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"NSU 2.0": Gibt es weitere Rechtsextreme bei der Frankfurter Polizei?


"NSU 2.0" in Frankfurt
LKA ermittelt offenbar auch gegen andere Dienstellen

dpa, afp, rew

Aktualisiert am 18.12.2018Lesedauer: 4 Min.
Das 1. Polizeirevier auf der Zeil in Frankfurt: Die fünf betroffenen Beamten sind inzwischen vom Dienst suspendiert worden.Vergrößern des Bildes
Das 1. Polizeirevier auf der Zeil in Frankfurt: Die fünf betroffenen Beamten sind inzwischen vom Dienst suspendiert worden. (Quelle: Boris Roessler/dpa)

Bei der Frankfurter Polizei soll es rechtsextreme Beamte geben – die sich untereinander offen austauschten. Doch das ist womöglich nur die Spitze des Eisbergs.

Die Ermittlungen gegen ein rechtsextremes Netzwerk in der Frankfurter Polizei ziehen weitere Kreise. Das Landeskriminalamt hat sich eingeschaltet, die Politik ist alarmiert, auch Kollegen der beschuldigten Beamten sind besorgt. Das Ausmaß der Vorwürfe ist nicht klar.

Wie die "Frankfurter Allgemeine Zeitung" berichtete, seien neben Frankfurt weitere Dienststellen bei den Ermittlungen ins Visier geraten. Durchsuchungen habe es auch in Büros im hessischen Landkreis Marburg-Biedenkopf gegeben. Offenbar habe es einen Zusammenhang mit der Ermittlung gegen einen Beamten des Frankfurter Netzwerks gegeben. Auch weitere Verdachtsfälle würden polizeiintern geprüft werden. Der "Tagesspiegel" berichtete unter Berufung auf Sicherheitskreise, dass die Staatsanwaltschaft Verfahren gegen weitere Polizeibeamte eingeleitet habe. Das sei aber von der Staatsanwaltschaft selbst noch nicht bestätigt worden.

Schon vor einer Woche war bekannt geworden, dass fünf Beamte aus dem Frankfurter 1. Revier suspendiert wurden. Sie sollen sich über einen Messenger-Dienst beleidigende und fremdenfeindliche Bilder, Videos und Texte zugeschickt haben. Die Staatsanwaltschaft Frankfurt bestätigte, dass sie wegen Volksverhetzung und dem Verwenden von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen ermittelt.

Ins Zentrum der Ermittlungen rückt ein Drohbrief

Wie die Nachrichtenagentur AFP berichtet, steht zudem der Verdacht im Raum, dass ein Zusammenhang zwischen der Gruppe und einem Drohbrief gegen die Rechtsanwältin Seda Basay-Yildiz bestehen könnte. Basay-Yildiz vertrat im NSU-Prozess die Nebenklage, im August erhielt sie dem Bericht nach ein Schreiben mit ausländerfeindlichen Beleidigungen. Darin sei auch die private Adresse der Anwältin genannt worden.

Demnach entdeckten Staatsschutz-Ermittler daraufhin, dass von einem Dienstcomputer im ersten Frankfurter Polizeirevier die Melderegister-Einträge von Basay-Yildiz abgerufen worden waren. Einer Zeitung gegenüber gab Basay-Yildiz laut AFP an, der Brief sei mit "NSU 2.0" unterzeichnet worden.

Nun ermittelt eine Arbeitsgruppe – doch was genau, ist nicht bekannt

Im hessischen Landeskriminalamt (LKA) nahm eine Arbeitsgruppe aus "erfahrenen Ermittlern" die Arbeit auf, wie LKA-Sprecher Christoph Schulte sagte. Was genau Gegenstand der Ermittlungen ist, sagte der Sprecher nicht. Federführend sei die Staatsanwaltschaft Frankfurt, die sich aber nicht äußerte. Die Arbeitsgruppe des LKA soll laut dem Bericht des "Tagesspiegel" die Fälle in Frankfurt und Hessen untersuchen.

