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Zum journalistischen Leitbild von t-online.Ukraine-Elf bei der EM Im Visier des Kremls
Für die Fußball-EM gelten in ganz Deutschland höchste Sicherheitsvorkehrungen. Besonders geschützt werden soll die ukrainische Elf. Doch wie funktioniert das?
Die Europameisterschaft in Deutschland soll ein großes Fußballfest werden. Die Bundesrepublik möchte sich seit dem Turnierstart am Freitag von ihrer besten Seite zeigen. Doch die Sicherheitslage in Europa trübt die Freude. Wie breit das Spektrum der möglichen Gefahren ist, machte Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) kürzlich deutlich: "Unser Fokus reicht von der Bedrohung durch islamistischen Terror, über Hooligans und andere Gewalttäter bis zu Cyberangriffen."
Ein besonderer Schwerpunkt liegt darüber hinaus auf einem weiteren Thema: dem russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine. Denn die Nationalmannschaft des angegriffenen Landes nimmt ebenfalls an der EM 2024 teil. Natürlich habe man sich auch auf deren besondere Gefährdung vorbereitet, sagte Faeser. "Wir schützen alle Teams, Fans und Gäste", erklärte die SPD-Politikerin Mitte Mai der "Rheinischen Post" in einem Interview. "Und besonders für das ukrainische Team gilt natürlich: Wir tun alles für dessen Sicherheit in Deutschland, hier herrschen noch höhere Sicherheitsvorkehrungen."
Die Ukrainer haben ihr EM-Quartier im hessischen Taunusstein bezogen. Die drei Spiele der Gruppenphase gegen Rumänien, die Slowakei und Belgien bestreitet das Team in München, Düsseldorf und Stuttgart. Spieler und Betreuer der ukrainischen Mannschaft sowie die Fans werden folglich nicht nur in Taunusstein, sondern an mehreren Orten unterwegs sein.
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Sie zu schützen ist eine Mammutaufgabe für Sicherheitsbehörden. Wie also soll das gelingen?
Sicherheitsexperte: EM als "absolute Großlage"
Der Sicherheitsexperte Malte Roschinski sagt im Gespräch mit t-online, dass die Fußball-EM für die deutschen Behörden eine "absolute Großlage" sei. "Man kann sich das vorstellen wie den G-20-Gipfel 2017 in Hamburg – aber einige Nummern größer", erklärt der Geschäftsführer einer Beratungsfirma.
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Neben den Mannschaften müssten auch die Spielorte und "weiche Ziele" wie große und kleine Public-Viewing-Events geschützt werden. Und: "Über allem schwebt die Terrorgefahr", sagt Roschinski.
Zur Person
Malte Roschinski ist Managing Director der Beratungsfirma Plan4Risk. Der Sicherheitsdienstleister bietet Beratung in Sachen Krisenmanagement und internationaler Sicherheit für Privatpersonen, Firmen und Nichtregierungsorganisationen.
Jedes Team werde von einer Polizeiabordnung geschützt, sagt der Experte. "Dabei handelt es sich zunächst einmal um eine 'normale Polizeipräsenz' an den Teamhotels, den Trainingsorten sowie um Eskortierungen zu den Spielstätten." Es geht dabei nicht nur um Bedrohungen – sondern auch um einen reibungslosen Ablauf der Veranstaltung.
"Denn auch normale Fans können beispielsweise den Verkehr behindern", so Roschinski. Die Mannschaftsstärke der Polizei sei dabei schlecht einzuschätzen. Es kommt immer auf die örtlichen Begebenheiten an: Wie groß ist das Teamhotel, wie ist es beschaffen? "Im Falle der meisten Teams ist ein solcher Einsatz aber eher unspektakulär", sagt der Experte.
