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Abschiebung nach Tunesien: Der Fall Sami A. bringt Horst Seehofer in Bedrängnis


Fall kommt vor Gericht
Abschiebung von Sami A. bringt Seehofer in Bedrängnis

Von dpa, rtr
Aktualisiert am 16.07.2018Lesedauer: 4 Min.
Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU): Wollte er an Sami A. ein Exempel statuieren?Vergrößern des Bildes
Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU): Wollte er an Sami A. ein Exempel statuieren? (Quelle: Christian Ditsch/imago-images-bilder)

Rechtsbruch von Amts wegen? Die Kritik an der Abschiebung von Sami A. nach Tunesien reißt nicht ab. Vor Gericht kommen unangenehme Fragen auf Bundesinnenminister Seehofer zu.

Nach der unrechtmäßigen Abschiebung des mutmaßlichen früheren Bin-Laden-Leibwächters Sami A. nach Tunesien sehen sich die Behörden dem Verdacht einer Missachtung von Gerichtsurteilen ausgesetzt. "Entweder handelt es sich um ein absolut peinliches Chaos, oder es stinkt zum Himmel, weil die Innenbehörden ein Exempel statuieren wollten", sagte der Grünen-Vorsitzende Robert Habeck der "Süddeutschen Zeitung".

Der außenpolitische Sprecher der Linksfraktion, Stefan Liebich, sagte im Deutschlandfunk, Recht und Gesetz müssten auch für einen möglichen Gefährder gelten. Die Leitung des Innenministeriums war schon frühzeitig über den Termin für die Abschiebung informiert.

SPD-Politiker stellt Strafanzeige

Der SPD-Landtagsabgeordnete in Nordrhein-Westfalen Sven Wolf hat in der Sache Strafanzeige gegen Seehofer bei der Staatsanwaltschaft Berlin gestellt. Der Innenminister habe "ganz bewusst mal das Recht brechen wollen, um zu zeigen, dass er etwas machen kann", sagte Wolf dem WDR.

Sami A. war am Freitag per Charterflug von Düsseldorf in sein Heimatland abgeschoben worden. Am Donnerstagabend hatte jedoch das Verwaltungsgericht Gelsenkirchen entschieden, dass der Mann nicht abgeschoben werden dürfe, weil ihm in Tunesien Folter drohe. Der Beschluss ging jedoch erst am Freitagmorgen beim Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (Bamf) und den anderen Behörden ein.

Verwaltungsgericht sei nicht informiert worden

Sami A. befand sich da schon längst auf dem Flug. Das Verwaltungsgericht hat die Abschiebung als "grob rechtswidrig" bezeichnet und die unverzügliche Rückholung des Mannes angeordnet. Das Integrationsministerium in Nordrhein-Westfalen und die Ausländerbehörde wollen dagegen jedoch Beschwerde beim Oberverwaltungsgericht einlegen. Zudem will Tunesien Sami A. nicht mehr herausgeben.

Das Verwaltungsgericht beklagt, es sei von den Behörden über den Abschiebungstermin im Unklaren gelassen worden. Es sieht sich von ihnen gar hinters Licht geführt. So hatte das Bamf laut einem Sprecher mitgeteilt, ein für Donnerstag geplanter Flug sei storniert worden. Seinem Gericht sei aber nicht mitgeteilt worden, dass es einen Termin für Freitag gegeben habe. Der Sprecher hatte betont, hätte das Gericht davon gewusst, hätte es früher eine Entscheidung getroffen, etwa in Form eines Zwischenbeschlusses.

Hat Seehofer versucht, das Recht zu beugen?

Grünen-Chef Habeck sagte: "Im Rechtsstaat gelten geordnete Verfahren. Die Frage ist, warum die Innenbehörden mit dieser Ordnung gebrochen haben." Vor allem sei zu klären, ob Innenminister Horst Seehofer (CSU) in Person versucht habe, Recht zu beugen und die Gerichtsentscheidung umgehen zu lassen. Seehofer war nach Angaben einer Sprecherin am Freitag nach der Übergabe von Sami A. an die tunesischen Behörden über die Rückführung unterrichtet worden. Der CSU-Chef hat in den vergangenen Monaten öffentlich mehrfach erklärt, er wolle sich persönlich um den Fall kümmern.

Die "Frankfurter Allgemeine Zeitung" zitierte eine Sprecherin des Bundesinnenministeriums, wonach ihrem Ressort aufgrund von Informationen der Bundespolizei bekanntgewesen sei, "dass es Planungen für eine Rückführung am Freitag, dem 13. Juli 2018" gegeben habe. Über diese Planung sei im Bundesinnenministerium am Mittwoch, dem 11. Juli, die Hausleitung unterrichtet worden.

Anwalt nennt Abschiebung "Skandal"

Nordrhein-Westfalens Ministerpräsident Armin Laschet (CDU) hat seine Landesregierung unterdessen verteidigt. "Wir als Politiker haben nach Recht und Gesetz zu entscheiden, das hat die Landesregierung gemacht", sagte Laschet am Montag in Berlin vor einer Sitzung des CDU-Präsidiums. "Sie wissen, wann der Bescheid eingegangen ist, nämlich zu spät", sagte Laschet zum Vorwurf, die Behörden hätten voreilig gehandelt. "Und ich denke, im Ergebnis können wir froh sein, dass der Gefährder nicht mehr in Deutschland ist."

Der tunesische Anwalt von Sami A. verlangt eine sofortige Rückführung seines Mandanten nach Deutschland. Es gebe nichts, wofür Sami A. in Deutschland verurteilt worden sei, sagte Seif Eddine Makhlouf zu "Bild". "Der deutsche Innenminister hätte meinen Mandanten nie nach Tunesien abschieben dürfen. Das ist ein unglaublicher Skandal, der in Deutschland passiert ist, schließlich sind keine der Vorwürfe jemals bewiesen worden", zitierte die Zeitung den Rechtsanwalt. Er werde jetzt dafür sorgen, dass Sami A. freikomme und dann deutsche Papiere erhalte.

"Folter ist für uns eine rote Linie"

Makhlouf sagte, bei den Vorwürfen gegen Sami A. handele es sich um "Lügen, die man jetzt hier in Tunesien erfindet, um ihn festzuhalten". Nichts davon werde Bestand haben. Wenn Sami A. tatsächlich der Bodyguard des 2011 getöteten Al-Kaida-Führers Osama bin Laden gewesen wäre, "hätten die USA ihn nie frei durch Deutschland laufen lassen".

Aus Sicht von Sami A.s deutscher Anwältin Seda Basay-Yildiz spricht nichts gegen die Rückkehr ihres Mandanten. Sobald er in Tunesien freigelassen werde, müsse die Deutsche Botschaft ein Visum ausstellen, sagte sie dpa.

Die Anti-Terror-Behörde des tunesischen Justizministeriums wies Mutmaßungen zurück, der Mann könnte in Tunesien gefoltert werden. "Folter ist für uns eine rote Linie", sagte Sprecher Sofiane Sliti zu "Bild". Zudem betonte er, da Sami A. nur eine tunesische Staatsangehörigkeit habe, seien allein tunesische Behörden zuständig.

Verwendete Quellen
  • Reuters, dpa
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