WDR 5. Wegen mehrfachen versuchten Mordes wurde Haftbefehl erlassen.

Videos der Fahrt kursieren im Netz

Es gibt Videoaufnahmen aus Bottrop, die offenkundig die Fahrt des Mannes zeigen. Sie kursieren auf WhatsApp. Das Auto in den Aufnahmen ist nicht schnell unterwegs, als es von der Osterfelder Straße abbiegt in Richtung Berliner Platz und auch nicht bremst, obwohl dort Menschen auf der Straße stehen. Sie können sich in Sicherheit bringen.

Doch dann erreicht das Auto den Berliner Platz. Raketen steigen in die Höhe, zunächst nimmt kaum jemand Notiz von dem Auto, das seitlich an der Bühne vorbeifährt. Menschen direkt vor dem Auto drehen sich um, greifen an die Motorhaube – und der Wagen fährt weiter. Der Fahrer lenkt nach links in Richtung eines weißen Pavillons. Als er zurücksetzt, sieht man eine Person am Boden liegen, Menschen schreien jetzt, suchen Schutz.

Ein drittes Video zeigt aus etwas anderer Perspektive, wie eine Frau auf dem Berliner Platz gerade ein Bodenfeuerwerk anzündet und dann zur Seite hechtet, weil der Mercedes mit einer Person auf der Motorhaube auf sie zuhält. Der Wagen bremst, setzt zurück und fährt dann mit eingeschaltetem Warnblinker schnell vom Berliner Platz. Dabei entgeht eine weitere Person nur durch einen Sprung einem Zusammenprall.

Rassistische Bemerkungen

Der Amokfahrer, nach "Bild"-Information der Gebäudereiniger Andreas N., war wegen psychischer Probleme in Behandlung, ergeben erste Ermittlungen. Laut "Spiegel" soll er demnach eine schizophrene Erkrankung haben und war bereits einmal in einer geschlossene Einrichtung eingewiesen worden.

Die Polizei in der Region hat schon in ähnlichen Fällen Erfahrungen sammeln müssen. Kurz vor Weihnachten war in Recklinghausen ein 32 Jahre alter Deutscher möglicherweise mit Suizidabsicht in eine Bushaltestelle gefahren und hatte 14 Menschen verletzt. Eine 88 Jahre alte Frau starb. Im April fuhr der 48 Jahre alte Jens R. mit einem Campingbus in Münster in eine Menschenmenge und erschoss sich anschließend. Sechs Tote und mehr als 20 Verletzte waren die traurige Bilanz. Es gebe keine Hinweise auf politische Motive, hieß es schließlich.

Nach der Amokfahrt von Bottrop liefert der Täter selbst den Hinweis, dass es diesmal anders sein könnte. Die Polizei kann ihn nur 18 Minuten nach der Bottroper Amokfahrt in seiner Heimatstadt Essen stoppen, und der Mann gibt Dinge von sich, die auf sein Motiv hindeuten. "Bereits bei seiner Festnahme äußerte sich der Fahrer mit fremdenfeindlichen Bemerkungen", teilt die Polizei mit. Mehrere der Opfer sind Asylbewerber, es sind Personen aus Syrien und Afghanistan darunter.

Innenminister Reul zufolge ist der Tatverdächtige Deutscher. Beim Staatsschutz war der 50-Jährige bisher nicht als Neonazi aufgefallen. Weitere Untersuchungen dazu laufen, sagt Recklinghausens Polizeipräsidentin Friederike Zurhausen bei der Pressekonferenz. "Wir sind dabei, seine Wohnung zu durchsuchen." Polizeilich bekannt sei er auch ansonsten nicht. Der Mann habe sich in einer ersten Vernehmung geäußert. "Die Einlassungen lassen es vermuten, dass es fremdenfeindliche Hintergründe sind", sagte die Polizeipräsidentin. Konkreter wurde sie nicht.

Zahl der Verletzten könnte noch steigen

Nordrhein-Westfalens Innenminister Herbert Reul ist am Neujahrstag nach Bottrop gekommen, lässt sich von Oberbürgermeister Bernd Tischler (SPD) zeigen, von wo das Auto auf den Platz und in die Menschen fuhr. In Bottrop sollten an diesem Tag die Feiern zum 100. Geburtstag der Stadt mit dem "Neujährchen" beginnen, einem Konzert um 14 Uhr. "Das Fest habe ich natürlich angesichts der furchtbaren Ereignisse abgesagt", sagt der Oberbürgermeister.

Die Nachricht von der Absage verbreitet sich in Bottrop schon, als vielen der ganze Hintergrund noch gar nicht klar ist. "Ich bin in Gedanken bei den Verletzten", sagt Tischler.


Wie viele Verletzte es letztlich sind, ist noch nicht wirklich klar, sagte Innenminister Reul. Eine Frau schwebte zwischenzeitlich in Lebensgefahr, auch ein Kind ist unter den Verletzten. Möglicherweise haben sich manche Opfer mit leichteren Verletzungen noch nicht gemeldet, sagt Reul. Polizeipräsidentin Zurhausen versichert, dass die Opfer von Opferschutzbeauftragten betreut und nicht allein gelassen werden. Am Mittwoch sprachen die Behörden von acht Verletzten.

Die Polizei bittet unter der Hotline 0800-3040303 um Hinweise von Augenzeugen. Auf einem Portal des BKA können auch Videos hochgeladen werden.

Anm. d. Red.: Dieser Artikel wurde am Mittwoch mit neuen Informationen zu dem Fahrer und zur Zahl der Verletzten aktualisiert.

Verwendete Quellen
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