Milliardär wünscht sich Krawall Ist das der neue Job des Ex-"Bild"-Chefs?
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Zum journalistischen Leitbild von t-online.Julian Reichelt könnte einen neuen Job haben: Nach t-online-Informationen führt der ehemalige Bild-Chefredakteur Gespräche mit dem milliardenschweren Besitzer zweier TV-Sender in Rheinland-Pfalz.
Der Küchenchef empfiehlt an diesem Mittwochabend Wildschwein. Und das passt ja gut zum Anlass im noblen Restaurant: Der Gastgeber, Milliardär Frank Gotthardt, träumt davon, die Landschaft umzupflügen und Staub aufzuwirbeln. Und sein nicht minder prominenter Gast kann das: Ex-Bild-Chef Julian Reichelt.
Bahnt sich hier im eher beschaulichen Koblenz also die ganz große Zusammenarbeit an? Recherchen von t-online und dem Branchenportal "Medieninsider" sprechen dafür. Reichelt dementiert nicht, erklärt nur: "Bitte haben Sie Verständnis dafür, dass ich mich zu privaten Treffen grundsätzlich nicht äußere." Gotthardt ließ in der gleichen Minute eine fast gleichlautende Nachricht übermitteln.
Der gefeuerte Chefredakteur der Boulevardzeitung könnte aber Schlüsselfigur sein für den Unternehmer, der sich für seinen verlustbringenden Regionalsender mehr Aufmerksamkeit wünscht und entsprechend wohl auch krawalliges Spektakel erwartet.
Hotel gehört Milliardär Gotthardt
Reichelt hatte, als er nach Koblenz fuhr, aus dem Zug noch ein Foto eines Snickers getwittert und mit dem Snack-Foto gleich die großen Corona-Fragen aufgeworfen.
Am Mittwochabend aß er dann deutlich gediegener: mit Blick auf die Mosel im "Fährhaus am Stausee". Die Nobel-Herberge gehört praktischerweise Gotthardt, er hat sie sehr aufwendig umbauen lassen. Die Zimmer entstanden vorher probeweise im Keller eines Komplexes, in dem nun seine Sender sitzen.
Gotthardt macht keine halben Sachen: Der 71-Jährige ist IT-Pionier, den ersten Computer hat er 1979 für 130.000 D-Mark gekauft, wie er in einem Interview erzählte. Er baute das weltweit führende E-Health-Unternehmen CompuGroup Medical (CGM) auf, das 6.000 Mitarbeiter beschäftigt und an der Börse 3,3 Milliarden Euro wert ist.
Gotthardt ist daneben Ehrenvorsitzender des Wirtschaftsrats der CDU Rheinland-Pfalz* und im Bundesvorstand der Organisation. Und er tut, was Milliardäre so machen: Seine Oldtimer-Sammlung ist ansehnlich, der Eishockey-Club "Kölner Haie" gehört ihm fast allein.
Verluste bei den Sendern
Was ihm allerdings keine Freude bereitet, sind seine Fernsehsender. TV-Mittelrhein und WWTV firmieren unter dem Dach der DRF Deutschland Fernsehen Produktions GmbH & Co. KG, deren Gesellschafter Gotthards GT Medien GmbH ist. Aus Meetings mit der Redaktion ist von ihm die fast mantraartige Forderung überliefert, die Sender sollten jeden Tag eine neue Sau durchs Dorf treiben. Und, da wird es wirklich interessant: "Wir müssen werden wie die Bild-Zeitung!"
Das TV-Projekt ist nach Gotthardts eigenen Worten in einem Interview defizitär. Die Aufmerksamkeit für die Sender ist nicht sehr hoch, wenn dort das Heimspiel des Handball-Oberligisten HV Vallendar angekündigt wird. Der Finanzier hatte zwischendurch mal deutlich größer gedacht und ein bundesweites Programm gestartet: DRF1 Deutsches Regionalfernsehen mit Beiträgen diverser Regionalsender, zu empfangen über Satellit.
Beteiligte sagen aber, das Spektakulärste daran war rückblickend der Sendestart, als Verantwortliche am Brandenburger Tor einen roten Knopf drückten. Inzwischen sendet DRF1 nicht mehr.
Um nun doch noch einmal durchzustarten, könnte Eishockey-Fan Reichelt der richtige Mann sein. Denn sein großes Projekt war es, mit "Bild-TV" das Boulevardblatt auf Bewegtbild-Medium zu trimmen. Und wie Boulevard und Aufmerksamkeit gehen, weiß Reichelt nachgewiesenermaßen auch.
Reichelt nicht bei "Servus-TV"
Zunächst wurde ihm nachgesagt, vielleicht beim österreichischen Sender "Servus-TV" des Red-Bull-Milliardärs Dietrich Mateschitz einzusteigen. Reichelt erklärte aber gerade im Sender selbst, dort nicht anzuheuern. Aber er "arbeite derzeit an etwas Neuem und spreche da mit sehr vielen, sehr spannenden jungen Kolleginnen und Kollegen".