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Anders im Fall der ukrainischen Mannschaft: "Hier ist der Polizeieinsatz natürlich im Kontext des Krieges zu betrachten und zu planen", so Roschinski. Russland habe klare strategische Interessen in Europa, die es mithilfe hybrider Kriegsführung durchsetzen wolle. Hybride Kriegsführung bewegt sich in einer Grauzone zwischen regulären Mitteln wie dem Einsatz von Soldaten und irregulären, oft verdeckten Maßnahmen. Dazu gehören Sabotageakte gegen die Infrastruktur, aber auch die gesellschaftliche Spaltung mittels Desinformationskampagnen und die Delegitimierung des Gegners.
Bedrohungen für die ukrainische Nationalelf
"Die ukrainische Mannschaft ist ein Symbol des Landes und steht allein deshalb schon im Visier des Kremls", sagt Roschinski. So könnte Russland etwa versuchen, sich den Ukrainern mit Agenten des Nachrichtendienstes zu nähern. Ein Ziel könne dabei sein, belastendes Material zu beschaffen, das der Reputation der Ukraine schadet. Ein Video von ukrainischen Spielern, die bis spät in die Nacht hinein in einem Nachtklub feiern, würde da schon ausreichen.
Darüber hinaus seien "spontane" Bedrohungen möglich, so Roschinski. Gefahren gingen etwa von Menschen aus, die pro-russisch eingestellt seien. "Das Bedrohungspotenzial dieser Menschen reicht von Steinwürfen gegen den Mannschaftsbus bis zu geplanten Anschlägen."
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Eine weitere Gefahr seien Angriffe mit Drohnen. "Hier gibt es effektive Mittel wie Störtechnologie, diese steht jedoch nicht allen Behörden im ausreichenden Maße zur Verfügung", sagt Roschinski. Das liege auch an hohen bürokratischen Hürden bei der Beschaffung solcher Mittel wie Störsendern oder Anti-Drohnen-Gewehren.
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Wie wahrscheinlich solche Szenarien sind, lässt sich jedoch kaum einschätzen: "Die Behörden müssen priorisieren, welche Risiken sie als größer bewerten", sagt der Experte.
"Stark bewaffnete Polizeikräfte" im Umfeld des Teams
Um den Schutz der ukrainischen Mannschaft kümmert sich ein Verbund aus der Landespolizei Hessen, dem Landeskriminalamt sowie der Bundespolizei und dem Bundeskriminalamt. Der Einsatz wird vom Polizeipräsidium in Frankfurt am Main koordiniert. "Dabei werden vermutlich bewusst robuste Einheiten eingesetzt, die Präsenz zeigen", erklärt Roschinski. Im Umfeld des Teams könnten also stark bewaffnete Polizeikräfte auftauchen. Dazu würden Zivilpolizisten in einem größeren Radius um die ukrainische Mannschaft eingesetzt.
Ein Sprecher der hessischen Landespolizei sagt auf Anfrage, dass sich die Behörde bereits seit den EM-Qualifikationsspielen auf die Unterbringung eines Teams in Taunusstein vorbereite. Es ist das einzige Teamquartier in dem Bundesland.
"Im Rahmen der Vorbereitungen stehen wir in einem engen Austausch mit einer Vielzahl an nationalen und internationalen Sicherheitsbehörden", erklärt der Sprecher. Für den Einsatz sei eine sogenannte Besondere Aufbauorganisation eingerichtet worden. "Die hessische Polizei plant umfassend eine Vielzahl von möglichen Einsatzanlässen vor", so der Sprecher. Dazu gehören demnach Cyberangriffe, Versammlungslagen, Verkehrsstörungen bis zu allen Gefahren, die mit der Unterbringung und Aktivitäten der Mannschaft verbunden sind.
Laut der hessischen Landespolizei sind während des gesamten Turniers mehr Polizeibeamte im Einsatz, "als sonst üblich". Über genaue Maßnahmen will die Behörde jedoch "aus einsatztaktischen Gründen" keine Angaben machen. Auch die Bundespolizei erklärt auf Anfrage lediglich, dass sie im Zuge der EM "umfangreiche Maßnahmen im eigenen Zuständigkeitsbereich" ergreifen werde – also an Grenzen, Bahnhöfen, in Zügen sowie Flug- und Seehäfen.