Die Gewerkschaft der Polizei (GdP) zeigte sich "sowohl erschüttert als auch erbost" über die "widerwärtigen Hintergründe" der mutmaßlichen Taten. Bundesvorsitzender Oliver Malchow sprach von "skandalösen Taten". "Wer rechtsextremes Gedankengut teilt, Ausländerhass propagiert, mit abstoßender Gewalt droht und polizeiliche Instrumente für seine Taten nutzt, hat in unserer fest auf dem Boden der Verfassung stehenden Polizei nichts verloren", sagte Malchow in Berlin. Das betroffene Frankfurter Polizeipräsidium hat sich bisher nicht zu den Vorwürfen geäußert.

Der stellvertretende GdP-Vorsitzende Jörg Radek sagte dem Redaktionsnetzwerk Deutschland (RND), er sehe trotz der Ermittlungen keine strukturellen Probleme: "Ich glaube nicht, dass es in der Polizei eine Systematik oder eine Struktur gibt, die das begünstigt."

Seehofer wollte sich zunächst nicht zu den Hintergründen äußern

Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU) sagte in München: "Polizeibeamte müssen zweifelsfrei auf dem Boden unserer freiheitlichen demokratischen Grundordnung stehen und an dieser Einstellung von Polizeibeamten darf es nicht den geringsten Zweifel geben." Zu den genauen Hintergründen wollte sich Seehofer zunächst nicht äußern. "Ich muss mir da auch erst mal über mein Ministerium authentische Informationen geben lassen."

"Das ist eine sehr ernste Geschichte. Da muss man sehr sorgfältig drangehen", sagte Hessens Ministerpräsident Volker Bouffier (CDU) in Berlin. "Ich kann noch nicht übersehen, wie weit das geht. Aber es ist kein Zweifel, dass uns das sehr, sehr ernst angeht."

Die SPD-Fraktion in Hessen fordert eine zeitnahe Aufklärung

In Wiesbaden sollen die Vorwürfe Thema einer Sondersitzung des Innenausschusses am kommenden Mittwoch werden. Der Parlamentarische Geschäftsführer der SPD-Fraktion im Hessischen Landtag, Günter Rudolph, forderte "gründliche, restlose und zeitnahe" Aufklärung.


Der Landesausländerbeirat Hessen forderte Konsequenzen: "Wir brauchen jetzt einen geschärften Blick der Polizei auch nach innen und dauerhafte Strukturen, die solche Entwicklungen aufspüren", sagte Vorsitzender Enis Gülegen in Wiesbaden. Man müsse verhindern, dass sich rechtsextremes Gedankengut in den Polizeiapparat einschleicht.

Grünen-Politikerin fordert unabhängige Polizeibeauftragte

Grünen-Innenpolitikerin Irene Mihalic forderte die Einsetzung unabhängiger Polizeibeauftragter im Bund und in den Ländern. Bei ihnen solle jeder Beamte frühzeitig und auf Wunsch auch anonym Hinweise auf solche Entwicklungen geben können, sagte Mihalic der "Neuen Osnabrücker Zeitung". Diese Beauftragten müssten außerhalb der Behördenhierarchie stehen, damit sie Mängel und Fehlverhalten der Polizei aufklären und untersuchen könnten. "Dies würde die Wahrscheinlichkeit erhöhen, schon sehr früh Hinweise auf Fehler zu erhalten", sagte Mihalic. Vorbild könne auf Bundesebene der Wehrbeauftragte des Bundestags sein.

Der innenpolitische Sprecher der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, Mathias Middelberg, warnte in der "Neuen Osnabrücker Zeitung" davor, die Polizei jetzt unter "Generalverdacht" zu stellen. "Unsere Polizei ist auf dem rechten Auge ebenso wenig blind wie auf dem linken", sagte er. Er sei sicher, dass den "in der Tat beunruhigenden Vorwürfen ohne falsche Rücksichtnahme durch die zuständigen Behörden umfassend nachgegangen wird".

Der Professor für Polizeiwissenschaften an der Akademie der Polizei Hamburg, Rafael Behr, geht davon aus, dass es sich bei den Vorgängen in Frankfurt nicht um einen Einzelfall handelt. "Innerhalb der Polizei gibt es durchaus Milieus, die sich in solche Positionen versteigen und darin gefallen, extreme Ansichten zu teilen", sagte Behr dem Redaktionsnetzwerk Deutschland. "Es gibt immer wieder Vorfälle."

Verwendete Quellen
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