Das Branchenportal „Medieninsider“ hat Informationen, dass der Investor gefunden ist, beide Seiten wollten aber noch nicht an die Öffentlichkeit. Die Information dort: Ein schwerreicher Unternehmer mit guten CDU-Verbindungen steckt hinter dem Reichelt-Projekt.
Das passt auf Gotthardt. Von ihm ist auch bekannt, dass er nach Journalisten und Strategen für seine Sender fahnden lässt. Mitarbeiter anderer Medien sind bereits angesprochen worden. Das Redaktionsteam seiner TV-Sender ist in den vergangenen drei Jahren auch deutlich zusammengeschrumpft: von rund 50 Mitarbeiter auf rund zehn.
Er selbst antwortete auf eine Anfrage von t-online nicht, dafür Patrick Prangenberg, erst seit Dezember neben Gotthardt Geschäftsführer der Sender-Gesellschaften. Prangenberg war bei dem Treffen im Restaurant nicht dabei. Er teilte mit, Reichelt zwar dem Namen nach zu kennen, aber: "Wir hatten nie eine persönliche Begegnung, einen gemeinsamen schriftlichen Kontakt oder ein persönliches Treffen oder Telefonat." Ihm sei auch nichts vom Abendessen bekannt.
Bei den beiden Sendern WWTV und TV-Mittelrhein sei keine Veränderung des Programmschemas in unseren Programmen vorgesehen. "Sie wäre auch im Vorfeld bei der zuständigen Landesmedienanstalt zu beantragen und bedarf einer Genehmigung." Die Personalsuche in der Region kommentiert Prangenberg nicht. Er erklärt lediglich, der Personalabbau sei durch eingebrochene Werbeerlöse in der Pandemie verursacht.
Sender zeigten China-TV
Bundesweit ist die Sendergruppe bislang mit eher zweifelhaften Aktionen aufgefallen: Ab 2019 etwa liefen vor den wichtigen Regionalnachrichten um 18 Uhr eine Viertelstunde Wohlfühlbilder, die teils aus dem chinesischen Staatsfernsehen kamen. Während in der ersten Corona-Welle Bilder von eingesperrten Menschen in verrammelten Wohnungen in Wuhan um die Welt gingen, flimmerten bei TV Mittelrhein und WWTV tanzende Chinesen in farbenprächtiger Kleidung über den Sender.
Als die Kritik lauter wurde, wurde die Produktion in Windeseile gestoppt und die Kooperation mit der Guang Hua Media (Deutschland) GmbH umgehend beendet. Denn China-Propaganda passt nicht zum Vorsitzenden des Wirtschaftsrats der CDU in Rheinland-Pfalz. Gotthardt gilt zudem politisch als sehr konservativ.
Platz für einen erneuten Aufbruch hat Gotthardt geschaffen. Seine GT Media GmbH bezog im vergangenen Jahr neue Räume. Sie residiert nun im dreistöckigen früheren Verlagsgebäude der "Rhein-Zeitung" in der Nachbarschaft der CompuGroup Medical.
Die Vorgeschichte: Bei seinem stetig wachsenden Konzern hat Gotthardt Ende 2020 den Vorstandsvorsitz abgegeben und wollte seinen Abschied auch räumlich deutlich machen. Der Mehrheitsaktionär, dessen Vermögen das "Manager-Magazin" zuletzt auf 1,4 Milliarden Euro schätzte, steht "nur" noch an der Spitze des Verwaltungsrates. Somit bleibt mehr Zeit für andere Projekte.
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Im Büro des Zeitungsverlegers
Sein papierloses Büro hat der gebürtige Siegerländer dort, wo früher der Verleger der Rhein-Zeitung das Haus dirigierte. Zur großen Medienmacht fehlen Gotthard nun aber eben noch schlagkräftige Journalisten. Und Reichelt ist nach seinem Rauswurf bei Springer in arrivierten Medien wohl kaum vermittelbar. Ihm war nach Recherchen des Ippen-Investigativteams und der "New York Times" Machtmissbrauch im Umgang mit Kolleginnen vorgeworfen worden.
Das Ende der Zusammenarbeit mit Reichelt hatte Springer im Oktober so begründet: „Als Folge von Presserecherchen hatte das Unternehmen in den letzten Tagen neue Erkenntnisse über das aktuelle Verhalten von Julian Reichelt gewonnen. Diesen Informationen ist das Unternehmen nachgegangen. Dabei hat der Vorstand erfahren, dass Julian Reichelt auch nach Abschluss des Compliance-Verfahrens im Frühjahr 2021 Privates und Berufliches nicht klar getrennt und dem Vorstand darüber die Unwahrheit gesagt hat.“
*Wir hatten an dieser Stelle geschrieben, Gotthardt sei Vorsitzender. Den Vorsitz hat er aber im Sommer 2021 abgegeben und ist Ehrenvorsitzender.
- Eigene Recherchen
- Anfragen an Julian Reichelt und Frank Gotthardt
- rhein-zeitung.de: Der Jaguar unter den IT-Pionieren: Das große Interview mit Frank Gotthardt (Abo-Inhalt)
- Süddeutsche.de: Wieso im deutschen Regional-TV chinesische Propaganda läuft