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Polizei gibt ungenaue Angaben heraus
Die ungenauen Angaben seien Teil des Konzepts, sagt Sicherheitsexperte Roschinski. "Die Behörden lassen die Öffentlichkeit bewusst im Unklaren darüber, welche Sicherheitsmaßnahmen genau ergriffen werden." Der Grund: Man wolle gegnerischen Akteuren keinen Vorteil verschaffen. "So ist es aus Sicht der Behörden empfehlenswert, Fehlinformationen zu streuen: etwa über die Größe eines Einsatzes. Man will möglichen Gefährdern die Planung von Aktionen so erschweren."
Bei jedem Einsatz gehe es zunächst um gutes Sicherheitsmanagement. "Das muss dafür sorgen, dass Sicherheit zwar zu jedem Zeitpunkt bestmöglich gegeben ist, aber auch die Öffentlichkeit eines solchen Großevents zulassen", sagt Roschinski. Dabei stünden stets die Interessen etwa der beteiligten Sportverbände denen von Sicherheitsbehörden gegenüber.
Ein Beispiel dafür ist das öffentliche Training der Ukrainer, das am vergangenen Donnerstag in Wiesbaden stattfand. "Dabei kann es zu Attacken, aber auch zu Protestaktionen kommen" – etwa von pro-russischen Akteuren oder Menschen aus dem extrem rechten und linken Spektrum, erklärt Roschinski.
Doch die Generalprobe für die ukrainische Nationalelf und die deutsche Polizei ist friedlich verlaufen. Rund 4.000 Fans schauten beim öffentlichen Training zu, darunter auch im Krieg verletzte Soldaten, die auf Einladung des Veranstalters teilnahmen. Am Ende liefen lediglich ein paar Fans auf den Platz, um mit ihren Helden Mychaylo Mudryk, Oleksandr Sintschenko und Co. Selfies zu machen.
Dennoch bestimmte der Krieg die Stimmung: Trainer Serhij Rebrow erklärte im Anschluss an das Training, dass weiter über den Krieg geredet werden müsse. "Es ist wichtig, dass wir uns hier zeigen", sagte Rebrow. "Ich weiß, dass jeder müde ist über die Nachrichten. Aber es ist noch nicht vorbei."
Taunusstein soll in ukrainischen Farben erstrahlen
Derweil freut sich die Stadt Taunusstein über das Turnier und die Gäste aus der Ukraine. "Um Solidarität und Gastfreundschaft zu demonstrieren, wird die Stadt in den Farben der ukrainischen Flagge erstrahlen", heißt es in einer Mitteilung der Stadt zur Begrüßung der Mannschaft. "Fahnen an Laternen und Blumenpyramiden heißen die Gäste herzlich willkommen." Am 15. Juni fand zudem ein ukrainisches Fußball-Fan-Fest statt. Mit Einschränkungen für die Anwohner sei nicht zu rechnen, erklärt ein Sprecher der Stadt t-online.
Die Sicherheitsmaßnahmen sollen nicht die Freude über die Europameisterschaft trüben, heißt es auch aus dem Bundesinnenministerium. "Insgesamt gilt: Wir sind sehr wachsam und gut vorbereitet."
- Eigene Recherche
- Telefongespräch mit Malte Roschinski
- rp-online.de: "'Wir unterscheiden uns von Diktaturen, für die sich die AfD begeistert'"
- faz.net: "Taunusstein wartet auf die ukrainische Nationalelf"
- hessenschau.de: "Taunusstein will der Ukraine bei der EM ein guter Gastgeber sein"
- ahgz.de: "So wird die Ukraine im Légère Hotel Taunusstein empfangen"
- tagesschau.de: "Emotionales Ukraine-Training in Wiesbaden: Ball am Fuß, Krieg im Kopf"
- Mit Material der Nachrichtenagentur dpa